Wilfried Gschneidinger, CEO von IFS Europe Central:

„Intelligente Automatisierung im ERP-System“

Beim schwedischen ERP-Systemanbieter IFS hat sich 2018 einiges getan. Nach zwölf Jahren im Amt übergibt Alastair Sorbie die Position des CEO an Darren Roos. Das Flagschiff der Firma, die Ressourcenplanung IFS Applications, hat einen Versionssprung gemacht und auch eine neue Anwendung für den Kundenservice gilt es zu vermarkten. Die IT&Production hat mit Wilfried Gschneidinger, CEO IFS Europe Central, über den Kurs der Firma gesprochen, über die neuen Aufgaben eines ERP-Systems und künstliche Intelligenz.

Wilfried Gschneidinger, CEO IFS Europe Central im Interview mit der IT&Produktion
Wilfried Gschneidinger, CEO IFS Europe Central (Bild: IFS Europe Central)

Nach zwölf Jahren als CEO hat Alastair Sorbie zum 1. April 2018 die Geschäfte an den Cloudexperten Darren Roos übergeben. Kommt schon etwas von dem Wechsel in Deutschland an? Wie geht es weiter mit IFS?

Wilfried Gschneidinger: Natürlich arbeiten wir seit dem Amtsantritt von Darren Roos sehr intensiv mit ihm zusammen. Wir sind davon überzeugt, zusammen mit ihm, ein weiteres erfolgreiches Kapitel in unserer Firmengeschichte zu schreiben. Aufgrund unseres Erfolges in den vergangenen Jahren und des daraus resultierenden Wachstums müssen wir uns als Unternehmen konsolidieren und für die nächsten Ziele wappnen. Daran arbeiten wir derzeit mit Hochdruck und haben uns auch an anderen Schlüsselpositionen mit hochkarätigen Managern von Mitbewerbern verstärkt.

In der Präsentation zum Release 10 von IFS Applications heißt es, die Entwickler hätten insbesondere die Themen Automation und Servitization in den Fokus gerückt. Wie sind diese Begriffe aus ERP-Sicht zu verstehen und warum setzen Sie hier an?

Gschneidinger: IFS Applications hatte seine Ursprünge schon im Service-Bereich. Heute sprechen wir von einem Service-Centric ERP, welches traditionelle ERP-Disziplinen wie Vertrieb, Engineering und Fertigung mit einer hochmodernen Servicelösung integriert – inklusive Features wie Mobile-Lösungen, IoT-Anbindung oder Servicetechnikerplanung in Echtzeit. Wenn sich ein Unternehmen entscheidet, im Sinne der Servitization neue Dienstleistungsverträge mit einem Service Level Agreement samt kurzer Reaktionszeiten abzuschließen, muss es in der Lage sein, entweder durch Condition-based Maintenance rechtzeitig Ausfälle vorherzusehen und entgegenzuwirken, oder im Falle von Störungen schnell reagieren können. Ohne einen hohen Automatisierungsgrad und die Verwendung von modernen Technologien wie IoT ist dies nur schwer wirtschaftlich möglich.

Künstliche Intelligenz wird als Wachstumsmotor für industrielle IT gehandelt. Profitiert die ERP-Welt von neuen technischen Möglichkeiten oder ist es eher alter Wein in neuen Schläuchen?

Gschneidinger: Künstliche Intelligenz ist definitiv von Vorteil für das Enterprise Resource Planning und das Enterprise Asset Management. Grund und Ziel von ERP-Einführungen war und ist ja das Bestreben nach Automatisierung, um die Effizienz und die Effektivität zu steigern; aber auch, um den oft knappen Ressourcen die Möglichkeit zu geben, Arbeiten zu erledigen, die einen echten Mehrwert erzielen. In diesem Kontext ist intelligente Automatisierung im ERP-System nur der nächste Schritt. Das Hinzufügen von KI-Funktionen in ERP-Systeme ermöglicht es, mehr und besser zu automatisieren. Nehmen Sie etwas Einfaches wie die Genehmigung von Reisekosten. Heute wird das in der Regel noch von Mitarbeitern gemacht. Mit der Code- und Rules-Engine können wir es aber bereits anhand von Geschäftsregeln halbautomatisieren. Solche Geschäftsregeln sind jedoch sowohl hinsichtlich Komplexität als auch Dynamik durch die Veränderung im Laufe der Zeit begrenzt. Wenn Sie stattdessen einen maschinellen Lernalgorithmus über die historischen Daten ausführen, der das Verhaltensmuster des Managers erkennt, können die Genehmigungen der Reisekosten auf eine effektivere und effizientere Weise automatisiert werden – wodurch der Manager frei für wichtigere Arbeiten wird. Also ja, das ist ein Vorteil. Allerdings gibt es Künstliche Intelligenz und Maschine Learning schon sehr lange, es ist also nicht wirklich etwas Neues. IFS beispielsweise setzt bereits seit zwölf Jahren neuronale Netze in seiner Planungsoptimierungs-Engine ein. Durch die enorm skalierbaren Computing-Power-, Edge-Computing- und Big-Data-Trends wird jedoch die Anwendung solch komplexer Algorithmen in vielen weiteren Anwendungsfällen erst jetzt möglich.

IFS verspricht mehr als 500 neue Funktionen im Release 10. Vor einigen Jahren meinten Produktmanager gängiger ERP-Lösungen gelegentlich, die zukunftsfähigen Systeme auf dem Markt seien funktional weitgehend ausgereizt. Gibt es noch Verbesserungspotenzial oder verändern sich die Aufgaben klassischer ERP-Software?

Gschneidinger: Die Einschätzung, dass die ERP-Systeme ausgereift sind, mag zum damaligen Zeitpunkt ja gestimmt haben. Die Anforderungen der Unternehmen haben sich seitdem aber durch Globalisierung, Digitalisierung, Servitization und die Individualisierung von Produkten erheblich verändert. ERP-Systeme müssen heute Unternehmen unterstützen, die mehr und mehr global agieren, etwa durch die Verwaltung weltweiter Ressourcen oder die Abdeckung internationaler Regularien im Rechnungs- und Steuerwesen. Außerdem sollten sie mit einem neuen Taskmanagement und verbesserter Echtzeit-Ressourcenplanung die Grundlage für Servitization legen. Ein weiteres Beispiel sind neue Kalkulationstools und moderne Dispositionsmethoden wie eine bedarfsgesteuerte Material- und Ressourcenplanung. Sie helfen Unternehmen dabei, immer individuellere Produkte zu verkaufen und sie dann auch liefern zu können. Zudem sollten ERP-Systeme heute mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz und IoT die Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützten.

IFS hat auch die Field Service Management-Anwendung aktualisiert. Vor welchen Herausforderungen steht der Außendienst von Industrieunternehmen und wie hilft Ihre Anwendung dabei, diese zu bewältigen?

Gschneidinger: Die zentrale Herausforderung ist sicherlich, für einen effizienten und effektiven Außendienst zu sorgen, um die Kundenzufriedenheit und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das IFS Field Service Management bietet dafür zahlreiche Werkzeuge, die auf neuesten Technologien basieren. Dazu zählen etwa IoT-Geschäftslösungen, die von Unternehmen bereits mit großem Erfolg genutzt werden. Service-Technikern stehen mobile Lösungen für die unterschiedlichsten Endgeräte zur Verfügung und künftig werden sie Drohnen ebenso einsetzen können wie die Mixed-Reality-Brille Microsoft HoloLens. Die Mobile-Plattform der Software sorgt für einen zentralen Zugang zu Daten und Wissen, über mobile Lösungen oder Portale lassen sich Subunternehmer, Partner oder Händler nahtlos in das Service-Ökosystem eines Unternehmens einbinden. Daneben spielt seit einigen Jahren aber auch die Anwendererfahrung eine immer wichtigere Rolle. Sie wurde mit der neuen Version noch einmal deutlich verbessert und wird auch künftig immer weiter optimiert, um für eine dauerhaft hohe Mitarbeiterzufriedenheit zu sorgen.

Eine neue Anwendung haben Sie in Atlanta vorgestellt: IFS Customer Engagement. Welchen Hintergrund hat die Entwicklung und was leistet die Software?

Gschneidinger: Das IFS Customer Engagement ist dazu da, den Servicedesk bei der Arbeit zu unterstützen. Das beginnt mit der Entgegennahme von Serviceanfragen entweder auf traditionellen Wegen wie Telefon und E-Mail, aber auch via Social Media oder durch einen KI-Chatbot. Der Bot lässt sich in die Unternehmenswebsite integrieren und ist in der Lage, einfache Kundenanfragen wie Terminverschiebungen oder Fragen nach dem Status einer Bestellung ohne menschliches Zutun zu bearbeiten. Erfordert eine Anfrage die Hilfe eines Callcenter-Agenten, kann die Chatbot-Unterhaltung nahtlos an eine Desktopanwendung übergeben werden, wo die Anfrage in den Kontext der früheren Fragen des Kunden und seiner Historie gesetzt wird. (ppr)