Automobilzuliefer in der Krise

Verbände fordern Schulterschluss zwischen Autobauern und Zulieferern

Die Branchenverbände IBU, IMU, DSV und VDFI sehen in einem gemeinsam veröffentlichten Brandbrief den „Standort Deutschland gefährdet“. Die Lieferkette der Automobilindustrie stehe vor dem Kollaps, heißt es darin.

Bild: Industrieverband Blechumformung (IBU)
Bild: Industrieverband Blechumformung (IBU)

„Zerstörerische Markthemmnisse, chipmangelbedingte Produktionsstopps und drastisch gestiegene Energiekosten werden für Zulieferer zum ruinösen Mix. Und gefährden den Standort Deutschland“, so IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs. Mit einem Brandbrief gehen vier Industrieverbände gemeinsam auf Hauptkundengruppen in der Automobilindustrie zu. Verfasser sind der Industrieverband Blechumformung (IBU), der Industrieverband Massivumformung (IMU), der Deutsche Schraubenverband (DSV) und der Verband der Deutschen Federnindustrie (VDFI).

„Hochgefährliche Lage“

Jacobs beschreibt die Lage als „hochgefährlich“ für die mittelständische Zulieferstruktur. „Da Verantwortliche schwer auszumachen sind, plädieren wir für den Schulterschluss zwischen OEMs und Zulieferern. Vom Staat fordern wir zudem eine Energiekostenbegrenzung, da hohe Preise die Krise zusätzlich befeuern.“

Die Branchenverbände wollen den Blick der Automobilhersteller auf den Erhalt der Lieferketten lenken: „Wir brauchen von unseren Auftraggebern verlässliche Produktionszahlen und Abrufplanungen.“ Ihren Mitgliedern empfehlen die Verbände, die Kunden in die Pflicht zu nehmen: „Sie sollten nur noch dann Vormaterial bestellen, wenn die Abnahme der Teile definitiv zugesichert ist“, so Jacobs. Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) hat dafür die Rechtsverbindlichkeit von Lieferabrufen nochmals juristisch bewertet und den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt.

Produktionsbeschränkungen durch Chipmangel

Der Chipmangel zwingt Automobilhersteller derzeit zu Produktionseinschränkungen: So hat Opel das Werk in Eisenach bis Jahresende geschlossen und VW pausiert in Wolfsburg bis Mitte Oktober. Systemlieferanten gehen bis mindestens Ende 2022 von einer angespannten Halbleiterversorgung aus, so die Verbände. Bei Zulieferern verursacht dies laut DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck über 30-prozentige Umsatzeinbrüche, verbunden mit Liquiditätsengpässen durch verschobene und nicht abgenommene Fertigware. Er appelliert an OEMs, das Chiprisiko nicht abzuwälzen. „Auch wenn Hersteller teilweise nicht wissen, wann sie welche Mengen von Elektronikbauteilen bekommen: Sie haben eine vertragliche Verpflichtung gegenüber ihren Zulieferern. Gefragt seien Lösungen, die deren Probleme abfedern. Die gute Ergebnislage der OEMs lasse das sicherlich zu“, so Führlbeck.

Den Staat rufen die Branchenverbände auf, nicht krisenverschärfend zu agieren. „Unsere steuergetriebenen Energiepreise belasten die Industrie in unzumutbarer Weise. Insbesondere im internationalen Wettbewerb“, unterstreicht Wolfgang Hermann, Geschäftsführer des VDFI. IMU-Geschäftsführer Tobias Hain ergänzt: „Frankreich reagiert auf die aktuelle Lage mit einem Energiedeckel zum Schutz der Industrie, Deutschland erhöht dagegen die Preise.“ Den Zeitpunkt für CO2-Abgaben und EEG-Umlageerhöhungen halten die Branchenvertreter für „absolut falsch“. Die mittelständische Wirtschaft stehe vor gewaltigen Herausforderungen, für die Transformation müssen Investitionsreserven erwirtschaftet werden. „Wer die Zulieferer jetzt alleinlässt, gefährdet den Standort Deutschland“, betonen die vier Verbände.