Unter dem Begriff Digitaler Zwilling ist heute ein Konzept zu verstehen, mit dem Produkte sowie Maschinen und ihre Komponenten mit digitalen Werkzeugen modelliert werden – und zwar einschließlich sämtlicher Geometrie-, Kinematik- und Logikdaten. Die Erwartungen an diesen Ansatz sind hoch, aber wirklich umgesetzt wird er selten und dann meist nur zum Teil. Denn zu einem umfassenden digitalen Abbild gehören eine Vielfalt von Informationen.
Ein Digitaler Zwilling ist das Abbild des physischen ‚Assets‘ in der Fabrik und erlaubt dessen Simulation, Steuerung und Verbesserung. Industrie 4.0-Arbeitsgruppen diskutieren die digitalen Abbilder in Verbindung mit der sogenannten Verwaltungsschale und Industrie 4.0-Komponenten. Im aktuellen Gartner ‚Hype Cycle for Emerging Technologies‘ liegt der Digitale Zwilling noch vor dem Gipfel der überzogenen Erwartungen. Demnach existieren für weniger als ein Prozent der heute ausgelieferten Maschinen und Komponenten Modelle, die deren Verhalten digital aufnehmen und abbilden. Digitale Zwillinge werden also in den kommenden Jahren in Forschung und Entwicklung weiter ausgestaltet werden. Deutlich ist aber schon heute, dass es nicht auf ein monolithisches Datenmodell hinausläuft, sondern auf unterschiedliche Aspekte digitaler Repräsentationen, Funktionalitäten, Modelle und Schnittstellen. Aus Sicht der industriellen Produktion und ihres Engineerings umfassen Digitale Zwillinge eine Reihe von Aspekten, die im Folgenden erläutert werden.
Identifikation und Inbetriebnahme
Die digitalen Abbilder sollten modellbasierte Selbstbeschreibungen mit dem Ziel von Autoidentifikation und Autokonfiguration enthalten. Damit können sich Maschinen und ihre Komponenten etwa mithilfe von mitgelieferten Treiberinformationen am ME-System oder im industriellen IoT-System mit ihren Fähigkeiten und Diensten anmelden. Beschreibung der Fähigkeiten (Skills) von Produktionsanlagen gehören ebenfalls in den industriell nutzbaren Digitalen Zwilling. Hier geht es um Fertigungsverfahren wie Drehen oder MAG-Schweißen oder Materialflussfunktionen wie Heben oder Stetigfördern. Außerdem umfassen die Fähigkeiten Attribute und ihre zulässigen Wertbereiche sowie gegebenenfalls Teile der Logik. Mit diesen Beschreibungen könnten sich Produktionsmittel schneller als aktuell möglich zu Anlagen für neue Fertigungsaufgaben zusammenbauen, konfigurieren und in Betrieb nehmen lassen.
Normalverhalten überwachen
Das digitale Abbild beinhaltet auch datenbasierte Modelle des Normalverhaltens einer Maschine, einer Linie oder einer kompletten Produktion, basierend auf Laufzeitdaten, die aus dem realen Betrieb, z.B. auf Basis einer Maschinendatenerfassung mihilfe maschinellen Lernens, gewonnen werden. So können Digitale Zwillinge dazu genutzt werden, Ausfälle von Maschinen oder Komponenten zu prognostizieren und – in der Zukunft – Verbesserungsvorschläge datenbasiert automatisiert zu generieren. Hier wird deutlich, dass MES-Funktionen zum Aufbau Digitaler Zwillinge unerlässlich sind. Sie erfassen und speichern Produkt-, Prozess- und Ressourcendaten, die Maschinen und Anlagen liefern oder Messsysteme in Form von Qualitätsdaten.
Simulation
Offline- und Online-Simulationen einschließlich spezieller Simulatoren, z.B. für Finite Elemente, Virtuelle Inbetriebnahme oder die Simulation physikalischer Prozesse gehören ebenfalls zu den Daten eines Digitalen Zwillings. Im Idealfall interagieren verschiedene Simulationsmodelle miteinander. Der Begriff des Digitalen Zwillings ist in der Vergangenheit oft mit der Simulation gleichgesetzt worden. Den Entwicklern am Fraunhofer IOSB ist diese Definition jedoch zu eng.
Werkzeug- und Methodenkatalog
Die Digitale Fabrik benötigt ein „umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen (…), die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden“, etwa für Produktions- und Materialflussanlagen, Gebäude und Technische Gebäudeausrüstung (VDI 4499, Blatt1). Der Begriff der Digitalen Fabrik ist seit langem bekannt und in einschlägigen Standards beschrieben, z.B. der Richtlinienreihe 4499 des VDI. Diesbezügliche Informationen sollten im Digitalen Zwilling erfasst sein. Zu vollständigen Digitalen Zwillingen gehören außerdem Daten rund um IT-Sicherheit, Zugriffsrechte, Zertifikatshandling, Versionsmanagement und Kompatibilitätstests verschiedener Versionen des Digitalen Zwillings. Ihr Inhalt entsteht in die verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Produkts oder einer Fabrik, mit unterschiedlichen Werkzeugen auf diversen Plattformen.
Individuell anfertigen
Erste Praxisbeispiele zeigen, dass Digitale Zwillinge sehr anwendungsspezifisch und für jedes Unternehmen maßgeschneidert zu definieren sind. Erste Anwender sind Unternehmen der Automobilindustrie, die schon immer sehr fortschrittlich waren, wenn es darum ging, Werkzeuge und Systeme der Digitalen Fabrik zu nutzen oder Teile und Fahrzeuge zu identifizieren und zu verfolgen. Konkrete Projekte sind Digitale Zwillinge von Produkten und Formen komplett digitalisierter Produktlebenslaufakten oder von Produktionsanlagen. Neuerdings geht es bei den Anlagen darum, Qualitätsdaten mit Prozessparametern zu korrelieren, um bei n.i.O.-Teilen Prozessparameter nachregeln zu können. Hier kommen auch die Zulieferer ins Spiel, da die Hersteller mehr Daten zu den Produkten und Prozessen fordern, um damit ihre eigenen Abläufe zu verbessern. Konkretes Beispiel sind Daten zu Coils, die im Presswerk zu Platinen und Tiefziehteilen verarbeitet werden. Je feingranularere Messwerte der Stahlhersteller mit dem Coil mitliefert, umso besser lassen sich Tiefziehparameter einstellen, um Risse oder andere n.i.O.-Merkmale zu verhindern oder sogar vorherzusehen. Es ist absehbar, dass die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft und speziell das IOSB in den kommenden Jahren an verschiedenen Fragestellungen Digitaler Zwillinge entwickeln werden – von der durchgängigen Datenhaltung über Semantiken für Digitale Zwillinge bis hin zu spezifischen Werkzeugen, mit denen deren Aspekte simuliert und prognostiziert werden können.
Dr. Olaf Sauer arbeitet im Geschäftsfeld Automatisierung bei Fraunhofer IOSB.
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