Technische Änderungen sicher und flexibel steuern

Engineering Change Management

Engineering Change Management zählt zu den Kernfunktionen von Product Lifecyle Management-Systemen. Flexible und leistungsfähige Lösungen ermöglichen die sichere Steuerung der Änderungsprozesse bei beschleunigten Umlaufzeiten auch über Standortgrenzen hinweg.

Bild: Contact Software

Mit dem Ausspruch „Panta rhei“, zu Deutsch „Alles fließt“, hat der griechische Philosoph Heraklit den Umstand des ewigen Werdens umschrieben. Auch das Zitat „Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel“, das dem Evolutionsforscher Charles Darwin zugeschrieben wird, soll auf den berühmten Griechen zurückgehen. Damit beschreibt Heraklit auch ein Grundprinzip der Technik: Änderungen gehören zu den wichtigsten Prozessen im Produktlebenszyklus – ob Industrieanlage, Werkzeugmaschine oder Automobilkomponenten.

In frühen Phasen der Produktentstehung werden Korrekturschleifen bewusst eingeplant, um das Produkt abzusichern und reif für die Serienfertigung zu machen. Bereits hier ist ein systematischer Änderungsprozess notwendig, um die Produktkosten im Griff zu behalten. Denn je näher die Serienreife rückt, desto kostspieliger werden Änderungen. Während es bei Änderungen in der Produktentwicklungsphase vor allem darum geht, Arbeitsabläufe flexibel zu unterstützen und das entstehende Produkt umfassend abzusichern, stehen bei technischen Änderungen in der Serie Aspekte wie Compliance, also das Erfüllen von Vorschriften und Regeln, im Fokus.

Für beide Szenarien gilt: Engineering Change Management (ECM) zielt darauf ab, erforderliche Änderungen zeitnah in den Produktionsablauf zu integrieren. Der Arbeitskreis Product Lifecycle Management (PLM) des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) bringt es so auf den Punkt: „Änderungen an einem marktgängigen Serienmodell ermöglichen es unserer Industrie, die Fahrzeuge in ihrem Produktzyklus sicherer, komfortabler, moderner und effizienter zu machen. Hinter jedem modifizierten Produktdetail steht eine Fülle an Änderungen im Konstruktions- und Produktionsprozess aller beteiligten Unternehmen. Diese müssen so zeitnah und kosteneffizient wie möglich partnerübergreifend abgestimmt und umgesetzt werden.“

Überblick und Transparenz sind das A und O

Aufgrund des maßgeblichen Einflusses auf Qualität, Kosten und Liefertermine müssen technische Änderungen systematisch geplant, bewertet und verfolgt werden. In der Regel arbeiten verschiedene Disziplinen wie Konstruktion, Simulation, Werkzeug- und Musterbau simultan – dabei gilt es, den Status etwa der digitalen Absicherung, der Bemusterung oder der Werkzeugkonstruktion unter Änderungskontrolle zu stellen und alle Beteiligten mit aktuellen Entwicklungsständen zu versorgen. Angesichts der Vielzahl von Vorgängen, Verfahrensmodellen, Abteilungen sowie betroffenen Teilen und Komponenten sind transparente Ablaufprozesse unerlässlich. Der Blick auf die Datenwelt muss zeigen, welche CAD-Modelle von Änderungen betroffen sind, mit welchen Ergebnissen vorgesehene Prüfungen durchgeführt wurden, welcher Entwicklungsstand der letzten Design-Review zugrunde lag, auf welchen Daten die aktuelle Werkzeugkonstruktion basiert und ob die neuen Testergebnisse des Prototyps schon den letzten Änderungsvermerk berücksichtigen.

ECM-Praxis oft nicht stresstesttauglich

Nicht wenige Unternehmen praktizieren ihr Engineering Change Management trotz der hohen Komplexität zuweilen in einer Kombination von Geschäftsprozessen, Medien und Instrumenten, die keinen ECM-Stresstest bestehen würde: vom ‚Auftrag‘ zur Änderung via E-Mail über verschiedene Änderungsstufen direkt in den lokalen CAD-Daten und einer Vielzahl begleitender E-Mails und Office-Dokumente bis hin zu papiergebundenen Dokumenten wie technischen Zeichnungen im Umlaufverfahren über Hauspost. Diese ungeordneten, asynchronen Vorgehensweisen ohne zentrale Versionskontrolle sind zeitraubend und fehleranfällig. Die Kosten für Fehler, wie etwa die Änderungsumsetzung auf Basis der falschen CAD-Zeichnungsdaten, können je nach Produkt und Branche schnell fünf- bis sechsstellige Beträge ausmachen. PLM-Systeme als Datendrehscheibe für alle produktdefinierenden Daten und Dokumente helfen Unternehmen, im komplexen Umfeld des technischen Änderungswesens den Überblick zu behalten.

Engineering Change mit digitaler Sammelmappe

Änderungen sollten in einem systematischen Ablauf durch Änderungsantrag (Engineering Change Request, ECR), Änderungsauftrag (Engineering Change Order, ECO) und Änderungsvermerk oder -mitteilung (Engineering Change Notice, ECN) gegliedert sein. PLM-Systeme wie CIM Database fassen diese Elemente übersichtlich in einer zentralen Engineering Change-Ablage (EC) zusammen. Sie dient als digitale Sammelmappe für alle Unterlagen und steuert die Vorgänge für die Antragsgenehmigung und Freigabe der durchgeführten Änderungen. Abhängig von der Produktgruppe und dem Produktreifegrad können Änderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln etwa hinsichtlich Kosten, Kundenakzeptanz oder Umweltaspekten geprüft werden. Entsprechende Prüfvorgänge können einfach oder auch sehr komplex ausfallen und Prüfpunkte in zwei- oder sogar dreistelliger Anzahl umfassen. Solche Vorgänge – ob elementar oder komplex – lassen sich mit der digitalen Änderungsmappe einfach reifegradgesteuert abbilden und durch Vorlagen unterstützen. Prüfpunkte können rollenbasiert Mitarbeitern zugeordnet werden. Diesen wiederum steht durch ein umfassendes Aufgabenmanagement ihr persönliches Aufgaben-Panel zur Verfügung, über dessen Oberfläche sie ihre Prüfpunkte direkt bewerten können.

Sichere Prozesskette, transparenter Ablauf und flexible Bearbeitung: Digitale Sammelmappen halten vom Änderungsantrag bis zur Freigabe alle Daten übersichtlich verfügbar – im Gegensatz zum papiergebundenen Prozess können Prüfschritte auch parallel durchgeführt werden. Bild: Contact Software

EC-Prozesse durch passende Vorlagen optimieren

Nicht zuletzt komplexe hybride Technologien wie die Mechatronik und kontinuierlich steigende Compliance-Anforderungen machen eine disziplinübergreifend geltungssichere Datenbasis im ECM zwingend erforderlich. Ohne Transparenz und Überblick sind sichere und effiziente EC-Prozesse nicht möglich. Leistungsfähige PLM-Systeme gestatten dem Unternehmen die Automatisierung zeitraubender administrativer Tätigkeiten – zum Beispiel für Statusänderungen oder Freigabe-Benachrichtigungen an ausgewählte Verteiler. Weitere nützliche Dienste zur Unterstützung effizienter EC-Prozesse umfassen die automatische Archivformatausleitung für Zeichnungen oder Modelle sowie umfangreiche Vorlagen für unterschiedliche Prüfverfahren und Änderungsszenarien. Die Definition von reifegradgesteuerten Zugriffsregeln und der direkte Zugriff auf die zu ändernden Teile, Dokumente und Modelle zählen zu den Vorteilen, die wiederum das Zusammenspiel zwischen PLM-System und einer leistungsfähigen Produktdatenmanagement-Lösung (PDM) dem Anwender bieten kann.

Sichere Workflow-Prozesse erforderlich

30 bis 50 Prozent der Entwicklungskosten resultieren aus technischen Änderungen. In Änderungsprozessen stecken damit neben dem Potenzial zur Vermeidung von Fehlern und Risiken auch wichtige Ansatzpunkte zur Kostenbegrenzung und zur Umsetzung kürzerer Markteinführungszeiten. Um dieses Potenzial zu nutzen, bedarf es einer leistungsfähigen Datenbasis. Systeme, die im ECM zum Einsatz kommen, müssen sowohl Flexibilität als auch Systematik in der Produktentwicklung und im Anlagenmanagement unterstützen. Unterschiedlichen Unternehmen die gleiche, starre Lösung aufzuzwingen, funktioniert nicht. Flexibel konfigurierbare Systeme, die workflow-gesteuerte sichere Prozesse und frei gestaltbare Prüfvorgänge und Datensichten unterstützen, bedeuten gegenüber dem Papierumlaufverfahren mehr Qualität, beschleunigte Bearbeitung und damit auch geringere Kosten. Dabei kann ein Anlagenbauer seine Belange ebenso abbilden wie ein Zulieferer der Automobilindustrie oder ein Hersteller medizinischer Geräte. Und da sich nicht Papier oder ein physischer Datenträger im Unternehmen im Umlauf befinden, sondern eine Nachricht mit Verweis auf die digitale Änderungsmappe, können logisch parallel mögliche Prüfschritte auch tatsächlich parallel durchgeführt werden – standortübergreifend, weltweit.