Zukunftsfähigkeit messen und nachweisen

Startschuss zum ESG-Rating

Nicht nur Gesetze wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), sondern zunehmend auch Kunden, Partner und Investoren verlangen eine detaillierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das ESG-Rating ist eine hervorragende Basis dafür, stellt aber wieder eigene Anforderungen ans Unternehmen.

Bild: ©Laurence Dutton/istockphoto.com
Bild: ©Laurence Dutton/istockphoto.com

ESG steht für Environmental, Social, Governance, oder deutsch Umwelt, Soziales, verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ein ESG-Rating soll den Reifegrad der Nachhaltigkeitsleistung einer Firma messen und ihren Umgang mit entsprechenden Risiken. Im Unterschied zu Regularien und Gesetzen ist das Rating nicht von staatlicher Seite vorgeschrieben und es bezieht sich nicht nur auf einen Aspekt, sondern deckt üblicherweise eine Bandbreite an Umweltdaten, sozialen Themen, Menschenrechten und Geschäftsethik ab. Auf dem Finanzmarkt gewinnen ESG-Ratings an Bedeutung, der Zugang zu Finanzierungsquellen ohne eine entsprechende Bewertung wird schwieriger. Für die Aufnahme in Indizes für nachhaltige oder sozial verantwortliche Investitionen, z.B. einen ESG-Fonds, ist ein ESG-Rating manchmal zwingend erforderlich, auch in manchen Geschäftsverträgen wird ein Rating gefordert.

Partner machen Druck

Auch große Unternehmen und Konzerne fordern immer häufiger ein Rating von ihren Zulieferern. OEMs im Automobilmarkt beenden etwa die Zusammenarbeit mit Zulieferfirmen, wenn deren Rating nicht ausreicht. Und schließlich ist ein ESG-Rating eine Vorbereitung auf neue und strengere Gesetze, die in den kommenden Jahren in Kraft treten.

Zeichen von Zukunftsfähigkeit

Darüber hinaus können die Unternehmen selbst von einem ESG-Rating profitieren: Sie erhöhen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch eine nachhaltige Wertschöpfung und bilden eine Basis für Wachstum, indem sie neue Märkte für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen erschließen. Sie lernen ihre Risiken kennen, die sich aus der Lieferkette, aus Missachtung von Berichtspflichten oder mangelhaftem Nachhaltigkeitsmanagement ergeben, und können diese reduzieren. Firmen können sicherstellen, Umwelt- und Sozialstandards sowie Richtlinien einzuhalten. Und sie können ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent kommunizieren, was das Vertrauen von Kunden, Partnern, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern erhöht. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein gutes Rating, also eine hohe Punktzahl durch den Nachweis ausgereifter Systeme, Prozesse und Strategien. Dabei spielt in der Regel nicht der Status quo die größte Rolle, sondern wie konsequent ein Unternehmen seine ESG-Ziele verfolgt und offenlegt. Als Indikator für den zukünftigen Unternehmenswert wird dies wohl zu einem der wichtigsten Faktoren für Investitionsentscheidungen.

Startpunkt ermitteln

Um eine gute Bewertung zu erhalten, wenn es darauf ankommt, ist es ratsam, früh ein erstes ESG-Rating durchzuführen. Das kann als Basis für einen Aktionsplan mit Verbesserungsmaßnahmen dienen. Abhängig von der Tiefe der Analyse, dem Umfang und der Genauigkeit der ESG-Datenquellen sowie der Einbeziehung von Fachleuten dauern Ratingprozesse in der Regel zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten.

Die passende Agentur finden

Unternehmen, die sich zu einem ESG-Rating entschließen, müssen im ersten Schritt eine Ratingagentur auswählen, sofern sie nicht vom Kunden oder Investor vorgegeben wird. Da die Ratings seitens des Gesetzgebers nicht verpflichtend sind, unterliegen sie auch keiner Regulierungsaufsicht. Daher wirkt die Ratinglandschaft auf viele Unternehmen intransparent. Doch eine gut durchdachte Auswahl ist wichtig, denn jede Ratingagentur entscheidet selbst, welche Nachhaltigkeitsbereiche sie berücksichtigt und welche Methodik sie nutzt. Bestandteile eines ESG-Ratings sind in der Regel die Branche, Größe sowie Standort des Unternehmens, seine Offenlegungspraktiken, Risikoexposition und -management sowie Reputation und Medienpräsenz. Während einige ESG-Ratingagenturen ganze Managementsysteme und Betriebsstrategien bewerten, konzentrieren sich andere überwiegend auf öffentlich zugängliche Medien- und Nachhaltigkeitsberichte. Die methodischen Ansätze reichen von der Beantwortung branchenspezifischer Fragebögen über die Einreichung von Nachweisdokumenten, der Analyse öffentlicher Unternehmenserklärungen und -berichte sowie der Erhebung von ESG-Daten und Durchführung externer Kontroversen-Screenings bis hin zu Workshops, Analystinnengesprächen und Stakeholder-Interviews. Einige ESG-Bewertungssysteme stützen sich auf ein bis zwei Methoden, andere kombinieren mehrere, um ein Bild des ESG-Risikomanagements und der Leistung des Unternehmens zu zeichnen.

Blick auf interne Strukturen

Um die passende Ratingagentur zu wählen, sollten Unternehmen eine Reihe von Fragen beantworten:

  • • Wie ist die aktuelle ESG-Leistung des Unternehmens und wo liegen Stärken und Schwächen?
  • • Welche Nachhaltigkeitsthemen sind wesentlich für das Profil des Unternehmens?
  • • Welche Ratings sind für die Branche, Größe und externe Kommunikation des Unternehmens relevant?
  • • Wer sind die wichtigsten Interessenvertreter und Zielgruppen für das ESG-Rating?
  • • Wie kann das Unternehmen sein ESG-Risikomanagementsystem glaubwürdig, transparent und nachvollziehbar darstellen?

Die ESG-Ratingagenturen und ihre Methodik

Im Folgenden sind einige international etablierte und anerkannte Agenturen mit ihren Bewertungskriterien und Methoden aufgeführt:

EcoVadis – Das EcoVadis-Rating umfasst vier Themen: Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik sowie nachhaltige Beschaffung in der Lieferkette. Das Rating stützt sich auf eine evidenzbasierte Bewertung des gesamten Nachhaltigkeitsmanagementsystems des Unternehmens. Bis 2022 hat EcoVadis weltweit über 100.000 Ratings durchgeführt.

CDP – bietet fragebogenbasierte Bewertungen zu Klimawandel, Wäldern und Wassersicherheit. Der Fokus liegt auf Berichten zu CO2-Emissionen und Daten zum Klimawandel als Basis für Investitionsentscheidungen. Stand 2022 gab es weltweit 18.700 berichtende Unternehmen.

ISS – In die ESG-Ratings der Institutional Shareholder Services (ISS) fließen 100 branchenspezifische Ratingkriterien, etwa zum Klimawandel, den 17 SDG-Zielen (Sustainable Development Goals) der Agenda 2030 der UN, zu Biodiversität, Menschenrechten, Arbeitsnormen, Korruption, umstrittene Waffen und vieles mehr ein. Ein Rating von ISS wird insbesondere von Investoren und Unternehmen nachgefragt, die ESG- und Governance-Risiken ihres Shareholder Value reduzieren möchten.

S&P Global Corporate Sustainability Assessment (CSA) – Das CSA-Rating analysiert ESG-spezifische Fragebögen, die durch das Unternehmen zu beantworten sind, sowie öffentlich verfügbare Daten. Unternehmen mit der besten Bewertung werden in die DJSI (Dow Jones Sustainability Index) aufgenommen. Die 8.000 bisher bewerteten Unternehmen repräsentieren 90 Prozent der globalen Marktkapitalisierung.

Daneben gibt es Ratingagenturen, die vor allem in den USA genutzt werden. Zu den größten gehören FTSE Russel und Vigeo Eiris (Moody’s). ESG-Ratings, die in erster Linie für Finanz- und Investmentgesellschaften relevant sind, sind etwa MSCI und Sustainalytics. In den kommenden Jahren werden sich, nicht zuletzt durch die ESRS (European Sustainability Reporting Standards), die Nachhaltigkeitsanforderungen an Unternehmen deutlich erhöhen. Ein ESG-Rating bildet in Vorbereitung darauf eine gute Basis.


Regulatorien beeinflussen ESG-Ratings

Häufig dient ein ESG-Rating der Vorbereitung regulatorischer Verpflichtungen. Deshalb passen sich die Ratings laufend den Regulatorien an. Dazu gehören:Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – Das Regelwerk erweitert die bestehenden Regeln der Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich. Zudem erhöht sich die Zahl der Unternehmen, die den EU-Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen, drastisch. Die CSRD geht Hand in Hand mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die den branchenbezogenen Umfang der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen festlegen.

 (Bild: ©cacaroot/stock.adobe.com)
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EU-Taxonomieverordnung – Das Klassifizierungssystem legt überprüfbare Kriterien fest, anhand derer wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen als ‘ökologisch nachhaltig’ eingestuft werden können.

Task Force on Climate-Related Financial Disclosure (TCFD) – Diese Berichterstattung umfasst die Governance und Strategie, das Risikomanagement sowie Kennzahlen im Zusammenhang mit Klimarisiken und ist in einigen Staaten bereits obligatorisch.

Sustainable Financial Disclosures Regulation (SFDR) – Nach dieser Regulierung müssen Vermögensverwalter und Fondsanbieter, ihre Finanzprodukte einer von drei Nachhaltigkeitskategorien zuordnen. Damit hat sie auch indirekt Auswirkungen auf einige Unternehmen, die auf Fremdkapital angewiesen sind.