ERP-Rollout ohne Customizing

Druck auf dem Behälter, nicht den Prozessen

Bei dem Druckbehälterspezialisten und Unikatfertiger Römer organisiert AMS.ERP die Prozesse durchgängig für alle Unternehmensbereiche. Was selten vorkommt: Das System konnte ohne Anpassungen ausgerollt werden.

Bild: Römer Behälterbau GmbH
Bild: Römer Behälterbau GmbH

Römer Behältertechnik konstruiert und fertigt Druckbehälter aus Stahl. Die Erzeugnisse müssen bei den Endkunden aus den Bereichen Schiffsbau, Maschinenbau, Kältemittelproduktion und Energiegewinnung hohen Anforderungen standhalten. Da die Druckbehälter fast ausschließlich als Unikate entstehen, entschied sich für die Leitung des international agierenden Familienunternehmens vor einigen Jahren die Implementierung der Anwendung AMS.ERP. Die Software bietet weitreichende Projektmanagement-Funktionen, um Fertigungen im Bereich der Losgröße 1+ ohne viel Anpassung zu unterstützen.

Ähnlich ist nicht gleich

Abhängig von Aufstellort und Verwendungszweck variieren die Druckbehälter von Römer hinsichtlich des Volumens, der Form und der Wandstärke sowie des ausgelegten Druckbereichs und ihrer Temperatureignung. Ein Schiffsbauer muss etwa im Brandfall Stickstoff in einen Schiffsbereich pumpen können, um das Feuer durch Sauerstoffentzug zu ersticken. Dazu berechnet der Kompressorenhersteller, welches Volumen bei welchem Druck dafür benötigt wird. Die entsprechenden Daten gibt er an Römer weiter, der daraufhin den Druckbehälter konstruiert und fertigt. Pro Jahr produziert das Unternehmen ca. 2.000 Behälter, die 300 bis 400 Aufträgen zugeordnet sind. Das Spektrum reicht von 10-Liter-Behältern, die auch schon einmal in 30er-Stückzahlen bestellt werden, bis hin zu Behältern mit 40.000 Litern Volumen. Die Druckanforderungen reichen von minus einem bar bis hin zu 600 bar. Recht bald nach seinem Eintritt in die Geschäftsführung 2009 erkannten Burkhard Römer und sein Partner, dass die Projektabwicklung dieser Produktvarianz mit den vorhandenen Insellösungen nicht zukunftsfähig war.

Integrierte Speziallösung gesucht

Um künftig leichter den Überblick zu behalten, suchten die Verantwortlichen ein ERP-System, das die besonderen Anforderungen der Einzel- und Auftragsfertigung möglichst ohne Anpassungsaufwand berücksichtigt. Nach einiger Recherche stießen sie auf die AMS.Solution AG, deren Software sie sich bei einem Referenzbesuch zeigen ließen. Kurze Zeit präsentierte der Software-Anbieter vor Ort, bevor er schließlich den Zuschlag erhielt.

Unterstützt schnelles Handeln

Das ERP-System bringt die Funktionen für eine stets aktuelle Angebots- und Auftragskalkulationen im Standard mit. Damit kann Burkhard Römer in Echtzeit den Status der Auftragsabwicklung im Blick halten, um etwa kostenseitige Fehlentwicklungen im Projektverlauf zu beheben, bevor finanzieller Schaden entsteht. „Wir erstellen im ERP-System ein Angebot mit einem gewissen Budget, das in den Auftrag übergeben wird. Aus dem Budget wird dann über die Arbeitsvorbereitung und die Konstruktion ein Material- und ein Lohn-Soll generiert: Gegen diese Soll-Kosten laufen im ­Projekt permanent die Ist-Kosten, sodass wir in Echtzeit erkennen können, ob wir gegebenenfalls nachsteuern oder auch einen Nachtrag schreiben müssen“, ­berichtet der Geschäftsführer. Die Transparenz über wichtige Zahlen erleichtert die Kommunikation mit den Auftraggebern, wenn Mehraufwände abzurechnen sind. Denn Nachforderungen, die infolge von nachträglichem Anpassungen durch Kunden den Konstruktionsaufwand erhöhen, lassen sich den jeweiligen Einkäufern viel besser vermitteln, wenn Zulieferer sie zeitnah vorbringen. Rückblickend räumt Römer sogar ein, dass viele Nachforderungen ohne exakte Zahlen wohl gar nicht erst gestellt worden wären, weil die Zeiten gar nicht erfasst wurden und unter Gemeinkosten liefen.

Römer produziert mittlerweile rund 2.000 Druckbehälter pro Jahr. (Bild: ams.Solution AG)
Römer produziert mittlerweile rund 2.000 Druckbehälter pro Jahr. (Bild: ams.Solution AG)

Präzise kalkuliert

Darüber hinaus kann der Firmenchef über den ­Vergleich vorheriger, ähnlich gelagerter Aufträge ­detaillierte und rentable Angebote ableiten. Früher ließ sich nur manuell nachkalkulieren, was selbst für ­einfache Behälter mit hohem Zeitaufwand verbunden war und daher nur bei größeren Auffälligkeiten praktiziert wurde. Da heute alle Projekte nachvollziehbar sind, lassen sich einmal behobene Fehler bei neuen Projekten ausschließen und Angebote viel exakter kalkulieren. Das zahlt sich aus, wenn Behälter nachbestellt werden.

Den vollen Umfang nutzen

Römer nutzt das ERP-System über alle Organisationsbereiche hinweg, von der Auftragskalkulation über das integrierte Rechnungswesen, das Mahnwesen, die ­Zeiterfassung und die Kapazitätsplanung bis hin zur Lagerverwaltung und Versandabwicklung. Seit 2018 werden im Zusammenspiel der Module auch die Monatsabschlüsse generiert, mit Zahlen zu fertigen und unfertigen Teilen und den Beständen. Zusammengenommen fungiert die Software damit als Single Point of Truth. Dokumente wie Anfragen, Angebote, Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen und Exportbestätigungen können den Aufträgen über interne Verlinkungen zugeordnet werden.

Prozesse am Standard ausgerichtet

Dem Prinzip der Durchgängigkeit folgend, fiel die Entscheidung, die betrieblichen Abläufe dem Standard der Software anzupassen. „Wir gingen davon aus, dass die Standardprozesse der Software ein rundes und gesamtheitliches Abbild der Abläufe vieler Unternehmen der Einzelfertigung darstellen, weil sie auf dem Knowhow aus unzähligen Projekten basieren“, begründet der Firmenchef sein Vorgehen.
“Wir haben keinerlei Altdaten in das neue System übernommen: jeder Artikel, jeder Kunde, jeder Lieferant und jede Charge wurden neu angelegt, um bei Null starten zu können.” Konsequenterweise wurden dabei einige alte Prozesse aufgegeben. Auch auf Zusatz­programmierungen wurde gänzlich verzichtet: „Wir haben bis heute keine einzige Anpassung vorgenommen. Chargen z.B. wickeln wir eins zu eins so ab, wie die Software es vorgibt“, sagt Römer. Auch in der ­Konstruktion ist die ERP-Software das führende ­System. Da die Produkte vergleichsweise wenige Stücklistenpositionen enthalten, konnte auf eine Schnittstelle zum CAD-Programm Autodesk Inventor verzichtet werden.

Klare Abläufe ins Werk und zurück

Nach der manuellen Übernahme der Stücklistenpositionen ins ERP-System tätigt der Einkauf die Materialbestellungen über das System. Beim Wareneingang erzeugt der automatische Druck-Report der Software einen Wareneingangsaufkleber mit der Artikelbezeichnung, der Artikelnummer, der Kommissionsnummer, der Bestellnummer, der Charge, der Erzeugnisart, dem Werkstoff und der Menge. Das System orchestriert die Teileverfügbareit in der Schlosserei, in der Arbeitsgänge wie in anderen Abteilungen auch über AMS-Terminals gebucht werden. Über die Meldung der Arbeitsgänge ist der Projektstatus und Bearbeitungszustand des Materials leicht einsehbar, auch bei externer Bearbeitung. Bei der Rückkehr solcher Teile wird der Wareneingang über den Lieferschein gebucht und der Arbeitsgang fertiggemeldet. Generell sind 90 Prozent der Artikel projektbezogen. Überdies sind die verbauten Teile bis auf wenige Ausnahmen rückverfolgbar.

Zur Qualitätssicherung werden die Schweißnähte vor der Auslieferung von ihnnen geröntgt. (Bild: ams.Solution AG)
Zur Qualitätssicherung werden die Schweißnähte vor der Auslieferung von ihnnen geröntgt. (Bild: ams.Solution AG)

Updates ohne Kostentreiber

Ein greifbarer Vorteil beim Betrieb einer Standard-Lösung ist die Release-Fähigkeit. „Da wir ohne eine einzige Zusatzprogrammierung auskommen, haben wir den gefühlt schnellsten und günstigsten Releasewechsel aller Zeiten durchgeführt. Die Kosten bewegten sich noch im vierstelligen Bereich”, sagt Burkhard Römer. Für System-Updates sprechen die anhaltenden Verbesserungen am Gesamtsystem, etwa bei der Kapazitätsplanung. Auf sie wurde anfangs bewusst verzichtet, während sie inzwischen weitreichend genutzt wird.