Antriebstechnik für die Smart Factory
Produktion in Bewegung
Ob Roboter, CNC-Maschine oder Fördertechnik – erst Bewegung macht aus Komponenten ein Automatisierungssystem. Zudem spielen Motion-Steuerungen in Energieeffizienz- und IIoT-Projekten eine wichtige Rolle. Maurice O’Brien von Analog Devices schildert, was den Motion-Markt bewegt – und was Fabrikbetreiber von ihrem Automatisierer erwarten dürfen.
Diese Entwicklung ist eng verbunden mit der zunehmenden Komplexität der Automatisierung insgesamt. Heute gilt es technologische Fragen der Rückführung, Sensorik, der Steuerung und Konnektivität zu lösen, um deterministische Bewegungen bereitzustellen. Die Anbindung der Bewegungsdaten an SPS und Produktionsleitsysteme (MES, MOM) ermöglicht fortschrittliche Analysen zur Fertigungsoptimierung und früher Fehlererkennung. Dabei werden Motion-Systeme konstant auf Umkonfigurierbarkeit getrimmt, damit sie die Dynamik in aktuellen Werksgeschehen mittragen können, bis zur Fertigung in Losgröße 1. Auch die Energieeffizienz ist ein zunehmend wichtiger Faktor von Bewegungssystemen, die überdies noch in sehr unterschiedlichen Anlagen und abweichenden Leistungsschwerpunkten verbaut werden.
Netzgekoppelte Motoren
Die einfachsten Antriebslösungen basieren auf einem netzgekoppelten Drehstrommotor mit fester Drehzahl, der über eine Schaltanlage ein- und ausgeschaltet wird und über eine Schutzschaltung verfügt. Diese grundlegenden Bewegungslösungen laufen mit einer relativ festen Drehzahl, unabhängig von jeder Laständerung. Eine Leistungsreduzierung wird durch mechanische Steuerungen wie Drosseln, Klappen, Getriebe oder Ventile, Pumpen und Gebläse als typische Komponenten realisiert.
Umrichtergesteuerte Motoren
Durch Hinzufügen eines Gleichrichters, eines Gleichstrombusses und einer dreiphasigen Wechselrichterstufe entsteht eine Spannungsquelle mit variabler Frequenz und Spannung, die an den Motor angelegt wird, um eine variable Drehzahlregelung zu ermöglichen. Dieser umrichtergesteuerte Motor ermöglicht eine Senkung des Energieverbrauchs, da der Motor mit der für die jeweilige Last und Anwendung optimalen Drehzahl betrieben wird. Beispiele hierfür sind Pumpen und Gebläse mit höherem Wirkungsgrad. Die neunte Ausgabe von Rockwell Automations „State of Smart Manufacturing“ Report liefert Einblicke in Trends und Herausforderungen für Hersteller. Dazu wurden über 1.500 Fertigungsunternehmen befragt, knapp 100 der befragten Unternehmen kommen aus Deutschland. ‣ weiterlesen
KI in Fertigungsbranche vorn
Antriebe mit variabler Drehzahl
Bei leistungsstärkeren Bewegungsanwendungen ermöglicht ein Antrieb mit variabler Drehzahl (engl. Variable Speed Drive, VSD) eine genaue Drehmoment-, Geschwindigkeits- und Positionsregelung. Dafür wird der grundlegende rückführungslose Umrichterantrieb um eine Strom- und Positionsmessung erweitert. Damit ist eine präzisere Steuerung von Motordrehzahl, -position und -drehmoment möglich. Typische Beispiele für solche Anwendungen sind Förderanlagen, Wickel-, Druck- und Extrusionsmaschinen.
Servoangetriebene Systeme
Bei komplexeren Bewegungsanwendungen werden synchronisierte, mehrachsige servoangetriebene Systeme eingesetzt. Dazu gehören Werkzeugmaschinen und CNC-Maschinen, die eine Synchronisierung mehrerer Achsen mit sehr genauer Positionsrückmeldung erfordern. In der CNC-Fertigung ist die 5-Achsen-Bearbeitung üblich, obwohl es auch Anwendungen gibt, in denen bis zu zwölf Achsen Bewegungen von Werkzeugen und Werkstücken relativ zueinander erlauben.
Neue Industrieroboter
Feststehende Industrieroboter benötigen zur Positionierung im Raum mehrachsige Servoantriebe in Kombination mit mechanischer Integration und fortschrittlichen Maschinensteuerungsalgorithmen. Diese Roboter haben in der Regel sechs, bei Schienenführung gelegentlich sieben Achsen, die koordiniert gesteuert werden müssen. Kollaborative Roboter (Cobots) bauen auf Industrieroboterlösungen auf, indem sie zusätzlich mit einer Leistungs- und Kraftbegrenzung (engl. Power Force Limiting, PFL) ausgestattet sind, die eine funktionell sichere, mehrachsige Maschinensteuerung ermöglichen. Bei mobilen Robotern schließlich werden selbstnavigierende, funktionssichere Maschinensteuerungen mit Lokalisierungssensorik und Kollisionsvermeidung eingesetzt. Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen zu generieren. ‣ weiterlesen
Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise
1. Energieverbrauch
Die Entwicklung von Bewegungssteuerungen ist derzeit vor allem durch vier Anforderungen getrieben. Die erste betrifft den Energieverbrauch. Nahezu 70 Prozent des industriellen Stromverbrauchs entfallen auf Elektromotorsysteme. Über intelligente Antriebslösungen lassen sich erhebliche Verbrauchsreduktionen erzielen. Da immer mehr Motoren mit fester Drehzahl auf effizientere Modelle mit variabler Drehzahl umgestellt werden – teils aufgrund von Vorschriften – ist in diesem Bereich noch viel Sparpotenzial zu heben. Im Kontext zu anderen Informationen liefern Bewegungsdaten vielerorts eine Grundlage für Energieverbrauchsreduktionen.
2. Agile Produktion
Zudem fordern Käufer verstärkt Bewegungssteuerungen, die eine schnell umkonfigurierbare Produktion ermöglichen. Denn der Wettbewerb zwingt die Anlagenbetreiber zunehmend, individualisierte Erzeugnisse mit kürzeren Durchlaufzeiten herzustellen. Komplexe, sich wiederholende und gefährliche Aufgaben werden demnach häufiger von Industrierobotern ausgeführt.
3. Digitale Transformation
Der weltweite Trend in der Fertigungsindustrie ist die Anlagenvernetzung und erweiterte Maschinendatenerfassung als Meilenstein der digitalen Transformation. Antriebe mit variabler Drehzahl und Servoantriebe verwenden etwa Daten von Spannungen, Strömen, Temperatur, Leistung und Energieverbrauch in Kombination mit externen Sensoren, die Vibrationen und andere Prozessvariablen überwachen. Daten werden durch ein konvergentes IT/OT-Ethernet-Netzwerk weitergeleitet, das Bewegungsanwendungen miteinander vernetzt und Daten und Erkenntnisse auszutauschen erlaubt. Bewegungs- und Analysedaten sind in solchen Systemumgebungen gut zugänglich, um etwa in Cloud-Infrastrukturen mit KI-Algorithmen weiterverarbeitet zu werden.
4. Neue Abrechnungsmodelle
Als vierter Faktor wirkt auf die Motion-Branche ein, dass Anlagenhersteller neben Produkten auch mehr Services verkaufen wollen. Diese Geschäftsmodelle beinhalten häufig Anbieterversprechen bezüglich Produktivität und Anlagenauslastung. Beispielsweise möchte ein Pumpenhersteller Leistungen künftig auf der Grundlage des geförderten Flüssigkeitsvolumens abrechnen, anstatt die Pumpe zu verkaufen. Neue Bewegungslösungen beinhalten Monitoring-Funktionen, um den Zustand von Anlagen in Echtzeit zu überwachen und etwa Wartungspläne zu erstellen. Denn etwa der Pumpenhersteller ist mehr denn je daran interessiert, Anlagenstillstände präzise zu steuern, um Serviceverträge zu erfüllen und Umsatzströme abzusichern.