Industrie 4.0-Studie

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung gewinnen an Bedeutung

In einer aktuellen Studie hat das Wirtschaftprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte weltweit mehr als 2000 C-Level-Führungskräfte zum Thema Industrie 4.0 befragt, 125 davon aus Deutschland. Die Analyse zeigt, dass für die Unternehmen neben Wertschöpfung und Wachstum zunehmend auch Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung an Bedeutung gewinnen.

(Bild: ©Coloures-Pic / Fotolia.com)
(Bild: ©Coloures-Pic / Fotolia.com)

Industrie 4.0 steht für einen Transformationsprozess, der Unternehmen, die Arbeitswelt und die Gesellschaft verändert. Doch wie bewerten Entscheider diesen Wandel und wie reagieren sie darauf? Deloitte hat dazu für die Industrie 4.0 Studie 2020 ‘The Fourth Industrial Revolution. At the intersection of readiness and responsibility‘ Führungskräfte aus 19 Ländern befragt. Im Mittelpunkt der Befragung standen die vier Schwerpunkte Strategie, Soziales, Mitarbeiter und Technologie.

Mit Strategie wirtschaftlich erfolgreicher

Laut Studie sind von den befragten Unternehmen jene mit einer effektiven Industrie-4.0-Strategie wirtschaftlich erfolgreicher. 18 Prozent von ihnen wuchsen im vergangenen Jahr um 20 Prozent oder mehr; nur drei Prozent der Unternehmen ohne entsprechende Strategie erzielten ein ähnlich starkes Wachstum.

Aus der Studie geht weiterhin hervor, dass hinsichtlich der Strategie noch Nachholbedarf in den Führungsetagen besteht: Zehn Prozent der weltweit Befragten geben an, dass ihre Unternehmen eine umfassende Industrie-4.0-Strategie verfolgen; in Deutschland sind es neun Prozent. Derzeit haben zwei Drittel der globalen Unternehmen entweder keine definierte Industrie-4.0-Strategie (21 Prozent) oder verfolgen lediglich Ad-hoc-Ansätze zur punktuellen Umsetzung (47 Prozent). In Deutschland verfügen nach eigener Angabe 41 Prozent der Befragten keine Industrie-4.0-Strategie – fast doppelt so viele wie im internationalen Vergleich.

Erwartungen an die Industrie 4.0

Auf die in der Studie gestellte Frage, was sie sich von Industrie 4.0 erwarten, unterscheiden sich die Antworten der deutschen Führungskräfte in vielen Punkten erheblich von denen ihrer internationalen Kollegen. So streben 80 Prozent der deutschen Entscheider vorrangig eine Steigerung des Umsatzes an (Global 59 Prozent), 43 Prozent erwarten von Industrie 4.0 ein verbessertes Risk Management (Global 27 Prozent) und 42 Prozent Kostensenkungen (Global 29 Prozent). Lediglich für sechs Prozent der deutschen C-Level-Führungskräfte liegt der Fokus auf einem Mehrwert für die Gesellschaft – international verfolgen dieses Ziel 23 Prozent der Befragten.

Fachkräftemangel, Klimawandel und Nachhaltigkeit

Die Studie zeigt, dass Führungskräfte nach dem Thema Fachkräftemangel (61 Prozent der Nennungen) aktuell die Themen Klimawandel und ökologische Nachhaltigkeit (54 Prozent) als die drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen ansehen. Bei deutschen Entscheidern hat das Thema Digitalisierung der Lieferketten mit 56 Prozent noch eine deutliche höhere Priorität als Klimawandel und ökologische Nachhaltigkeit (41 Prozent). In anderen Bereichen nehmen deutsche CXOs eine Vorreiterrolle ein: So geben 96 Prozent in der Befragung an, dass die Unternehmensführung ihre Verantwortung für den Schutz von Kundendaten wahrnimmt (Global 62 Prozent). Und 95 Prozent haben eine Unternehmenskultur etabliert, bei der diverse Stimmen in der Entscheidungsfindung zur Geltung kommen; dies ist nur bei 58 Prozent der internationalen Unternehmen der Fall.

Auch die Gewichtung der entscheidenden Treiber, warum Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, unterscheidet sich hierzulande gegenüber dem internationalen Vergleich:

  • Umsatzgenerierung: Deutschland 50 Prozent vs. Global 42 Prozent
  • Anforderungen externer Stakeholder: Deutschland 53 Prozent vs. Global 39 Prozent
  • Druck durch die Mitarbeiter: Deutschland 32 Prozent vs. Global 22 Prozent

Die Studie zeigt zudem, dass die weltweit befragten CXOs verstärkt die Bedeutung und den Wert einer Unternehmenskultur des lebenslangen Lernens erkennen. Förderung und Weiterbildung der Mitarbeiter nennen demnach 74 Prozent als höchste Priorität für Investments in diesem Bereich. Und 59 Prozent wollen investieren, um ein besseres Verständnis davon zu gewinnen, welche Skills in ihren Unternehmen für Industrie 4.0 zukünftig benötigt werden. In diesen beiden sehen die deutschen Studienteilnehmer sogar eine noch höhere Wichtigkeit: 82 Prozent nannten Mitarbeiter-Weiterbildung als ihre Top-Priorität und sogar 92 Prozent das Verständnis der benötigten Industrie-4.0-Skills. Im internationalen Vergleich sind sie zudem prozentual deutlich häufiger davon überzeugt, dass die Mitarbeiter im Unternehmen bereits heute über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die in der Zukunft für Industrie 4.0 unabdingbar sind (34 vs. 20 Prozent).

Technologie noch kein Mittel des Fortschritts

Die Umstellung auf Industrie 4.0 ermöglicht den Einsatz neuer Technologien, um Prozesse zu verbessern, die Produktivität zu steigern und Innovationen voranzutreiben. Doch wie die Resultate der Studie zeigen, begreifen viele Unternehmen Technologie noch immer nicht als Werkzeug des Fortschritts, sondern lediglich als Mittel, um ihr bestehendes Geschäft gegen Disruption – sprich Verlust von Wettbewerbsvorteilen – abzusichern. Vor allem für deutsche C-Level-Executives hat dies höchste Priorität (86 Prozent). Nur 23 Prozent von ihnen streben an, mit ihren Unternehmen selbst zu Disruptoren in ihrer Branche zu werden. Bei der Nennung der für ihre Organisation bedeutendsten Industrie 4.0 Technologien liegen aus Sicht der deutschen Befragten das Internet of Things (98 Prozent), Künstliche Intelligenz (79 Prozent), Cloud (86 Prozent) und Big Data Analytics (77 Prozent) vorne.