Die steigende Variantenvielfalt, kurze Lieferfristen, schnelle Prozessanpassungen und kleinere Serien bis hin zur Losgröße 1 stellen Fertiger vor immer neue Herausforderungen. Eine Antwort darauf ist die Smart Factory. Diese braucht bestimmte Prozesse und Funktionen, die das Modell Smart Factory Elements abbildet.
Bis heute sind Manufacturing-Execution-Systeme (MES) das Maß der Dinge, wenn es darum geht, effizient zu produzieren und für Transparenz im Shopfloor zu sorgen. Mit Blick auf die Smart Factory brauchen jedoch immer mehr Fertigungsunternehmen mehr als das, was heutige MES bieten können. Dabei ist die aufgabenorientierte Sichtweise der VDI-Richtlinie 5600 noch dazu geeignet, den IT-Bedarf der Produktion zu erfassen und mit entsprechenden Anwendungen zu hinterlegen. Im Modell Smart Factory Elements wird diese aufgabenorientierte Sichtweise auf die Fertigungs-IT ausgeweitet und dabei gleichzeitig die neuen Anforderungen an die Smart Factory abgebildet. Die fünf Elemente des Modells heißen Planning&Scheduling, Execution, Analytics, Prediction und Industrial Internet of Things (IIoT).
Smart Factory Elements
Der Regelkreis der Smart Factory Elements sieht vor, dass auf Basis von Vorgaben unterschiedlicher Quellen die Fertigung geplant (Planning&Scheduling) und diese Planung dann umgesetzt bzw. ausgeführt (Execution) wird. Die dabei erfassten Daten werden analysiert (Analytics), um daraus etwa Vorhersagen abzuleiten (Prediction), die zusammen mit anderen Erkenntnissen wiederum in die Planung einfließen können. Das Industrial Internet of Things unterstützt diesen Kreislauf durch die Erfassung und Bereitstellung von Daten. Einen Teil dieser Aufgaben lässt sich sehr gut mit einem MES abbilden – für andere werden Lösungen benötigt, die über das klassische Funktionsspektrum eines MES hinausreichen.
Realistisches Szenario
Ein mit praxisnahen Beispielen angereichertes Szenario soll dies näher erläutern: Zunächst werden im Element ‚Planning&Scheduling‘ mehrere Fertigungsaufträge aus dem überlagerten ERP-System übernommen und zusammen mit Ergebnissen aus den Elementen ‚Analytics‘ und ‚Prediction‘ in geeignete Planungstools geladen. Beispielsweise kommen aus ‚Analytics‘ die Erkenntnisse, dass Artikel A auf Maschine 1 um 30 Prozent effizienter gefertigt werden kann als auf Maschine 2 und aus ‚Prediction‘ die Vorhersage, dass Maschine 3 mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent in den nächsten drei Tagen wegen abgenutzter Kugellager ausfallen wird. Also beschließt der Mitarbeiter in der Arbeitsvorbereitung, die übernommenen Aufträge für Artikel A auf Maschine 1 einzuplanen und alle anderen auf die verbleibenden Maschinen zu verteilen. Gleichzeitig setzt er für Maschine 3 eine Wartung für übermorgen an, um die Kugellager zu überprüfen und gegebenenfalls auszutauschen. Im Qualitätsmanagement wurde bereits vor einiger Zeit festgelegt, dass bei allen Artikeln jedes 500ste Stück einer Prüfung unterzogen werden soll, bei der diverse Abmessungen überprüft werden müssen. Diese Planungen gehen dann zum nächsten Element: ‚Execution‘. Die Werker an den Maschinen sehen die anstehenden Aufträge und melden diese an, sobald der jeweils vorangehende Auftrag beendet ist. Gleichzeitig wird jeweils ein Prüfauftrag angemeldet. Es werden nun kontinuierlich aktuelle Kennzahlen sowie der Auftragsfortschritt angezeigt. Nach den ersten 500 Stück wird der Werker auf die anstehende Prüfung hingewiesen. Er entnimmt das entsprechende Teil und prüft die vorgegebenen Merkmale mit einem digital angebundenen Messschieber. Das System erfasst sowohl die laufenden Produktionsdaten als auch die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen über das ‚IIoT‘. Weichen die gemessenen Werte zu stark von den Sollvorgaben ab, wird die Produktion gestoppt und ein Einrichter wird benachrichtigt, um die Einstellungen der betroffenen Maschine zu prüfen und gegebenenfalls zu justieren. Sobald ein Auftrag abgeschlossen ist, wird der nächste angemeldet.
Fertigungsnahe Aufgaben im Regelkreis der Smart Factory Elements (Bild: MPDV Mikrolab GmbH)
Instandhaltung zwischen Aufträgen
Am zweiten Tag kommt ein Mitarbeiter der Instandhaltung und kümmert sich um die angesetzte Wartung an Maschine 3. Hierbei erfasst er seine Arbeitszeiten manuell mit einer App auf seinem Smartphone. Im Meisterbüro nutzt der Schichtleiter ‚Analytics‘, um sich einen Überblick über Produktivität und Ausschussrate der aktuellen Schicht zu informieren. Gleichzeitig analysiert der Meister die Maschinenstörungen der letzten Tage und korreliert diese mit erfassten Prozess- und Qualitätsdaten. Dabei findet er heraus, dass auch Maschine 5 geeignet ist, den Artikel A mit hoher Effizienz zu fertigen. Diese Erkenntnis spielt er an ‚Planning&Scheduling‘ zurück. Fallen bei diesen Analysen Zusammenhänge auf, die ein umgehendes Eingreifen erfordern, so werden diese unmittelbar an ‚Execution‘ weitergeleitet. ‚Prediction‘ arbeitet ebenfalls mit den in ‚Execution‘ erfassten Daten und berechnet fortlaufend die Wahrscheinlichkeit für Maschinenstörungen. Diese Erkenntnisse übermittelt das System ebenfalls an ‚Planning&Scheduling‘, um rechtzeitig Wartungen der entsprechenden Maschinen und Werkzeuge einzuplanen. Zudem nutzt das Unternehmen die Anwendung Predictive Quality. Die erfassten Prozesswerte bei der Herstellung von Artikel A bilden dabei die Basis für die Vorhersage der Qualität eines jeden einzelnen Teils. Wird ein Teil mit hoher Wahrscheinlichkeit als Gutstück vorhergesagt, landet dieses in der Kiste für den nächsten Arbeitsschritt. Teile, die als Ausschuss vorhergesagt werden, kommen sofort in die Recycling Box. Alle anderen Teile werden einer zusätzlichen Sichtprüfung unterzogen und danach als Gutstück oder Ausschuss eingeordnet. Die Ergebnisse aus ‚Prediction‘ fließen dabei direkt zu ‚Execution‘. Damit das alles funktioniert, sorgt das Modul ‚IIoT‘ für die Anbindung der Maschinen, stellt Eingabemasken für die Werker zur Verfügung und übermittelt alle benötigten Dokumente und Einstelldaten in den Shopfloor.
Ausblick
Die geschilderten Beispiele zeigen, dass die Vernetzung der Anwendungen und die Verzahnung der Abläufe zunimmt und die neue Sichtweise für mehr Transparenz und Effizienz im Shopfloor sorgen kann. Der Funktionsumfang eines heutigen MES-Systems deckt dabei bereits einen Teil der Anwendungen ab, die hier genannt wurden. Für die Analyse und Prognose braucht es jedoch meist neue Methoden und Tools, um aus den vorhandenen Daten Erkenntnisse und Vorhersagen zu generieren. Ab einem gewissen Grad an Komplexität und Vernetzung stoßen klassische MES-Anwendungen hier an Grenzen. Das Szenario mit den Smart Factory Elements kann aber auch als Beleg dafür gewertet werden, dass echter Mehrwert erst durch die Anwendungen entstehen kann und die Technologie dabei oftmals in den Hintergrund rückt. Da mag es fast beruhigen, dass die Kernaufgabe der Fertigungs-IT auch in Zeiten von Industrie 4.0 im Fokus bleibt.
Nathalie Kletti ist Vice President Enterprise Development bei MPDV Mikrolab GmbH.
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