Systemlogik an der Grenze

Drei Ansätze für zuverlässigere PPS-Systeme

Höhere Termintreue im PPS-Systemen

Um bei bestehender Komplexität, Dynamik und Datenqualität eine hohe Termintreue der Produktionsplanung und -steuerung zu ermöglichen, stellen die Autoren einen Lösungsansatz vor, der auf gezielte Verbesserung von PPS-Kernfunktionen setzt. Dabei wird vom konventionellen Ansatz der Komplexitätsbeherrschung abgewichen. Die folgende ‚Dreifach-Strategie zur Erhöhung der Termintreue von PPS-Systemen‘ (siehe Bild 2) reduziert stattdessen die Komplexität von PPS-Kernfunktionen durch Systemgestaltung.

1. Prognosefreie Produktionsprogrammplanung

Die erste Strategie basiert auf der Einsicht, dass eine Produktionsprogrammplanung, die auf Prognosen basiert, in der Realität nie so eintreten wird wie angenommen. Auftragsprognosen sind notwendig, wenn die Durchlaufzeit einer Wertschöpfungskette länger ist als die zugesagte Lieferzeit. Mit anderen Worten muss die Durchlaufzeit eines Auftrags kürzer als die Lieferzeit sein, damit ein Produktionsprogramm anhand von Kundenaufträgen und Lagerbeständen, jedoch ohne Prognosen planbar ist. Zwei Maßnahmen helfen dabei: Erstens können Durchlaufzeiten durch Prozessgestaltung nach Lean Management und Systemdenken um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Zweitens können Durchlaufzeiten in Wertschöpfungsabschnitte zerlegt werden, indem strategische Puffer implementiert werden. Dies empfiehlt sich vor allem zur Entkopplung von Lieferketten. Hierzu bietet der Supply Chain Management-Ansatz DDMRP (Demand Driven Materials Requirements Planning) ein umfassendes Rahmenwerk.

2. Robuste Kapazitätsplanung durch Reservekapazität

Insgesamt weisen PPS-Systeme eine starke Verkopplung zwischen Produktionsplanung und -steuerung auf. So erfordern täglich auftretende Nachfrageänderungen und Störungen eine Anpassung des gesamten Produktionsprogramms. Ein Effekt, der bei der permanenten Umplanung von APS-Systemen als Planungsnervosität bekannt ist. Zielführender ist es, das Produktionsprogramm gegen interne und externe Einflüsse durch Kapazitätspuffer zu schützen. Systemdenker bezeichnen diese Einflüsse als Prozess- und Ankunftsvariation und empfehlen die Ressourcen bei der Kapazitätsplanung zu maximal 85 Prozent auszulasten. Dies widerspricht dem traditionellen Planungsansatz einer Maximalauslastung von 100 Prozent, der jedoch den nicht-linearen Zusammenhang zwischen Kapazitätsauslastung und durchschnittlicher Warteschlangenzeit ignoriert. Werden Ressourcen zu 100 Prozent beplant, kann nicht auf technische Störungen oder ähnliche ungeplante Einflüsse reagiert werden – das Produktionsprogramm ist im permanenten Rückstand und kann nicht mehr aufgeholt werden. Das Vorhalten von 15 Prozent Reservekapazitäten ermöglicht hingegen eine realistischere Termin- und Kapazitätsplanung. Das Planungsergebnis ist zudem robuster gegenüber einer schlechten Datenqualität.

3. Hybride Produktionsplanung und -steuerung

Die dritte Strategie ist die Folge aus einer Kapazitätsplanung mit Reservekapazitäten. Durch das Einplanen von Kapazitätspuffern ist eine für PPS-Systeme typische Umplanung der Auftragsfolge nicht mehr notwendig, weshalb die Produktionssteuerung entkoppelt von der Produktionsplanung arbeiten kann. Damit kann die Auftragsdurchführung sowie operative Abweichungen dezentral durch die Shopfloor-Mitarbeiter gesteuert werden, anstatt – wie in PPS-Systemen üblich – zentral durch die Produktionsplanung. Dieser Ansatz wird auch als hybride Produktionsplanung- und steuerung bezeichnet und vertritt den Ansatz, dass Menschen besser mit Komplexität und Dynamik umgehen als heutige IT-Systeme. Demnach sollten PPS-Systeme nur zur Produktionsplanung und nicht zur Produktionssteuerung eingesetzt werden. Damit Mitarbeiter an den richtigen Aufträgen arbeiten, benötigt die Produktionssteuerung ein eigenes Betriebssystem, das Vorgaben zu Auftragsterminen und -reihenfolgen ermöglicht. Die geeignete Lösung bieten Tagesprogramme. Sie sind gegen Kapazitäten abgeglichen und werden den Shopfloor-Teams täglich von der Produktionsplanung bereitstellt. Gemäß des High-Level Planungsansatzes nach Suri erfolgt dabei die Kapazitätsplanung auf Basis weniger, dafür aktueller Planungsdaten. Im Gegensatz zum PPS-System-charakteristischen Rückgriff auf viele detaillierte Daten hat es den Vorteil, dass unrealistische Vorgaben von den Mitarbeitern nachvollzogen und als Feedback der Produktionsplanung kontinuierlich zurückgemeldet werden können. Ein weiterer Unterschied des Tagesprogramms ist, dass auf feste Start- und Endtermine verzichtet und lediglich der frühste Starttermin eines Auftrags vorgegeben wird. Mitarbeiter werden damit befähigt, die tägliche Auftragsreihenfolge und den Umgang mit Störungen eigenständig handzuhaben. Zuletzt unterstützen visuelle Steuerungsmethoden nach dem Pull-Prinzip, wie beispielsweise Kanban oder POLCA, den teamübergreifenden Materialfluss.

Weniger komplex, zuverlässigere Ergebnisse

Eine hohe Termintreue ist demnach mit bestehenden PPS-Systemen erreichbar, wenn die Produktionsprogrammplanung ohne Prognosen erfolgt, bei der Kapazitätsplanung 15 Prozent Reservekapazität vorgehalten wird und die Produktion dezentral sowie entkoppelt von der Produktionsplanung gesteuert wird. Darüber hinaus darf die Bedeutung der Datenqualität nicht vernachlässigt werden, da diese wesentlich zur Planungsqualität beiträgt. Für das Technologiezentrum Produktions- und Logistiksysteme (TZ PULS) der Hochschule Landshut ist die Produktionsplanung und -steuerung als Teil der Informationslogistik ein wichtiger Bestandteil zur gesamtheitlichen Betrachtung der intelligenten Produktionslogistik. Ferner spielt die Adaption auf den jeweiligen Betriebstyp zum reibungslosen Ablauf der PPS-Systeme und die intelligente Integration aktueller und zukünftiger technischer Entwicklungen eine tragende Rolle.

Der Artikel ist in seiner ursprünglichen Fassung mit wissenschaftlicher Zitation belegt.