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Das Konzept von [LuQ2]

MES nach Maß geschnitten

Im Produktionsleitstand verbinden Unternehmen ihre klassische Automation mit der produktionsnahen IT. Das von AVI programmierte MES namens [LuQ2] ist auf solche Aufgaben im komplexen Umfeld ausgerichtet. Zwar wurde AVI kürzlich von Leadec übernommen, doch das MES soll weiterhin als zentrale Datenplattform Systeme integrieren und sich dabei hochindividuell anpassen lassen.

 (Bild: Leadec Automation & Engineering GmbH)

(Bild: Leadec Automation & Engineering GmbH)

Schon in den 2000er Jahren veröffentlichte der VDMA in seinen Einheitsblättern 66412 Inhalte und Anforderungen an Manufacturing Execution Systems (MES). Inzwischen gibt es die VDI5600 mit ihren acht Blättern, welche auf vielen hundert Seiten eine Entscheidungshilfe und gleichzeitig technische Leitplanke sein soll, wie ein MES gestaltet wird, welchen Nutzen es hat und wie es in einem Betrieb einzuführen ist. In der betrieblichen Praxis stellt sich die Situation häufig nicht so linear dar. Der Alltag in den allermeisten Produktionsbetrieben in Europa ist gekennzeichnet von sehr heterogenen Softwarelandschaften aus unterschiedlichen Generationen. Zumeist bildet das ERP-System die Klammer, das häufig um Teilfunktionen mit Drittsoftware erweitert wurde. Themen wie Energiemonitoring, Arbeitszeiterfassung oder auch die Produktionsplanung sind häufig aus dem ERP ausgelagert und in separaten Systemen abgebildet. Eine direkte Kopplung in die Produktion erfolgt meist mit Microsoft-Excel-Tabellen oder ganz klassisch mit Papierzetteln. Fehlende Transparenz ist deshalb das häufigste Problem vieler Produktionsleiter, also die Möglichkeit, auf Knopfdruck Echtzeitinformationen über den Prozess zu erlangen. Reports erfordern oft immer wiederkehrende manuelle Eingaben und Datenkontrollen. Die detaillierte technische Analyse von Phänomenen in der Produktion oder auch die Rückverfolgung von Ereignissen stellen hohe Hürden dar.

Gewachsen im heterogenen Umfeld

Seit 30 Jahren automatisiert die AVI GmbH technische Prozesse in der Prozessindustrie, in den Bereichen Holzwerkstoffe und Baustoffe, aber auch für Automobilzulieferer. Überall dort waren die Szenarien von modularer Bestandssoftware geprägt, weshalb aus den Projekten heraus die Anforderung erwuchs, ein flexibles und modulares Softwaresystem zu entwickeln, das viele Schnittstellen beherrscht. Daraus entstand das seit 2012 vertriebene MES-Konzept [LuQ2]. Dieses stützt sich auf eine SQL-Datenbank und ist webbasiert aufgebaut. Alle Datendarstellungen erfolgen im Browser, die technische Plattformen darunter ist zweitrangig. Nach der aufgabenorientierten Sicht auf ein MES, wie sie das VDI5600 Blatt 1 als Leitfaden vorsieht, deckt das System alle Themen hinsichtlich Aufträgen, Betriebsmitteln, Personal, Energie, KPI, Qualität und Rückverfolgung ab. Lediglich für den Punkt ‚Feinplanung und Feinsteuerung‘ ist das System nicht geeignet. Das [LuQ2]-Konzept basiert nicht auf Modulen mit festen Eigenschaften. Stattdessen soll das MES zunächst grundsätzliche Funktionalität bereitstellen, und im Projekt gemeinsam mit dem Anwender auf die geforderten Systemeigenschaften ausgeprägt werden. Den Kern bildet oft eine Echtzeitdatenerfassung aus dem vorhandenen Maschinenpark. Dabei legt das System Wert darauf, die Zeitstempelung der Ereignisse aus den unterlagerten Steuerungen oder aus zwischengeschalteten Edge-Devices zu erhalten. So kann bei schnellen, zeitkritischen Prozessen eine zuverlässige Aussage zu Störungen oder Qualitätsschwankungen erfolgen. Das System bietet Schnittstellen zu verschiedenen Steuerungen, eine OPC UA-Schnittstelle oder kann über IoT-Gateways als Pufferebene kommunizieren.

Rezepturen verwalten

Über grafische Prozessablaufpläne können Anwender Sequenzen und Plausibilitätsprüfungen als Automatisierungslösung im MES implementieren. So können Workflows und Interlocks auch auf dieser Ebene transparent abgebildet und dokumentiert werden. Als neues Feature integrierte AVI kürzlich eine Rezepturverwaltung. Damit lassen sich bestimmte Parametersätze für Maschinen und Anlagen in Rezepturform speichern, deren Manipulation tracken und diese Rezepte auch auf die unterlagerte Maschineebene herunterladen.

Datenansicht im Web-Browser

Die Auswertung der Daten erfolgt in Tabellen und Grafiken, die im Web-Browser visualisiert werden. Als Reporting-Werkzeuge sind unterschiedliche Systeme für die unterlagerte Datenbank nutzbar. Funktionen wie automatisierter E-Mail-Versand und Ticketsystem sind verfügbar. Ein Modul für die mobile Systemnutzung ermöglicht es, ohne Installation mobile Browser einzubinden und somit die standortunabhängige menschliche Interaktion. Gerade bei Intralogistik-Aufgaben oder der Mehrmaschinenbedienung ist es oft hilfreich, wenn Werker ihre BDE-Terminals als Scanner oder Smartphone bei sich tragen können. Wenn WLAN nicht überall im Werk verfügbar ist, werden die eingegebenen Daten mit ihrem Zeitstempel nachträglich ins System überführt. So lassen sich reale Geschehnisse und Dinge echtzeitnah mit dem digitalen Datenbestand verknüpfen. Insbesondere in der Prozessindustrie, aber auch in komplexen Maschinensystemen mit vielen analogen Messwerten ist ein zuverlässiges Trending mit Langzeitarchivierung von großer Bedeutung. Diese Funktion übernimmt das MES ebenfalls. Im Historian-Modul liegt der Schwerpunkt auf der schnellen und präzisen Darstellung der Daten, auch in verdichteter Form über jahrelange Zeitachsen. So können die Livedaten mit den Daten aus der letzten Schicht oder auch dem letzten Jahr verglichen werden. Verbinden lässt sich die produktionsnahe Lösung einerseits in Richtung Maschinenebene, andererseits mit ERP- und anderen Drittsoftwaresystemen. Der Microsoft-Excel- oder csv-Ex- und Import von Daten ist auch möglich.

Ergänzung für den Mittelstand

Seit 2020 ist die AVI GmbH Teil der Leadec-Gruppe, einem weltweit agierenden Serviceanbieter rund um die Fabrik. Der neue Besitzer verfolgt eine Digitalisierungsstrategie, die gerade das Leistungsangebot für seine Kunden auf dem Weg zur Smart Factory betrifft. Das hinzugekaufte MES ist demnach als Ergänzung zu verstehen, die sich insbesondere an den Mittelstand in den anfangs genannten Branchen richtet. Zu den Schwerpunkten von Leadec zählen ansonsten die variantenreiche diskrete JIS-Fertigung sowie Lösungen auf Basis des Automatisierungs- und Fertigungssteuerungssystems jitCATS und der Software Weld.One für Inline-Inspektion von Lichtbogenfügeverfahren. Künftig soll das MES auch in Kombination mit der Leadec IoT-Home-Cloud implementiert werden. Diese Industrial IoT-Lösung unterstützt die Analyse von Daten mit Machine-Learning- oder anderen speziellen -Algorithmen etwa für Predictive Maintenance und ermöglicht eine digitale Verknüpfung zu anderen Serviceleistungen des Anbieters.


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