Stichproben statt Zählmarathon

Inventurkosten senken

Inventuren sind kostspielig: Bis zu acht Prozent des Wertes der Lagerbestände kann eine Vollinventur verschlingen. Deutlich niedrigeren Zeit- und damit Kostenaufwand
verspricht der Einsatz von Stichprobeninventuren. Um sicherzustellen, dass die angewendeten Hochrechnugsverfahren den Vorschriften
entsprechen, bietet sich der Einsatz spezialisierter Software an.



Bild: Stat Control

Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind eindeutig. Pragraph 240 HGB legt fest, dass jeder Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes seine sonstigen Vermögensgegenstände genau verzeichnen und deren Wert angeben muss. Aus dieser gesetzlichen Regelung ergab sich bis zum 1. Januar 1977 für Unternehmen die Verpflichtung zu einer jährlichen Vollinventur. Doch dann entschied der Gesetzgeber, dass auch Stichprobenverfahren zulässig sind: „Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mithilfe anerkannter mathematisch statistischer Methoden aufgrund von Stichproben ermittelt werden“, so steht es in Paragraph 241 HGB. Der Gesetzgeber verbindt mit dieser Regelung allerdings zwei Bedingungen: Das Verfahren muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen, und der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muss dem einer Vollinventur gleichkommen.

Vollinventur mit hohem Aufwand verbunden

Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung war, dass Siemens in den 1970-er Jahren damit begonnen hatte, Stichprobeninventuren vorzunehmen. Doch die Finanzbehörden sahen dieses Vorgehen zunächst kritisch, erst im Jahr 1977 wurde die Stichprobeninventur als Inventurvereinfachungsverfahren in das HGB aufgenommen. Seitdem gibt es zwei grundsätzliche Methoden, das Inventar eines Unternehmens zu bestimmen: die Vollinventur und die Stichprobeninventur. Bei der Vollinventur werden alle gelagerten Materialien auf allen Lagerplätzen gezählt. Dies erfolgt bei der Stichtagsinventur an einem bestimmten Tag im Jahr, oder als permanente Inventur über das Jahr verteilt. Die Vollinventur führt zu hohen Kosten, die bis zu acht Prozent des Wertes ausmachen, der in den Lagerbeständen steckt. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass die Vollinventur in keiner Weise mit Wertschöpfung verbunden ist. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich dabei die Qualität der Lagerbuchhaltung verschlechtert: Gravierende Zählfehler sind möglich, da die Aufnahme aller Lagerpositionen eine langwierige und monotone Tätigkeit darstellt – und oft Hilfskräfte oder wenig qualifiziertes Personal zum Einsatz kommen. Schließlich wird der normale Geschäftsablauf empfindlich gestört.

12.000 Positionen im Hochregallager

In der Praxis sieht eine Vollinventur so aus, wie sie bis vor Kurzem auch bei der Standardwerk Eugen Reis GmbH durchgeführt wurde. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Bruchsal und stellt mit rund 100 Mitarbeitern unter anderem für das Bankgewerbe Geldautomaten sowie Maschinen, die Münzen und Geldscheine verarbeiten können, her. Das Hochregallager der Firma umfasst 12.000 Positionen: „Bei der früher üblichen Vollinventur mussten bis zu 15 Mitarbeiter acht bis neun Arbeitstage Material im Lager zählen“, berichtet der Leiter der IT-Abteilung, Wolfgang Hörrle. Einen ähnlich großen Arbeitsaufwand gab es auch bei der Edeka Handelsgesellschaft Nordbayern, Sachsen, Thüringen mbH, die insgesamt fünf Lager verwaltet: „Pro Lagerstandort waren bei einer Vollaufnahme bis zu 200 Mitarbeiter fast einen ganzen Arbeitstag beschäftigt“, sagt der Administrator des Warenhausverwaltungssystems Markus Langer. „Dazu gehörten die Vorbereitung, körperliche Bestandsaufnahme und eventuelle Rückerfassung von Inventurlisten.“

Stichprobeninventur: Bis zu 95 Prozent niedrigere Kosten

Solche Erfahrungen zeigen, dass Vollinventuren mit erheblichem Ressourcenaufwand verbunden sind. Durch Stichprobeninventuren lässt sich dieser Aufwand um bis zu 95 Prozent reduzieren. Dabei wird eine repräsentative Stichprobe aus dem Lagerbestand gezogen. Sie wird ausgewertet und gestattet so, die Zuverlässigkeit einer Lagerbuchführung zu prüfen. Das kann nicht nur im Rahmen einer jährlichen Inventur geschehen, sondern auch zur laufenden Kontrolle des Bestandes im Geschäftsjahr. Es gibt im Rahmen der Stichprobeninventur mehrere zulässige Verfahren, je nach Lagersituation empfehlen sich Hochrechenverfahren oder ein Sequenzialtest. Dabei lassen sich weitere Parameter, wie beispielsweise Toleranzen beim Seqenzialtest oder der Umfang der Vollaufnahmepositionen, einsetzen, um die Stichprobenverfahren zu optimieren. Eine genaue Kenntnis der Verfahren und Vorschriften ist nötig, um die Stichprobeninventur mit größter Effizienz und Sicherheit einzusetzen.

Per Hochrechnung zum Lagerbestand

Typische Hochrechnungs-Programme ermittlen eine optimale Stichprobenzahl, wobei verschiedene Schichtungsmodelle herangezogen werden. Ein Zufallsgenerator bestimmt die zu zählenden Positionen, die in einer Liste erfasst werden. Die Zählergebnisse werden aufgenommen, anschließend zeigt die Software alle Differenzen an und prüft, ob die gesetzlichen Grenzen bei den Buch-Ist-Abweichungen überschritten werden. Dabei kommen Mittelwert-, Differenzen-, Verhältnis- und Regressionsschätzung zum Einsatz. Wichtig ist, dass alle Unterlagen nach den Richtlinien des Instituts der Wirtschaftsprüfer erstellt werden. Die Einrichtung schreibt vor, dass die Kennzahlen bei der Stichprobeninventur bestimmte Toleranzen nicht überschreiten dürfen. Zum Beispiel muss der relative Stichprobenfehler unter einem Prozent liegen; diese Kennziffer steht für die Genauigkeit einer Schätzung. Eine Sonderform der Stichprobeninventur stellt der Sequenzialtest dar. Er stellt für Lager mit hoher Bestandssicherheit das Verfahren mit dem geringsten Aufwand dar; im Idealfall genügen 30 Positionen für die Stichprobeninventur. Er wurde ursprünglich für den Einsatz in automatischen Lagern entwickelt. Mit zunehmender Bestandssicherheit kommt er aber immer häufiger auch in konventionellen Lagern zum Einsatz.

Ressourceneinsparungen durch Software-Einsatz

Bewährte IT-Lösungen zur Durchführung von Stichprobeninventuren bietet die Firma Stat Control mit Stasam, Staseq und Stacol an. Stasam erlaubt als Hochrechnungsverfahren per Mittelwert-, Differenzen-, Verhältnis- und Regressionsschätzung bei der Stichprobeninventur größere Toleranzen und wird in erster Linie in konventionellen Lagern eingesetzt. Staseq ist ein Sequenzialtest für Lager mit hoher Bestandssicherheit und bietet den geringsten Zählaufwand. Stacol ergänzt beide Lösungen und unterstützt die Aufnahme von Zahlen über Tastatur oder Stimme per MDE-Gerät. Bei der Beratung zur Ein- und Durchführung der Stichprobeninventur greift das Unternehmen aus Grünendeich auf 20 Jahre Erfahrung zurück. Die Vorteile von IT-gestützen Hochrechnungsverfahren gegenüber der klassischen Vollinventur zeigen sich vor allem in den benötigten Ressourcen: „Über alle fünf Standorte zusammengerechnet waren nur cirka 50 Personen mit der Inventur beschäftigt. Der Zeitbedarf pro Standort betrug lediglich drei bis vier Stunden“, schildert Markus Langer von Edeka die Ergebnisse der Umstellung auf softwaregestütze Stichprobeninventur. Auch die Standardwerk Eugen Reis GmbH verwendet seit dem Jahr 2005 Inventur-Software aus Grünendeich: Nur noch fünf Mitarbeiter sind nötig, um in zwei Arbeitstagen die Inventur durchzuführen.