Prozesslandschaften auf dem Prüfstand: Bei der Einführung eines MES gilt es für den Anwenderbetrieb, Funktionsumfang und Vorteile der angebotenen Lösungen abzuwägen. Im Gegenzug bietet es sich für den Betrieb an, die Effizienz seiner Arbeitsabläufe, sei es bei der Arbeitsvorbereitung, Datenerfassung oder im Qualitätsmanagement, an branchenüblichen ‚Best Practice‘-Standards zu messen.

Mit dem Grad der Anpassung steigt der Pflegeaufwand

Mit jeder programmierten Anpassung einer Software steigt zudem der Aufwand, um Änderungen am System vorzunehmen. Damit verlängern sich nicht selten die Releasezyklen, in denen technische Entwicklungen etwa bei grafischen Oberflächen oder Touch-Bedienung beim Anwender ankommen. Gleichzeitig kann ein zu hoher Anpassungsgrad dazu führen, dass die Software nicht mehr ‚releasefähig‘ ist und damit neue Versionen der eingesetzten Progammmodule gar nicht oder nur unter hohem Anpassungsaufwand im Betrieb eingesetzt werden können. Damit geht das Risiko einher, dass durch die fehlende Weiterentwicklung der Software-Basis auch benötigte Hardware immer schwerer aufzutreiben, beziehungsweise in die IT-Landschaft zu integrieren ist. Außerdem begibt sich der Anwender mit einer komplett individuell erstellten Lösung in Gefahr, von einem einzelnen oder wenigen Programmierern abhängig zu werden. Im schlimmsten Fall kann etwa bei längeren Abwesenheiten der Ansprechpartner oder gar deren Ausscheiden aus dem Betrieb die Software nicht weiter gepflegt werden. Auf dem Markt etablierte Anbieter von Standardsoftware können in der Regel höhere Investitionssicherheit bieten, etwa durch eine ständig verfügbare Hotline und vertraglich zugesicherte Reaktionszeiten.

Wertschöpfende Prozesse in der Software abbilden

Dennoch muss Software gerade im Produktionsumfeld in der Lage sein, die individuellen Prozesse in der Produktion des Anwenders abzubilden. Schließlich besteht ein zentraler Aspekt bei der Einführung von MES darin, wertschöpfendes Expertenwissen – sei es durch die Abbildung von produktspezifischen Planungsprozessen oder die Integration von Wartungs- und Instandhaltungsabläufen – vorzuhalten. Auch Standardsoftware sollte daher neben vorparametrierten, branchenspezifischen ‚Best-Practice‘-Lösungen die Möglichkeit bieten, von dieser abzuweichen und beispielsweise Anpassung für Eingaben, Anzeigen, Plausibilitäten oder Berechnungen schnell und vor allem durchgängig zu realisieren. Anpassungen sind aber in der Regel dahingehend Grenzen gesetzt, dass Grundfunktionen und Systemarchitektur des MES nicht verändert werden sollten, um die Kompatibilität der Installation vor Ort mit neuen Programmversionen nicht zu beeinträchtigen.

Zusammenspiel mit anderen Systemen per Schnittstelle

Im Rahmen einer MES-Softwareeinführung ist außerdem die Gestaltung von Schnittstellen, die sogenannte ‚horizontale‘ und ‚vertikale‘ Integration der neuen Software in die bestehende IT-Landschaft, ein wichtiges Thema. Schnittstellen sollten sich daher ohne den Einsatz von Programmierern vor Ort beim Anwender erweitern oder anpassen lassen. Auch nach der Einführungsphase versprechen solche ‚parametrierte‘ Schnittstellenlösungen Vorteile gegenüber einem programmierten System: Wird in der Schnittstelle ein neues Feld aufgenommen, kann dieses von allen Funktionen der Software genutzt werden. Ein neues, über die Schnittstelle übermitteltes Feld, in eine Auswertung einzublenden, ist das Eine. Die Herausforderung wächst jedoch, wenn dieses Feld in individuelle Berechnungsformeln aufgenommen werden soll, ohne dass der Systemstandard verlassen wird. Es ist heute Standard, dass ein MES relevante Kennzahlen ohne Initialaufwand ermitteln kann. Die ‚Kür‘ stellt jedoch die Möglichkeit der umfassenden Anpassung durch den Anwender dar – etwa über eine grafisch aufbereitete Entwicklungsoberfläche, die ihm gestattet, softwaregestützt ohne große Vorkenntnisse seine eigenen Kennzahlen zu parametrieren.

Anpassungsfähige System-Module gefragt

Ein weiteres Beispiel für individuelle Anpassungen stellt die Maskengestaltung für die Betriebsdatenerfassung (BDE) sowie die zugehörige Daten-Plausibilisierung dar. Gerade für MES-Software ist die Erfassung von Informationen in der Werkhalle elementar, die Erfassungsmasken der BDE müssen daher dem Anwender die Möglichkeit bieten, die Abläufe der Produktion Eins-zu-Eins wiederzugeben. Auch bei individuell gestalteten Eingabefeldern sollten Fehleingaben durch umfangreich zu parametrierende Plausibilitäten abgefangen werden können, um hohe Datenqualität ab Erfassung sicherstellen zu können. So weist jedes MES-Modul typische Bereiche auf, für die eine Individualisierung sinnvoll und wichtig ist. Exemplarisch sollen hier die Daten, die von einer Maschine per Maschinendatenerfassung (MDE) übernommen werden können, sowie die Optimierungsfunktionen für die Feinplanung und -steuerung genannt werden.