Kürzere Innovationszyklen bei spezifischeren Kundenanforderungen treiben die Komplexität in die Höhe. Ein Anforderungsmanagement auf der Basis moderner IT-Technologien kann helfen, Fehler früh zu finden und sie so exponentiell kostengünstiger zu beheben.
Abbildung 1: Exponentielles Fehlerkostenwachstum (Bild: StreetScooter Research GmbH (In Anlehnung an: Erich Müller: Qualitätsmanagement für Unternehmer und Führungskräfte. 1. Aufl., Springer Gabler, Berlin 2014.))
Gemäß einer Studie der Roland Berger Strategy Consultants hat sich die Produktvielfalt in den letzten 15 Jahren in allen Branchen mehr als verdoppelt, während die Produktlebenszyklen aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks um rund 25 Prozent verkürzt wurden(Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (Hrsg.): Mastering Product Complexity. Düsseldorf 2012. S. 5.). Das daraus resultierende Komplexitätswachstum kann in Unternehmen zu hohen Prozess- und Produktentwicklungskosten führen. Wenn weiterhin nicht rechtzeitig auf auftretende Probleme und Fehler reagiert wird, ergeben sich sogenannte Fehlerkosten. Abbildung 1 verdeutlicht den Zusammenhang früher Fehlerentstehung und später -beseitigung: Durch direkte und indirekte Folgen wachsen die Kosten von der Produktplanung bis zur Auslieferung beim Kunden exponentiell. Diese Problematik entsteht unter anderem durch mangelnde Integration von Produkt- und Prozessentwicklung. Der Mangel kann sich durch die fehlende Abstimmung innerhalb interner Unternehmensbereiche sowie mit externen Geschäftspartnern und Lieferanten ergeben. Die so entstehenden Kosten können laut Berechnungen der oben erwähnten Studie im internationalen Maschinenbau durch ein geeignetes Komplexitätsmanagement jährlich um bis zu 54 Milliarden Euro gesenkt werden. Folglich besteht die Notwendigkeit der Implementierung geeigneter Optimierungsmaßnahmen, sodass eine fehlerarme Entwicklung von komplexen Produktionssystemen gewährleistet werden kann. Weiterhin sind das Erfüllen der hohen Prozessanforderungen sowie die Reduktion der Planungsaufwände essentiell, um Schnittstellen integrieren und Entwicklungskosten reduzieren zu können.
Anforderungensmanagement
Ein Anforderungsmanagement kann zur Reduktion dieser Komplexitäten beitragen. Es dient als Instrument zur gleichzeitigen produktionsgerechten Produkt- und produktgerechten Prozessgestaltung. Das Anforderungsmanagement beinhaltet die Ermittlung, Analyse, Spezifizierung sowie Validierung aller Eigenschaften und Rahmenbedingungen eines Produktions- oder Prozesssystems. Am Beispiel des Fahrzeugbaus zeigt sich der Wert dieses Ansatzes. In den Prozessen der Automobilbranche müssen der Bedarf von Gleichteilen und Verbaureihenfolgen bei gleichen Aufnahmepunkten von Erzeugnissen berücksichtigt werden. Zudem erschwert oft ein Silodenken die Koordination einzelner Unternehmensbereiche. Ein wirkungsvolles Anforderungsmanagement, das Wissen und Anforderungen aus Entwicklung und Produktion über parallellaufende Entwicklungsprojekte hinweg verknüpft, soll genau diese Hürden überwinden.
Die Managementaufgabe lässt sich in zwei Teilprozesse gliedern. Zum einen adressiert sie die generische Anforderungsentwicklung, welche eine kontinuierliche sowie Event-getriebene Aufnahme von Anforderungen verfolgt. Diese müssen stets definierten inhaltlichen sowie prozessabhängigen Kriterien folgen, etwa einer eindeutigen Beschreibung des Problems. Anforderungen aus der Produktion werden dabei meist kontinuierlich oder in gezielten Events generiert. Anschließend werden sie nach Relevanz, Vollständigkeit und Verständlichkeit geprüft. Des Weiteren ist auszuschließen, dass die Anforderungen in Konflikt zu den Zielen verschiedener Stakeholder im Unternehmen stehen. Zum anderen thematisiert das Anforderungsmanagement die konkrete Implementierung der Anforderungen in Prozess- und Produktentwicklungsprojekte. Eine Datenbank bietet die Möglichkeit, die definierten Anforderungen zentral zu speichern und für jedes Projekt hinsichtlich ihrer Relevanz und Anwendbarkeit zu evaluieren. Zur aufwandsarmen Realisierung der Projekte werden die Anforderungen möglichst überschneidungsfrei aufgenommen, sodass nur eine begrenzte Anzahl dieser in den Entwicklungsprozess aufgenommen werden muss. Im Sinne eines Closed-Loop-Ansatzes werden die Anforderungen so nicht nur während der laufenden Projekte kontinuierlich aufgenommen, sondern bereits in die frühen Entwicklungsphasen neuer Produkte und Prozesse integriert. Während der gesamten Aufnahme sowie der Integration in neue Entwicklungsprozesse werden die Anforderungen kontinuierlich weiterentwickelt. Abbildung 2 zeigt den Ablauf von der Identifikation von Anforderungen bis hin zur Validierung ihrer Umsetzung.
Abbildung 2: Von der Anforderungsentwicklung bis hin zur -validierung (Bild: StreetScooter Research GmbH)
In der vernetzten Produktion
Anforderungsmanagement lässt sich mit moderner IT hervorragend unterstützen. Der Erfolg des Technikeinsatzes hängt dabei maßgeblich von der Akzeptanz der Nutzer ab. Die Funktionen des Anforderungsmanagements lassen sich digital abbilden und in die Entwicklungs- sowie Produktionsprozesse einbinden. Im Zuge von Industrie-4.0-Anwendungen könnte die Anforderungsaufnahme und -modifikation langfristig automatisiert geschehen. So kann die Prüfung von Anforderungen beispielsweise mit Hilfe von Smart Glasses erfolgen, die es dem Entwickler ermöglichen, auf Anforderungsverletzungen durch einen automatischen Abgleich der Daten mit CAD-Daten bereits in frühen Produktentstehungsphasen zu reagieren. Mit Smart Wearables könnten produkt- oder prozessbezogene Daten z.B. durch manuelle Spracheingabe oder automatisches Scannen via App direkt vom Nutzer in eine Datenbank mit sinnvoll verteilten Zugriffsrechten eingespeist werden. Die Anwendung solcher Technologien beschleunigt langfristig nicht nur die Aufnahme und Integration von Anforderungen, sondern verhilft Unternehmen zur Vernetzung aller an der Entwicklung und Produktion beteiligten Funktionsbereiche in Echtzeit. Durch frühes Ausschalten von Schwachstellen und Fehlern in der Produktion lassen sich Fehlerkosten exponentiell senken.
Dem Wandel standhalten
Im Maschinenbau und besonders in der Automobilindustrie ist der Entwicklungsaufwand komplexer Produkte unter hohem Zeit- und Innovationsdruck einer der größten Kostentreiber. Ein Anforderungsmanagement kann hier Kernelement der effizienten Produktion darstellen. Mit moderner IT-Technologie kann es Unternehmen befähigen, nahezu in Echtzeit auf Produkt- und Prozessänderungen zu reagieren.
Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Burggräf ist Geschäftsführer, Dipl. Wirt. Ing. Jan-Philip Ganser ist Vice President Automotive und Moritz Roder, M.Sc. RWTH ist Unternehmensberater bei der StreetScooter Research GmbH. Dipl. Wirt. Ing. Matthias Dannapfel ist Oberingenieur am Werkzeugmaschinelabor (WZL) und Sebastian Patrick Vierschilling, M.Sc. RWTH, M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinelabor (WZL) der RWTH Aachen.
Autoren: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Burggräf ist Geschäftsführer, Dipl. Wirt. Ing. Jan-Philip Ganser ist Vice President Automotive und Moritz Roder, M.Sc. RWTH ist Unternehmensberater bei der StreetScooter Research GmbH. Dipl. Wirt. Ing. Matthias Dannapfel ist Oberingenieur am Werkzeugmaschinelabor (WZL) und Sebastian Patrick Vierschilling, M.Sc. RWTH, M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinelabor (WZL) der RWTH Aachen.
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