Plattformökonomie

Die Frage nach dem Wie

Digitale Plattformen stellen webbasierte Dienste zur Verfügung und bieten nicht nur im B2C-Bereich große Möglichkeiten. Auch der B2B-Bereich kann von der Plattformökonomie profitieren. Was es auf dem Weg zu einer Plattformstrategie zu beachten gilt, hat der VDMA in einem Whitepaper zusammengefasst.

Standard Quality Control Certification Assurance Guarantee Internet Business Technology Concept. (Bild: ©Sikov/Fotolia.com)
Standard Quality Control Certification Assurance Guarantee Internet Business Technology Concept. (Bild: ©Sikov/Fotolia.com)

Apple, Google, Microsoft, Facebook, Amazon – Plattformanbieter gehören zu den weltweit wertvollsten Unternehmen. Die Global Player orchestrieren weltumspannende Ökosysteme und setzen Marktteilnehmer in traditionellen Märkte massiv und mit wachsender Geschwindigkeit unter Druck. Der VDMA hat mit Mitgliedsunternehmen diskutiert, wie sie sich auf die Plattformökonomie vorbereiten und hat in diesem Rahmen ein Whitepaper veröffentlicht.

Aufbau eines Ökosystems

Plattformen verbinden Menschen, Unternehmen und Ressourcen mittels Technologie zu einem interaktiven Ökosystem, in dem Werte erzeugt und ausgetauscht werden. Um diesen Wert zu generieren, konzentrieren sich erfolgreiche Plattformunternehmen in erster Linie darauf, ein Ökosystem aufzubauen und die Teilnehmer im Ökosystem zu orchestrieren. Um die Optimierung eines Produktes geht es erst in zweiter Linie – der Fokus liegt auf dem Ökosystem, welches um einen gemeinsamen Kundennutzen herum entsteht. Plattformen sind dabei der Dreh- und Angelpunkt für die Interaktion der Teilnehmer.

Paradigmen geraten ins Wanken

Für den Maschinen- und Anlagenabu geraten damit zwei bislang bestehende Paradigmen ins Wanken. Zum einen steht der Kernprozess der Produktentwicklung nicht mehr an erster Stelle. Erfolgsentscheidend wird die organisationale Fähigkeit der Kooperation mit Partnern und den Komplementären im Ökosystem. Zum anderen wird die Entwicklung einer vollumfänglichen Lösung im eigenen Haus abgelöst, da Lösungen auch von den Akteuren innerhalb der Plattform erbracht werden können. Das Denken und Handeln in Ökosystemen wird zur Schlüsselfähigkeit von Unternehmen. Für die konsequent auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtete Sicht der Plattformökonomie, gilt es ein Verständnis für die Mechanismen im Ökosystem zu entwickeln.

Die Frage nach der Strategie

Im Maschinen- und Anlagenbau ist die Plattformlandschaft erst in der Entstehung. Dennoch ist das eine Strategie inklusive der Frage nach neuen datengetriebenen Geschäftsmodellen ein Muss für jedes Unternehmen. Die Erarbeitung der Plattformstrategie sollte dabei folgende Phasen durchlaufen:

  • •  In der Vorbereitungsphase gilt es, ein ausreichendes Verständnis für die Entwicklungen der Plattformökonomie zu schaffen – auch mit externer Unterstützung. Ebenso müssen Management und Mitarbeiter in die Strategieentwicklung mit eingebunden werden.
  • •  Als nächster Schritt empfiehlt sich eine Markt- und Wettbewerbsanalyse. Dadurch lässt sich beispielsweise klären, ob es bereits Plattformen von Wettbewerben im eigenen Markt gibt.
  • •  Die Schaffung eines Kundenverständnisses ist die Basis zum Aufbau neuer datengetriebener Geschäftsmodelle und Plattformangebote. Dabei geht es darum, herauszufinden wie der zukünftige Kundenbedarf hinsichtlich deren Aufgaben, Problemstellungen und Erfolgsfaktoren aussieht.
  • •  Die Definition des möglichen Angebotes und des Partnerökosystems bildet die Basis für eine zukünftige Plattformstrategie. Hauptziel dabei ist, die Kundenschnittstelle nicht aus der Hand zu geben bzw. so lange wie möglich den direkten Kundenzugang zu verteidigen.
  • •  In der Phase der Plattformentscheidung ist die wesentlichste Fragestellung, ob man selbst in der Lage ist, als Plattformanbieter zu agieren und ein Ökosystem zu managen. Dies werden realistisch nur wenige mittelständische Unternehmen können und wollen. Für diese Unternehmen ist es wichtig, die Anforderungen zur Anbindung an geeignete Plattformen zu erfüllen.
  • •  Die Klärung der internen Voraussetzungen stellt die letzte Phase dar. Dabei geht es um Fragen bezüglich der eigenen Unternehmensorganisation, der IT-seitigen Anforderungen, der Produkt- und Serviceentwicklung, der veränderten Marktbearbeitung und Differenzierung, der veränderten Kostenstrukturen, der Flexibilität und Lieferfähigkeit sowie des Ausbildungsstandes von Management und Mitarbeitern. Ziel muss sein, das Unternehmen fit zu machen für ein zukünftiges kundenzentriertes Plattformbusiness.

Verschiedene Rollen

Durch digitale Plattformen ergeben sich auch für den Maschinenbau vielfältige Möglichkeiten der Mitgestaltung. Dabei sollte frühzeitig evaluiert werden, welche Aufgaben man in den neuen digitalen Ökosystemen übernehmen will. Stark vereinfacht kann man vier grundsätzliche Akteure identifizieren:

  • •  Der Datenlieferant integriert Sensorik in seine eigenen Produkte und ermöglicht, die entsprechenden Daten abzurufen.
  • •  IoT-Enabler bieten zusätzlich an, die Daten zu filtern, aufzubereiten und für die weitere Nutzung bereitzustellen, beispielsweise über eine Plattform.
  • •  Digital-Service-Provider bieten vollwertige Dienste, Services und Apps über Business Plattformen an. Ab hier werden auch neue Geschäftsmodelle, wie z.B. Pay-per-Use, immer wichtiger.
  • •  Plattform-Provider übernehmen den Aufbau und Betrieb einer digitalen Plattform, zu der ebenfalls der Aufbau eines aktiven Ökosystems notwendig ist. Das Geschäftsmodell beruht hauptsächlich auf Angebot, Vermittlung und Abrechnung von digitalen Dienstleistungen.

Partnerschaften aufbauen

Bei der Bestimmung der eigenen Rolle sollten unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden. Neben Strategie, Markt und Wettbewerb, ist es wichtig das benötigte IT-Knowhow zu besitzen oder aufbauen zu können. Gegebenenfalls muss in diesem Zusammenhang die Rolle firmenübergreifender Partnerschaften überdacht werden. Während ein ‚Datenlieferant‘ in der Regel keine zusätzlichen Kompetenzen benötigt, kann dies als ‚IoT-Enabler‘ anders ausfallen. Zum einen sollte konsequent auf Standards gesetzt werden, zum anderen gewinnen aber auch Themen wie Datenaufbereitung und Datenanalyse deutlich an Gewicht. Je nach Kapazitäten und Strukturen im eigenen Unternehmen kann es sinnvoll sein, über externe Unterstützung nachzudenken. Sollen zusätzlich Serviceangebote generiert werden (‚Digital-Service-Provider‘) wird zusätzlich eine IIoT-Infrastruktur benötigt. Diese kann man zwar selber bauen und betreiben, aber gerade für KMU’s bietet sich hier die Nutzung einer IIoT-Plattform an. Außerdem sind neben der vorhandenen Branchenkompetenz Kompetenzen bei der Konzeption und Realisierung dieser Services notwendig. Diese kann man entweder selbst oder gemeinsam mit einschlägigen Software-Unternehmen oder auch Start-Ups aufbauen. Gibt es zudem Ambitionen die eigene Firma als ‚Plattform-Provider‘ aufzustellen, werden unterstützende Partner zur Pflicht. Dabei reicht die Spanne von Server-Betreibern, Abrechnungsdienstleistern bis hin zu Support-Strukturen, welche nur mit einem gut aufgestellten Partnernetzwerk realisiert werden können. Um überhaupt Skaleneffekte realisieren zu können, sollte man zudem seine Plattform öffnen. Bei branchenspezifischen Plattformen gilt das insbesondere auch für die derzeitigen Wettbewerber. Neben den bisherigen Kunden sind die Wettbewerber, aber auch branchenfremde Firmen, die über die Plattform ihre Produkte und Dienstleistungen vertreiben, neue Kundensegmente.

Erfahrungen sammeln

Es ist zu erwarten, dass sich auch in der Maschinenbaubranche in den kommenden Jahren deutliche Veränderungen und Marktverschiebungen ergeben werden, ähnlich wie zum Beispiel in der Touristikbranche. Dabei wird sich vor allem der Geschäftsbereich verändern, der sich mit Service sowie der Beschaffung von Ersatzteilen und Zubehör befasst. Bereiche wie der klassische Maschinen- und Anlagenbau werden von der Entwicklung eher weniger betroffen sein. Prinzipiell gilt, je komplexer und kundenindividueller das Produkt- und Dienstleistungsangebot ist, desto später wird es im Sinne der Plattformökonomie abgebildet werden können. Dieser Umstand bietet der Branche die Möglichkeit, mit agilen und dynamischen Geschäftsbereichen in die Plattformökonomie einzusteigen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und gerade diese ertragsstarken Marktsegmente wirkungsvoll und nachhaltig abzusichern und auszubauen.





  • Einflüsse auf die Produktionsplanung simulieren

    Wie lassen sich Aufträge und Ressourcen in Einklang bringen? In anspruchsvollen Szenarien geraten grobe Planungshilfen etwa im ERP-System bei der Beantwortung dieser…


  • Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise

    Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen…


  • Warum ein MES-Projekt Change Management braucht

    Verspätete Wareneingänge, Mitarbeiterausfälle, Störungen und Planänderungen können massiv auf die Produktion, Montage und Liefertermine einwirken. Automatische Planung löst nicht alle Probleme, reduziert…


  • Datenpunkte in der Batteriezellfertigung setzen

    In der Batteriezellfertigung erzeugen heterogene Quellen enorme Datenmengen. Um die Produktion mit Digitaltechnik aufzurüsten, müssen die verschiedenen Datenquellen an die IT-Systeme in…


  • MES und Lean-Management im Zusammenspiel

    Fertigungsunternehmen suchen stets nach Möglichkeiten, ihre Workflows zu optimieren, Verschwendung zu reduzieren und Ressourcen optimal einzusetzen. Der Lean-Ansatz ist hier ein bewährtes…