Unter Kadenzen verstehen die Flugzeugbauer weit in die Zukunft reichende Produktionspläne- und prognosen. Man könnte meinen, dass diese Voraussicht auch Zulieferern Planungssicherheit verschafft, aber oft ist das Gegenteil der Fall. Um stets am Bedarf der Auftraggeber zu fertigen, kommen die Zulieferer daher um eine unterstütztende Analyse- und Planungsanwendung oft kaum herum.
Bild: Shutterstock / Verticalarray – SCT GmbH
Zulieferer der Luft- und Raumfahrtindustrie profitieren von den Vorbestellungen der Flugzeughersteller. Sie können mit Hilfe von Prognosen und Produktionsplänen -sogenannten Kadenzen – der großen Hersteller ihre Produktion frühzeitig planen. Was zunächst positiv klingt, stellt die Zulieferer jedoch vor die Herausforderung, die zusätzlichen Informationen auch richtig zu nutzen, ohne dabei im administrativen Aufwand zu versinken.
Lange Wertschöpfungsprozesse
Aufgrund der Komplexität in der Herstellung und der Beschaffung von Bauteilen der Luftfahrtindustrie dauern die Wertschöpfungsprozesse oft lang und sind sehr anspruchsvoll. Hinzu kommt, dass Kundenaufträge durch Kostendruck und begrenzte Kapazitäten so spät wie möglich (um Bestände zu vermeiden) und so früh wie nötig (um Kapazitäten nicht zu überlasten) gefertigt werden. Um Beschaffung und Fertigung zu organisieren, bedarf es also einer verlässlichen Kurz-, Mittel- und Langfristplanung. Generell lassen sich die Produktions- und Absatzplanung der Luftfahrtindustrie in drei Bereiche einteilen: Im Nahfristbereich befinden sich die aktuellen Kundenbestellungen. Der zweite Horizont umfasst die Bedarfsvorschau der Kunden (Kundenprognosen). Diese reicht in vielen Fällen jedoch nicht aus, weshalb eigene Prognosen hinzukommen müssen. Die Struktur der drei Prognosehorizonte unterscheidet sich dabei je nach Kunden: Einige Flugzeughersteller stellen ihren Zulieferern eine Liefervorschau durch ein eigens Lieferantenportal in Form von CSV-Dateien zur Verfügung, andere wiederum übergeben die Planungsdaten in Form von Excel-Dateien, die in das ERP-System eingespielt werden müssen.
Überschneidungen sind möglich
Bei den meisten Kunden überschneiden sich zudem die Zeiträume der Bestellung sowie der Bedarfsvorschau. Dabei sind sind es vor allem die zahlreichen Kleinkunden, die den Planungsaufwand entweder durch unterschiedliche Bereitstellungsformen oder aber durch eine komplett fehlende Bedarfsvorschau erhöhen. Die Bereitstellung über Excel und PDF birgt zudem aufgrund des Medienbruchs Fehlerpotential. Am Ende gibt die Bedarfsvorschau dann nicht mehr die voraussichtliche Bedarfsmenge pro Monat wieder oder weist teilweise sogar Lücken auf. Es müssen also eigene Prognosen erstellt werden. Eine Planungsbasis dafür bieten die sogenannten Kadenzen, das heißt die Planung der voraussichtlichen monatlichen Bauzahlen der einzelnen Flugzeugmodelle. Die Kadenzen reichen deutlich weiter in die Zukunft als die Bedarfsvorschau des Kunden. Sofern bekannt ist, welche Bauteile in welcher Stückzahl in welche Flugzeugmodelle eingehen, kann eine erste Eigenprognose aufgebaut werden. Diese Stücklisten-Beziehung ist den Zulieferern jedoch nicht immer vollständig bekannt. Darüber hinaus gibt es Optionsteile, die nicht in jedem Kundenauftrag eine Rolle spielen. In solchen Fällen müssen Einsatzwahrscheinlichkeiten berechnet werden.
Zur Verbesserung der Datenqualität haben einige Flugzeughersteller ein eigenes Controlling aufgestellt. Die Genauigkeit einer Prognose gibt dabei an, welcher Anteil der prognostizierten Menge in einem Analysezeitraum tatsächlich als Kundenbestellungsmenge realisiert wurde. Zur Messung der Gleichmäßigkeit aller Prognosen für einen bestimmten Zeitraum dient die Prognosestabilität mit deren Hilfe die Schwankungen in den wöchentlich übermittelten Prognosewerten gemessen werden können. Zulieferer stehen dabei allerdings oft vor der Herausforderung, die geforderten Kennzahlen für die Datenqualität regelmäßig zu ermitteln und zu archivieren. Dieser Controllingprozess ist ohne eine systemseitige Unterstützung kaum handhabbar und erfordert ein Konzept zur automatisierten Berechnung und Kontrolle der Kennzahlen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die vermeintlich komfortable Prognosesituation in der Luftfahrtindustrie somit als äußerst komplex.
IT-unterstützte Absatzplanung
Auch die PFW Aerospace GmbH (PFW) mit Sitz in Speyer ist als Lieferant von Rohrsystemen, Strukturbauteilen und Zusatztanks für Flugzeugbauer auf die Prognosen ihrer Kunden angewiesen und sah sich mit den genannten Problemen konfrontiert. Es fehlte an einer technischen Unterstützung, um den Problemfeldern in der Prognoseplanung entgegenzutreten und somit eine durchgängige 24-Monats-Bedarfsplanung für alle Kunden aufzubauen. Geplant wurden die Absätze lange mit Excel. Die Forecastdaten des Kunden wurden analysiert und gegebenenfalls angepasst. Ziel der Forecastanalyse war es, die größten Abweichungen in den Kundendaten zu erkennen. Darüber hinaus prüfte die PFW in der Planung, ob die eintreffenden Kundenbestellungen zu den Forecastdaten passten. Aufgrund der Vielzahl an Daten wurden diese jedoch nur begrenzt überprüft. Die stichprobenartige Prüfung barg aber die Gefahr, dass nicht alle Fehler in den Forecastdaten erkannt und somit Fehlprognosen an Beschaffung und Produktion weitergegeben wurden. Also entschied sich PFW dafür, ein Absatzplanungstool einzuführen. Ziel war unter anderem, einen durchgängigen Bedarfsplan für einen Zeitraum von 24 Monaten zu erstellen sowie die unterschiedlichen Datenmodelle (CSV, Excel) einheitlich abzubilden.
Brutto- und Nettoplanung
Die Wahl fiel auf das Planungs- und Prognosetool Diskover SCO der Firma SCT Supply Chain Technologies. Die Add-On-Lösung kommuniziert über konfigurierbare standardisierte Schnittstellen mit dem SAP-System von PFW. Prognoseinformationen können nun in das Tool eingespielt und als durchgängige materialnummernspezifische Zeitreihen über kurz-, mittel- und langfristige Planungshorizonte dargestellt werden. Durch Eigenprognosen vereinfacht das Tool die Langfristplanung. Planungsschwächen in Form fehlender oder mangelhafter Kundenprognosen werden minimiert. Diese Prognosen wiederum werden als Brutto- oder Nettoplanung eingestellt. Mit einem Nettoplanungsmechanismus wird gearbeitet, wenn die Prognosedaten bereits um Kundenbestellungen bereinigt sind. Der Bruttoplanungsmechanismus wird angewendet, wenn sich die Zeitreihen der Bestelltermine und der Prognosen überschneiden.
Kontinuierliche Überwachung
Zur Überwachung der Prognosedaten wurde ein kontinuierliches Controlling implementiert. Das Tool bietet dafür unterschiedliche Berichtsmöglichkeiten sowie ein integriertes Modul für Pivot-Analysen und -darstellungen, das unter anderem dazu genutzt werden kann, um Prognosegenauigkeit und -stabilität der bereitgestellten Kundenforecasts zu ermitteln. Dadurch lassen sich die bereitgestellten Kundenprognosen permanent auf ihre Qualität hin überprüfen.
Das Absatzplanungssystem unterstützt nicht nur die Auswertung vergangener Prognosen, sondern warnt auch frühzeitig, wenn Prognosen fehlen oder unerwartet abfallen. Die Funktionalität wurde im Rahmen einer Pilotphase geprüft und anschließend auf alle Planungsobjekte bei PFW ausgerollt. Prognosen und Kundenbestellungen können nun auf aggregierter Monatsbasis oder im Tagesraster grafisch und tabellarisch pro Material dargestellt und nach Prüfung und eventueller manueller Ergänzung der Absatzplaner in Form von Planprimärbedarfen an das SAP-System übergeben werden.
Daten interpretieren
Durch die Einführung wurde der Planungsaufwand verringert und der Arbeitsschwerpunkt der Absatzplaner wandelte sich von der umfangreichen und fehlerbehafteten manuellen Aufbereitung von Zahlenreihen zu deren intelligenter Interpretation, Prüfung und Ergänzung. Die Vereinheitlichung, Automatisierung und Standardisierung von Erfassung und Aufbereitung der Prognosedaten in Diskover SCO und die damit verbundene Beseitigung von Medienbrüchen führte bei der PFW Aerospace GmbH zudem zu der gewünschten materialnummernspezifischen rollierenden 24-Monatsplanung und somit zu einer deutlich übersichtlicheren Bedarfssituation.
Autoren:Elisa Kreher, Juniorberaterin bei der Abels & Kemmer GmbH, Thomas Franken, stellv. Entwicklungsleiter der SCT GmbH und Marie-Catherine Peressini Leiterin Absatzplanung der PFW Aerospace AG.
Autoren: Elisa Kreher, Juniorberaterin bei der Abels & Kemmer GmbH, Thomas Franken, stellv. Entwicklungsleiter der SCT GmbH und Marie-Catherine Peressini Leiterin Absatzplanung der PFW Aerospace AG.
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