Was muss smarte
Robotersimulation können?

Roboter entwickeln sich im Zuge der digitalen Transformation zur festen Instanz im Privat- und Berufsleben. Insbesondere in der Produktion wird es einen Paradigmenwechsel geben. Und die nächste Generation des ‚Kollegen Roboter‘ steht schon in den Startlöchern: smarter, intelligenter, einfacher zu bedienen. Bei Einrichtung und Betrieb der Roboter ist höchste Präzision gefragt, um kostenintensive Ausfallzeiten zu vermeiden. Für entsprechende Planungssicherheit und Produktqualität sorgen Werkzeuge zur Robotersimulation. Welche Aufgaben muss solch eine Software beherrschen?

Bild: Dualis GmbH IT Solution

Die Anforderungen an ein Tool für die Robotersimulation sind vielfältig und vom Einsatzfeld oder auch von der Einordnung im Projektverlauf abhängig. Im Idealfall kann die Simulationsplattform durchgängig in allen Bereichen und Projektphasen verwendet werden. Beim Einsatz im Vertriebsprozess und in der Grobplanung sind Schnelligkeit und Flexibilität erforderlich. Es sollte möglichst einfach sein, Roboter und Handhabungssysteme in Form von wiederverwendbaren Komponenten in das Simulationsmodell zu integrieren, mit wenigen Klicks zu bewegen und in Aktion zu versetzen. Eine vorgefertigte Modellbibliothek – bestehend aus konfigurierbaren, parametrisierbaren Komponenten – ist Voraussetzung und Vorteil zugleich.

Simulativ in Bewegung

Über Plug and Play-Konzepte kann der Roboter auf ein Podest oder eine verfahrbare Achse platziert und verbunden werden – ebenso können unterschiedliche Werkzeuge, wie zum Beispiel Greifer und Schweißpistolen, einfach mit dem Roboter verknüpft werden. Die Bewegungssteuerung erfolgt automatisch, in der frühen Projektphase muss demnach kein detailliertes Roboterprogramm definiert werden. Eine vorgefertigte konfigurierbare Steuerungseinheit definiert den Bewegungsablauf des Roboters und ist über Schnittstellen mit Materialaufnahme- und abgabepunkten sowie Prozesspunkten des Simulationsmodells verbunden. Eine Roboterzelle mit Pick and Place-Aktionen lässt sich innerhalb weniger Minuten aufbauen und simulieren. Erste Aussagen zu Machbarkeit und Erreichbarkeiten lassen sich bereits jetzt treffen. Dabei steht nicht nur der Roboter im Mittelpunkt, sondern das gesamte Layout. Gerade in dieser Phase sollte es möglichst einfach sein, verwendete Ressourcen wie den Roboter auszutauschen und durch einen anderen Robotertyp (6-Achsgelenkroboter, Scara-Roboter, Portalsystem et cetera) oder durch ein Modell eines anderen Herstellers zu ersetzen. Hier ist eine stetig aktuell gehaltene Komponentenbibliothek mit einem umfangreichen Spektrum an Roboterkomponenten diverser Hersteller von Vorteil.

Programm nimmt Formen an

In einer späteren Projektphase gilt es, das Simulationsmodell zu detaillieren. Eine genaue Abbildung einer Zelle bedingt den Import von Konstruktionsdaten. Das bedeutet, CAD-Daten der Anlagenkomponenten sowie der Werkstücke und Werkzeuge setzen ein Unterstützung unterschiedlicher Dateiformate (ob proprietär STEP, VRML oder herstellerspezifische CAD-Formate wie Solidworks, Catia, NX, Creo) voraus. Funktionen zur Nachbearbeitung und Vereinfachung der CAD-Geometrien in der Simulationsplattform schaffen Unabhängigkeit vom CAD-Modelllieferanten und bieten mehr Flexibilität in der Simulationsmodellerstellung. Besonders bei der Abbildung von Vorrichtungstechnik und Greifmechanismen muss die Möglichkeit bestehen, Mehrachs-Kinematiken und Bewegungssteuerungen in importierte CAD-Modelle einzubinden und auszumodellieren. Assistenten beschleunigen den Modellierungsprozess und vereinfachen die Integration anwendungsspezifischer Peripherie. Nun erfolgt die detaillierte Erstellung des Roboterprogramms. Ein Icon-basierter Programm-Editor, in dem sich alle Roboter – unabhängig vom Hersteller und Robotertyp – auf gleiche Weise programmieren lassen, bildet die Grundlage für eine einfache Bedienung. Der Anwender erzeugt das Roboterprogramm mithilfe von Aktionsanweisungen, die Schritt für Schritt in einer Liste zu einem Programmablauf zusammengefügt werden. Jede Anweisung wird durch ein Icon symbolisiert und kann über ein separates Eigenschaftenfenster parametrisiert werden. Typische Aktionsanweisungen sind Positionsangaben für Linear- oder Punkt-zu-Punkt-Bewegungen des Roboters, die Signalausgabe oder das Warten auf einen Signaleingang, das Verschieben von Basisdefinitionen (Referenzkoordinatensysteme) oder Werkzeugoffsets (Tool-Definition) sowie Kontrollstrukturen zur Abbildung von If-Else-Verzweigungen oder While-Schleifen.

Position per Maus festlegen

Zum Festlegen einer Roboterposition wird der Roboter einfach per Maus an einem gewählten Werkzeugbezugspunkt gegriffen und an der gewünschten Stelle positioniert. Fangfilter und Ausrichtungsassistenten ermöglichen ein schnelles Einrichten der gewünschten Positur für die Bewegungsanweisungen. Visuelles Feedback zur Gelenküberschreitungen werden durch farbliches Hervorheben der Gelenke angezeigt. Sind bestimmte Positionen im Raum nicht erreichbar, kann der Roboter erst gar nicht an die entsprechende Position geführt werden. Voraussetzung ist das reelle Verhalten der Roboterkomponente bezüglich seiner Gelenkgrenzen, die in den Robotermodellen der Bibliothek gemäß Spezifikation gepflegt sein müssen. Zur Verknüpfung des Roboterprogrammes mit vor- und nachgelagerten Prozesspunkten, die ein bestimmtes Prozessverhalten abbilden, muss der Roboter auf Signalebene mit Sensor-, Aktuator- und Steuerungskomponenten verbunden werden. Die Verbindung der Signale kann tabellarisch, aber auch visuell durch das Erstellen von Verbindungslinien zwischen den einzelnen Simulationskomponenten erfolgen. Die Verwendung von Haltepunkten innerhalb des Programmablaufes ermöglicht einen simultanen Aufbau des Roboterprogrammes. Das heißt, die Simulation kann gestartet werden und wird automatisch beim Erreichen relevanter Programmpunkte angehalten. Ein solcher Punkt kann zum Beispiel unmittelbar vor oder nach der Werkstückaufnahme liegen und folgt in der Regel einem Signaleingang beziehungsweise -ausgang. Der Roboterarm kann dann samt Greifer präzise zum Werkstück hingeführt oder mit gegriffenem Werkstück an eine neue Position geführt werden. Anschließend kann die neue Position als weitere Anweisung im Programmablauf hinterlegt werden. So setzt sich das Roboterprogramm Stück für Stück zusammen und kann iterativ mit Hilfe der Simulation bewertet werden. Neben der Erreichbarkeitsprüfung wird die Simulation auch für Kollisionsprüfungen verwendet. Besonders beim Robotereinsatz in engem Bauraum sind Assistenten zur Visualisierung auftretender Kollisionen von Roboter, Werkzeug und Werkstück mit Umhausung oder Vorrichtungen hilfreich und beugen falschen oder unzureichenden Roboterpositionen schon bei der Programmerstellung vor. Auch in dieser detaillierten Projektphase ist es möglich, den Zellenaufbau zu variieren und den Roboter beziehungsweise die an der Anwendung beteiligten Komponenten neu zu positionieren und das Programm zu bewerten.

Ein erheblicher Mehrwert der Simulation ergibt sich daraus, wenn das in der Simulation erstellte Roboterprogramm für den reellen Roboter nachgenutzt werden kann.  Bild: Dualis GmbH IT Solution
Ein erheblicher Mehrwert der Simulation ergibt sich daraus, wenn das in der Simulation erstellte Roboterprogramm für den reellen Roboter nachgenutzt werden kann.
Bild: Dualis GmbH IT Solution

Programme nutzen

Ein erheblicher Mehrwert der Simulation ergibt sich daraus, wenn das in der Simulation erstellte Roboterprogramm für den reellen Roboter nachgenutzt werden kann. Das heißt, die Simulation fungiert als Offline-Programmiersystem (OLP). Per Knopfdruck wird das simulierte Roboterprogramm in die herstellerspezifische Syntax des Roboters umgewandelt (Post-Prozessor) und kann in der reellen Robotersteuerung nachgenutzt werden. Ein OLP-System erfordert zusätzliche Kalibrierungsassistenten, die die Abweichungen zwischen realer und virtueller Welt ausgleichen. Nicht nur der Export, sondern auch der Import bestehender Roboterprogramme bildet einen erheblichen Mehrwert. Roboterprogramme eines realen Systems können in der Simulation erweitert und konfiguriert werden. Die Bewertung des erstellten Roboterprogrammes erfolgt nach verschiedenen Gesichtspunkten. Eine der häufigsten Auswertungen, neben der Erreichbarkeits- und Kollisionskontrolle, ist die Frage nach der erreichten Taktzeit. Eine präzise Aussage zur Taktzeit lässt sich nur treffen, wenn die reelle Robotersteuerung in Form eines virtuellen RCS-Modules für die Bahnsteuerung des Roboters verwendet wird. Ein RCS-Modul ist ein virtuelles Abbild der reellen Robotersteuerung des Herstellers, das über eine API an den Simulator angebunden werden kann. Bei einer Kopplung mit dem Simulator steuert das RCS-Modul die Bewegung des Roboters und der simulierte Roboter verhält sich genauso wie der reelle Roboter. Simulatoren ohne RCS-Modul arbeiten mit herstellerunabhängigen Steuerungsalgorithmen, mit denen sich Genauigkeiten von bis zu fünf Prozent Abweichung zur reellen Taktzeit erreichen lassen. Zusätzlich zur Taktzeitauswertung ist auch eine Auswertung zum Antriebsverschleiß denkbar, das heißt eine Visualisierung, inwieweit die einzelnen Achsen des Roboters im Bereich der Gelenkgrenzen betrieben werden.

Roboter als Komponente

Der Roboter ist dabei nur ein Teilstück der Gesamtlösung beziehungsweise Anlage. Der Arbeitsbereich, mögliche Kollisionen und Taktzeiten sind auch von der verwendeten Peripherie und Handhabungsstrategie abhängig. Hier spielen Aspekte wie Greifkonzepte (Einfachgreifer- oder Mehrfachgreifer), Greifmechanismen, die Verwendung von Positionierern und mehreren Robotern in einer Zelle eine Rolle und beeinflussen das Gesamtergebnis. Auch diese Aspekte müssen in der Simulation berücksichtigt werden und schnell abbildbar sein. In komplexen Automationssystemen ist die Robotersteuerung nur ein Baustein, der in Verbindung mit einer oder mehreren SPS oder einem MES kommuniziert. Simulatoren, die bereits eine virtuelle Inbetriebnahme ermöglichen, indem sie Standardschnittstellen wie OPC UA bereitstellen, machen komplexe Systeme transparenter, erleichtern die Planung und beschleunigen die Inbetriebnahme. In Hinblick auf die Industrie 4.0 und automatisierte Produktion, in der nicht nur der Roboter im Mittelpunkt steht, sondern auch Maschinen und Produkte miteinander kommunizieren und agieren, sollte nicht nur der Roboter in der Simulation berücksichtigt werden. Simulationswerkezuge, die bereits Robotersimulation, Multiressourcensimulation und Materialflusssimulation auf einer Plattform vereinen, sind im Vorteil und können als sinnvolles Werkzeug für zukünftige Entwicklungen dienen. In diesen Plattformen lässt sich nicht nur die Logik eines Roboters abbilden, sondern auch das Verhalten anderer Komponenten, das Zusammenspiel zwischen diesen Komponenten und die Interaktion mit übergelagerten Steuerungssystemen.