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Maschinenintegration bei Trivium Packaging

Infrastruktur für lückenlose Datenerfassung

Bei ihren Initiativen zur Produktivitätssteigerung stoßen Unternehmen mitunter an die Grenzen ihrer technischen Fähigkeiten. Dann kann die Digitalisierung der Fertigungsprozesse helfen, die nächsten Stufen zu erklimmen. So gelang es der Firma Trivium Packaging mit dem Umstieg auf die zentrale Erfassung von Produktionsdaten, unternehmensweite Abläufe zu integrieren, Fertigungsprozesse zu optimieren und den Arbeitsalltag für die Angestellten zu erleichtern.

Bild: Siemens AG

Bild: Siemens AG

Für den Umstieg auf eine automatisierte Datenerfassung ist häufig eine umfassende Hochrüstung der Produktionslinien erforderlich. Dabei müssen Maschinen und Technologien kostspielig ausgetauscht werden. Falls nicht unbedingt erforderlich, müssen ältere Produktionsmaschinen, die noch reibungslos funktionieren, jedoch nicht vollständig ersetzt werden – es genügt die Ausstattung mit Komponenten, die für einen Bruchteil der Kosten Zusatzfunktionen bereitstellen. Dadurch kann der Modernisierungsprozess schrittweise, spontan und präzise den aktuellen Anforderungen entsprechend erfolgen. Mit dem Produktspektrum von Siemens kann sich dieser Prozess durch individuell ausgelegte Systeme erheblich vereinfachen lassen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Zu den vielen Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Transformation gehört auch Trivium Packaging Czech Republic s.r.o. In seiner Metallverarbeitungsanlage in Skivany in der tschechischen Region Hradec Králové hat Trivium die ersten Schritte zu einer unternehmensweiten Datenüberwachung unternommen. Ziel ist die Integration der bisher getrennt betriebenen Maschinen und Produktionslinien in ein zentrales System mit einem einzelnen Server zur Erfassung der Fertigungsdaten, um die Produktivität zu erhöhen. Die Digitalisierung sollte zunächst in der Schneidanlage, der Lackiererei und der Produktionslinie für Deckel umgesetzt werden. Diese Bereiche sind für den Betrieb des Werks von zentraler Bedeutung. Eine der größten Herausforderungen lag im unterschiedlichen Alter der Maschinen, Produktionslinien und eingesetzten Technologien. „Die Produktionslinien mussten mit dem Netzwerk verbunden werden – zwischen den einzelnen Maschinen war jedoch keine Kommunikationsinfrastruktur vorhanden. Gruppen von Produktionslinien wichen voneinander ab und enthielten Komponenten unterschiedlichen Alters“, erläutert David Čapek, technischer Berater bei Trivium Packaging. Einige Maschinen waren mit der Siemens-Steuerung Simatic S7-300 ausgestattet, die lediglich eine Profibus DP-Schnittstelle bietet. Andere Steuerungen wiesen nur eine MPI-Schnittstelle auf. Die zuletzt installierten Produktionslinien verfügten zwar über Ethernet, die Zuweisung eindeutiger IP-Adressen war jedoch noch nicht erfolgt. Daher konnten weder Kommunikationsprozessoren angebracht noch konnte eine Verbindung mit dem Netzwerk hergestellt werden, ohne die Adressen komplett neu zuzuweisen. Nach Prüfung der verfügbaren Optionen sah David Čapek in der von Siemens angebotenen Technologie das am besten geeignete System.

Konfiguration der Datenpunkte von PLC zu OPC UA-Server über ein Webserver-Modul Simatic CC716 ohne Änderung der Hardwarekonfiguration in STEP 7. (Bild: Siemens AG)

Konfiguration der Datenpunkte von PLC zu OPC UA-Server über ein Webserver-Modul Simatic CC716 ohne Änderung der Hardwarekonfiguration in STEP 7. (Bild: Siemens AG)

Digitale Metallverarbeitung

Als Lösungweg schlug der Anbieter vor, sämtliche Maschinen und Produktionslinien des Unternehmens mit den Gateways Simatic CloudConnect 7 (Simatic CC716) zu integrieren. So könnte sich künftig bei Bedarf über das OPC UA-Protokoll kommunizieren lassen. Darüber hinaus unterstützen die Gateways auch verhältnismäßig veraltete Steuerungen, die nur über eine Profibus DP- oder MPI-Schnittstelle verfügen. Das OPC UA-Protokoll (Open Platform Communications Unified Architecture) gilt als Standard bei der Digitalisierung der Produktionsautomatisierung. Es ist bei allen neuen Steuerungen vom Typ Simatic S7-1500 zu finden. Die Simatic S7-1500 PLC als OPC UA-Client liest zunächst die Daten der Gateways Simatic CC716 aus und leitet diese anschließend an das zentrale Unternehmenssystem TLM (Trivium Line Monitoring) weiter. Dort werden die Daten den Werken des Herstellers weltweit zur Verfügung gestellt. Außerdem können die bisher getrennten Maschinen und Produktionslinien zentral an jeder Stelle in der Produktionsanlage programmiert, überwacht und diagnostiziert werden. War die ursprüngliche Anfrage auf die Datenerfassung beschränkt, sind heute deutlich mehr als die benötigten Funktionen verfügbar. Erreicht wurde das über die Applikationsunterstützung von Siemens, in deren Rahmen die Geschäftsführung des Produktionsbetriebes bei der Entwicklung des Konzeptes beraten und der anschließenden Konfiguration der Komponenten unterstützt wurde. Bei der Installation und Inbetriebnahme arbeitete man mit den Automatisierungsspezialisten und Programmierern von Trivium Packaging Miroslav Frýba zusammen.

Blick unter die Motorhaube

Im Projekt mussten die Produktionsmaschinen physisch miteinander verbunden werden, um die Grundlage für das künftige Backbone-Netzwerk mit den 16-Port-Industrial Ethernet Switches Scalance XC216 zu schaffen. Maschinen mit doppelten Adressen wurden über NAT-Router Scalance S615 angebunden. Diese konvertieren anhand einer eindeutigen Adresse Daten vom internen in das externe Netzwerk. Darüber hinaus enthalten sie eine Firewall, um unberechtigten Zugriff zu verhindern und sicherzustellen, dass die Kommunikation nur zwischen vordefinierten IP-Adressen erfolgt. Um die Kommunikation ausschließlich über definierte Knoten zuzulassen, wurden Router konfiguriert. Zusätzlich konnte durch diesen Ansatz das neu aufgebaute Netzwerk spontan in Mikrosegmente unterteilt werden.

Das Industrial IoT Gateway Simatic CC716 unterstützt die Anbindung über Industrial Ethernet oder die Profibus-/MPI-Schnittstelle. (Bild: Siemens AG)

Das Industrial IoT Gateway Simatic CC716 unterstützt die Anbindung über Industrial Ethernet oder die Profibus-/MPI-Schnittstelle. (Bild: Siemens AG)

Intelligente Gateways

Die Anbindung der Produktionslinien mit den ältesten PLC mit Profibus DP- oder MPI-Schnittstelle erfolgte über Simatic CloudConnect 7, CC716. Die Komponente wurde zu diesem Zweck entwickelt. Das Kommunikationsgateway Simatic CloudConnect 7 fungiert zusätzlich als OPC UA-Server. Dieser wandelt die veraltete, ungesicherte Kommunikation mit Put/Get in den aktuellen OPC UA-Standard um, der den Clients die Daten über das Standard-Industrial-Ethernet-Netzwerk zur Verfügung stellt. Die Steuerung Simatic S7-1500 wurde als OPC UA-Client eingesetzt. Die Steuerung unterstützt auch die S7-Kommunikation mit anderen Maschinen in Subnetzen hinter NAT-Routern. Da OPC UA für den Betrieb in einem Sicherheitsmodus konfiguriert werden kann, ist der Standard aktuell die meistgefragte Kommunikationstechnologie für neue Maschinen und Produktionslinien. Angesichts ständig wachsender Anforderungen an Industrial Cybersecurity ist dies eine außerordentlich wichtige Funktion. Die Technologie basiert auf einer Client-Server-Architektur. OPC UA verdankt seine Verbreitung der Verfügbarkeit zahlreicher Komponenten; diese ist auf die Vielzahl von Herstellern zurückzuführen, die die Technologie unterstützen. Wichtig dabei war, dass die OPC UA-Kommunikation das Gateway auch mit älteren Simatic S7-300- und ET200S-CPUs nutzen zu können, einschließlich Steuerungen mit Profibus DP- oder MPI-Schnittstelle.

Der Wert genauer Daten

Mit diesen Komponenten gelang dem Produzenten die Zentralisierung der Daten von bisher vollständig getrennten Maschinen – praktisch ohne Änderung der vorhandenen Schnittstellensoftware. Auch die ältesten Teile des Maschinenparks ließen sich an das Netzwerk anbinden. Darüber hinaus wurde der hohe Sicherheitsstandard aufrechterhalten. Die Produktionssysteme im Werk werden jetzt zentral überwacht und das bereitgestellte System bietet die Grundlage für weitere Produktivitätssteigerungen. „Das System überwacht die Produktionsgeschwindigkeit und -menge der Maschinen, die Anzahl fehlerhafter Produkte und die Zeit, die für eine Neukonfiguration der Maschinen für einen anderen Zweck benötigt wird“, erläutert David Grzywacz, Industrial Engineer und verantwortlich für die Produktionslinienüberwachung über das TLM im Werk. „Entscheidend ist, dass die Daten möglichst ohne Fehler durch den Faktor Mensch zur Verfügung stehen und man sicher sein kann, dass sie hochgenau sind“, sagt Maintenance Manager Jaroslav Morávek. Er ergänzt: „Mit dem System kann autorisiertes Personal online auf Informationen zum Betrieb der Produktionsmaschinen zugreifen und prüfen, ob diese ordnungsgemäß funktionieren. Daraus ergeben sich zahlreiche Vorteile. Die Papierberge wurden reduziert, Berichte vereinfacht, Mängel lassen sich leichter beseitigen, die Steuerung des Fertigungsprozesses wurde feinjustiert und die Produktivität insgesamt gesteigert. Darüber hinaus können in Zukunft weitere Verbesserungen vorgenommen werden.

Die Instandhaltung profitiert

Die Integration von Prozessen und die Erfassung von Daten sind für die Diagnose von großem Vorteil. Die Online-Überwachung ermöglicht die Identifizierung der problematischen Maschine, wodurch die Wartungsfreundlichkeit der Produktionslinien verbessert wurde. „Da das System auch Fehlermeldungen sammelt, kann das Wartungspersonal Störungen direkt angehen und ein größeres Augenmerk auf wiederholt auftretende Probleme richten. Ein weiterer großer Vorteil liegt in der Verbindung über das aktuelle WiFi-Netzwerk. Dadurch müssen in unseren großen Produktionsgebäuden keine Kabel verlegt werden“, so Čapek weiter.

Bediener können Daten über ein Dashboards überwachen. (Bild: Siemens AG)

Bediener können Daten über ein Dashboards überwachen. (Bild: Siemens AG)

Wartungsfreundlich konstruiert

Im System sollen sich Netzwerkkomponenten einfach austauschen lassen. Dazu verfügen alle Komponenten über einen C-Plug oder einen CLP (Configuration License PLUG). Bei einem Defekt ist die Konfiguration, gegebenenfalls einschließlich Firmware, auf dem C-Plug gespeichert. Dadurch kann das defekte Modul einheitenweise durch Bediener vor Ort getauscht werden, allgemeine Systemkenntnisse vorausgesetzt. „Ein defektes Modul dieser Bauart lässt sich leicht durch einen in den Grundlagen geschulten Arbeiter austauschen. Er muss lediglich die neue Einheit installieren, die Karte ersetzen und eine Reihe von Steckverbindern trennen und wieder anschließen. Das Ganze dauert nur wenige Minuten“, sagt Morávek.

Vorlage für die anderen Werke

Die technischen Grundlagen im Werk in Skivany sind heute gelegt. Geplant ist, künftig die übrigen Produktionslinien an das Netzwerk anzubinden. Damit kann das erfolgreiche Konzept als Modelllösung auf andere Standorte von Trivium Packaging in Teplice, Znojmo und außerhalb der Tschechischen Republik übertragen werden.


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