Autor Dr. Andreas Schürzinger ist Senior Technical Consultant bei der Ubisense AG.

Technologien und Systeme kritisch prüfen

Die am Markt befindlichen technischen Ortungssysteme arbeiten mit Ultraschall, Funk- oder Infrarotwellen, die von stationären Empfängern erfasst und ausgewertet werden. Aus den Ergebnissen eines oder mehrerer Empfänger kann die Software des Systems den Aufenthaltsort errechnen, visuell darstellen und an andere Systeme übergeben. Die Qualität und der Nutzen der Ortungsdaten im Fertigungsprozess hängen damit zum einen von der verwendeten Ortungstechnologie ab, wobei es hinsichtlich der Genauigkeit, Reichweite, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit erhebliche Unterschiede gibt. Optische Systeme wie Barcode-Scanner oder Infrarotschranken sowie passive RFID-Systeme sind zwar sehr exakt, erfassen aber nur Objekte im absoluten Nahbereich. Sie dienen vor allem der Identifikation an einem bestimmten Punkt und erzeugen keine exakten Ortungsdaten. Aktive RFID-Systeme decken auch größere Flächen ab – allerdings mit deutlich geringerer Präzision. Eine Ortung ist in der Regel lediglich auf Raum- oder Bereichsebene möglich. Außerhalb des Erfassungsbereichs der Reader sind die Objekte unsichtbar. Für einfache, standardisierte Prozesse mit überschaubaren Stückzahlen und wenigen festen Stationen sind die Ortungsdaten solcher Systeme ausreichend. Erfordert die Steuerung des Prozesses aber sehr viele und exakte Positionsmeldungen, kann die Anpassung dieser Technologien hohen Aufwand verursachen – und damit werden die Lösungen tendenziell fehleranfällig: Der Anwender benötigt eine umfangreiche Infrastruktur oder muss auf Prozesse wie das häufige, händische Einscannen von Barcodes zurückgreifen. Systeme auf Basis von Ultrabreitband-Funk (UWB) liefern hingegen auch auf größeren Flächen dreidimensionale Echtzeit-Ortungsinformationen mit einer Genauigkeit von bis zu dreißig Zentimetern. Aktive Transponder mit einer eindeutigen Identifikationsnummer senden dazu Funk-Ortungssignale. Sensoren in der Halle erfassen die Signale jedes Tags und berechnen über spezifische Triangulationsverfahren seine Position als Koordinate. Die Daten werden ausgewertet und an die nachgeschalteten Systeme übergeben.

Funkdaten gezielt für die Prozesssteuerung aufbereiten

Das Produktionsmanagementsystem kann so Echtzeit-Informationen über den Aufenthaltsort aller im Prozess befindlichen Objekte erhalten. Da UWB-Systeme mit sehr kurzen Signalen und einer hohen Bandbreite arbeiten, können sie auch in Industrieumgebungen hohe Zuverlässigkeit erreichen. Auch die Verarbeitung der Daten auf der ‚Software-Seite‘ des Ortungssystem sollte der Nutzer vor der Systemwahl hinterfragen: Einfache Systeme können lediglich Daten sammeln und weitergeben, während komplexere Lösungen darüber hinaus die Möglichkeit bieten, dem Steuerungssystem etwa Verweilzeiten zu melden oder auf Basis von CAD-Layouts räumliche Zonen zu definieren, die Prozessschritten oder -regeln zugeordnet sind. Wichtig ist auch die standardisierte Anbindung an die Ethernet-Infrastruktur des MES mit TCP/IP-Telegrammen. In letzter Zeit setzt sich in diesem Kontext auch OPC-UA immer weiter durch, weil viele Hersteller gemeinsam zur Standardisierung beitragen und Schnittstellen auf dieser Basis implementieren. Auch spezielle Protokolle, wie zum Beispiel Open Protocol oder Integra, sollten unterstützt werden. Um die gewonnenen Informationen tatsächlich in Wert zu setzen sollte gewährleistet sein, dass das System ‚viele Sprachen spricht‘, und neben der eigentlichen MES-Anwendung auch mit SPS, Werkzeug-Controller, Anzeige-Systemen oder dem für Enterprise Resource Planning zuverlässig kommunizieren kann. Mit Blick auf die Entwicklungen in der industriellen Fertigung hin zu ‚Smart Factories‘ bieten Ortungsdaten vielfältige Möglichkeiten, auch komplexe individuelle Prozesse zuverlässig zu steuern und so MES-Prozesse leistungsfähiger auszulegen. Grundlage für die Auswahl sollte jedoch immer eine Analyse des gesamten Prozesses sein. Dabei gilt es auch, zukünftige Entwicklungsperspektiven etwa im Hinblick auf kabellose Werkzeuge oder die Dezentralisierung von Produktionsschritten einzubeziehen.