Zwischen Funktion und Offenheit

Fünf Anforderungen an die Fertigungs-IT von morgen

Im Rahmen des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 werden Manufacturing Execution Systems oft grundlegend in Frage gestellt – und trotzdem ist bisher keine alternative Lösung verfügbar. Zwar hält der Markt bereits innovative Plattform-Ansätze bereit, aber sind die schon produktiv nutzbar? Ein kritischer Blick in die Zukunft soll ein Gespür für die Entwicklungen der kommenden Jahre vermitteln.

(Bild: ©adam121/Fotolia.com)
(Bild: ©adam121/Fotolia.com)

Seit den ersten Ansätzen der Fertigungs-IT hat sich viel getan. Das Konzept Manufacturing Execution System (MES) ist mittlerweile weltweit gesetzt, auch wenn es je nach Region und Anbieter auch mal Manufacturing Operation Management (MOM) oder sogar Manufacturing Operation System (MOS) genannt wird. Auch an den Prinzipien der Produktion hat sich seit Beginn der Industrialisierung wenig getan: Noch immer werden Rohstoffe durch Bearbeitung zu einem fertigen Produkt ‚umgeformt‘ und anschließend verkauft. Was sich geändert hat sind Aspekte wie Variantenvielfalt, Fertigungstiefe, Bearbeitungsverfahren, Fertigungsorganisation, Länge des Produktlebenszyklus, Taktzeiten oder auch Geschäftsmodelle. Man könnte also meinen, die heutige Fertigung – und auch die von morgen – ließe sich mit einfachsten Mitteln planen, überwachen, steuern und optimieren. Das ist zum Teil auch richtig – es kommt immer darauf an, was hergestellt wird, in welchen Stückzahlen und unter welchen Rahmenbedingungen. Die Anforderung an die Fertigung im Detail sind enorm gestiegen: Komplexe Maschinen müssen eingerichtet und bedient werden, je nach Branche müssen Vorgaben bezüglich Rückverfolgbarkeit und Dokumentation erfüllt werden und auch die Ansprüche der Werker sind nicht zu vernachlässigen. Vieles hat sich also verändert und vieles ist auch gleich geblieben. Aber was bedeutet das für die Fertigungs-IT? Oder besser gefragt:

Was braucht die Fertigung von morgen?

Auch wenn es der Wunsch vieler Innovationstreiber ist, können nur wenige Unternehmen im Sinne eines Green-Field-Ansatzes von heute auf morgen alle alten Maschinen entsorgen und noch einmal komplett neu anfangen. Vielmehr ist der Brown-Field-Ansatz von essenzieller Bedeutung. Und hier liegt eine der wichtigsten Anforderungen an die Fertigungs-IT von morgen:

1. Zukunftsfähige Fertigungs-IT muss mit modernen sowie älteren Maschinen umgehen können. Wie das funktioniert ist im Grunde Nebensache. Des Weiteren ist die Öffnung der Systeme, also ein Angebot an standardisierten Schnittstellen erforderlich. Schon heute brauchen immer mehr Unternehmen verschiedene Speziallösungen, die doch mit dem gesetzten Standardsystem zusammenarbeiten müssen. Umso wichtiger sind leistungsfähige Schnittstellen. Als zielführend hat sich hierbei das REST-Prinzip erwiesen, das über Service-Aufrufe umfangreiche Interaktionen zwischen IT-Systemen ermöglicht.

2. Zukunftsfähige Lösungen müssen also interoperabel ausgerichtet sein. Auf Basis der verfügbaren Technologien stellen auch Menschen in der Fertigung Anforderungen an die IT. Die Datenerfassung sollte möglichst automatisiert laufen und bei manuellen Eingaben sollte das System die Werker unterstützen, korrekte Werte zu erfassen. Auswertungen und Dashboard müssen übersichtlich und ausreichend flexibel sein. Technische Raffinessen wie der Einsatz von Smartphones oder Tablets sollten gezielt eingesetzt werden.

3. Die Fertigungs-IT von morgen muss demnach ergonomisch und anwendungsorientiert sein. Viele werden an dieser Stelle erwarten, dass Cloud-Computing oder das Internet of Things (IoT) wesentliche Anforderungen an Fertigungs-IT stellen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Fertigungs-IT stellt Anforderungen an die umliegende IT-Landschaft. Die Verfügbarkeit der Anwendungen sowie die notwendige Sicherheit der dazugehörigen Daten sollten im Fokus stehen und nicht der Wunsch, in die Cloud zu gehen. Das IoT kann dabei ein nützliches Werkzeug sein, um Daten für die Fertigungs-IT zu beschaffen oder zu verteilen.

4. Die Fertigungs-IT muss ihre Anforderungen an die IT-Landschaft klar definieren – und nicht umgekehrt. Auch bei den Themen Big Data und Analytics spielt die Fertigungs-IT eine wesentliche Rolle. Die Fertigungs-IT muss immer mehr Daten erfassen und verarbeiten können. Dazu werden leistungsfähige Werkzeuge zur Analyse benötigt. Je nach Architekturansatz können Analytics-Funktionen bedarfsgerecht entweder integriert oder angebunden werden.

5. Die Fertigungs-IT von morgen muss leistungsfähige Analytics-Funktionen beinhalten oder effizient anbinden können.

MES-Anwendungen nach dem Plattform-Prinzip sollen es Anwendern ermöglichen, ihre IT-Landschaft anbieterunabhängig auszuwählen und zusammenzufügen. (Bild: ©sdecoret/Fotolia.com)
MES-Anwendungen nach dem Plattform-Prinzip sollen es Anwendern ermöglichen, ihre IT-Landschaft anbieterunabhängig auszuwählen und zusammenzufügen. (Bild: ©sdecoret/Fotolia.com)

Offene Plattform als Alternative

Ein anderer Weg, um die Fertigungs-IT auf die genannten Anforderungen vorzubereiten, kann über eine offene Plattformarchitektur verlaufen. Dabei sind Themen wie Interoperabilität oder ein semantisches Informationsmodell von enormer Bedeutung. Zudem braucht es eine geeignete Basis, auf der ein Ökosystem aus Anbietern, Anwendern und Integratoren entstehen kann. Der MES-Anbieter MPDV setzt bei seiner Manufacturing Integration Platform (MIP) auf eine offene Architektur und nutzt dafür seine jahrelange und branchenübergreifende Erfahrung im Fertigungsumfeld. Auf Basis dieser Plattform können sich Fertigungsunternehmen eine individuelle IT-Lösung zusammenstellen oder von einem Systemintegrator zusammenstellen lassen. Der Funktionsumfang wird in vielen Fällen deckungsgleich mit dem einer MES-Anwendung sein, in anderen wird er deutlich darüber hinausgehen. Der wesentliche Unterschied zwischen einem MES und der MIP-Anwendung besteht darin, dass die Plattform selbst keine Anwendungen mitbringt – dafür können diese bedarfsgerecht miteinander kombiniert und an die Plattform angekoppelt werden. Ein MES hingegen ist ein ’schlüsselfertiges‘ System, das sich sofort einsetzen lässt. Die Fertigungsindustrie dürfte also künftig verstärkt zwischen dem Out-of-the-box-Ansatz und dem Plattform-Ansatz wählen können.

Warten oder investieren?

Viele Produktionsbetriebe unterschiedlicher Größen stehen vor der Wahl, den passenden Zeitpunkt für eine entsprechende Investition zu finden. Gerade bei kleineren Unternehmen und im Mittelstand kann ein Fehlversuch schlimme Folgen haben – eine zweite Chance bekommt man eher selten. Daher ist die Frage nach dem Zeitpunkt und dem geeigneten Ansatz selbstverständlich berechtigt. Die Entscheidung für den richtigen Ansatz ist heute noch relativ einfach, da die meisten Plattformen gerade erst am Entstehen sind. Es wird für die meisten Unternehmen also um die Beschaffung und Einführung eines MES gehen – es sei denn, sie nutzen ein entsprechendes System bereits.

Durchdacht handeln

Manufacturing Execution-Systeme sind essenzielle Bausteine für Industrie 4.0-Anwendungen und somit auch für die Smart Factory. Sofern noch nicht geschehen, sollten produzierende Unternehmen zügig eine wohlüberlegte Strategie für ihre Fertigungs-IT entwickeln. Sind die Anforderungen erst einmal geklärt, lassen sich die geeigneten MES-Anwendungen Schritt für Schritt einführen.