Mit Industrial Ehternet und integriertem Web-Server werden Feldgeräte inzwischen nahtlos in die IT-Welt integriert. Bild: Endress+Hauser Messtechnik

Überwindung der Skepsis

Zur Zusammenführung von Automatisierung und IT müssen aber nicht nur deren Komponenten dieselbe Sprache sprechen, sondern auch deren Entwickler. Automatisierer und IT-Programmierer setzen allerdings unterschiedliche Prioritäten bezüglich Verfügbarkeit, Datensicherheit und Datenvertraulichkeit. In der IT hat die Vertraulichkeit und Sicherheit von Daten oberste Priorität, während für den Automatisierer die Verfügbarkeit des Systems im Vordergrund steht. Was auch passiert – die Produktion darf nicht stillstehen und die Sicherheit der Mitarbeiter und der Anlage muss gewährleistet sein. Ein SPS-Softwareentwickler widmet daher den größten Teil seines Quell-codes nicht dem eigentlichen Prozess, sondern der Erkennung und Vermeidung von Fehlern und dem Handling und Verhalten der Anlage im Fehlerfall. Er muss auch wissen, wie Fehler durch Fehlbedienung oder Manipulation entstehen, um diese abfangen zu können. Diese Probleme hat sein IT-Kollege nicht in diesem Maße. Ihn quälen andere Dinge wie die Abwehr von Viren und Datenausspähung, was wiederum kein Fokusthema des Automatisierers ist. Die unterschiedlichen Sichtweisen führen zu einer gewissen Skepsis der Entwickler gegenüber der jeweils ‚anderen Welt‘.

Wenn diese Skepsis überwunden würde und Automatisierer und IT-ler eine gemeinsame Sprache sprächen, könnten noch mehr Synergien gehoben werden. Bei Endress+Hauser findet diese enge Zusammenarbeit zwischen Automatisierung und IT bereits statt. Dies führte zur Entwicklung innovativer Lösungen über die Steuerungsebene hinaus. Eines von vielen Beispielen hierfür ist die Implementierung von Life-Cycle-Konzepten bereits während der Planung einer Anlage: Während die Lebensdauerzyklen einer Produktionsanlage bei 20 bis 30 Jahren liegen, sind die IT-Zyklen mit ca. vier Jahren wesentlich kürzer, und so ist es dort üblich, schon rechtzeitig Update- und Migrationsstrategien zu entwickeln. Diese IT-Strategien wurden jetzt automatisch für die Produktionsanlagen und deren Komponenten übernommen. Das Ergebnis dieser Kooperation ist das webbasierte Asset-Managementsystem W@M.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Ein Zusammenwachsen von Automatisierung und IT bietet aber nicht nur Chancen, sondern birgt auch Risiken. Durch eine einheitliche Vernetzung von Büro- und Produktionswelt schwappen auch die klassischen IT-Probleme auf die Automatisierungswelt über – Viren und Daten-Ausspähung sind nun auch hier zum Thema geworden. Eine Horrorvision wäre Viren und Hackerangriffe auf lebenswichtige Anlagen wie Wasserversorgung oder Kraftwerke. Spätestens seit 2010, als Stuxnet als erster Virus Steuerungen angegriffen hat, ist diese Vorstellung nicht mehr so abwegig. Stuxnet nutzte Sicherheitslücken von Windows und konnte über die auf einem PC installierten Prozessvisualisierung die damit verbundene Steuerung infizieren, welche dann in unregelmäßigen Abständen die Drehzahlen von FU-gesteuerten Motoren veränderte.

Schutzmaßnahmen aus der IT lassen sich aber nicht 1:1 auf Produktionssysteme übertragen. Dort findet man häufig ältere Rechner, Prozessoren und Betriebssysteme auf denen sich aktuelle Software-Firewalls nicht installieren lassen. Endress+Hauser bietet hier verschiedene alternative Konzepte, um auch hier Datensicherheit zu gewährleisten. Diese reichen von der Entwicklung einer entsprechenden Systemarchitektur mit einer sicheren Netzwerk-Topologie von der Steuerungs- bis zur MES-Ebene über Online-Virenerkennung direkt im Kommunikationsnetz bis hin zur gezielten Schulung der Anlagenbetreiber, um bei ihnen das Bewusstsein für IT-Gefahren zu schärfen, die sich zum Beispiel durch Nutzung von USB-Sticks ergeben.

Fazit

Die Vorteile und Synergien einer Einheit zwischen Produktions- und Verwaltungsebene eines Unternehmens möglichst umfänglich zu nutzen und dabei die Risiken nicht aus dem Auge zu verlieren – dies sind die Hauptaufgaben, die sich beim Zusammenwachsen von Automatisierung und IT stellen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Aufgaben ist der Schlüssel für weitere technologische Entwicklungen, wie Selbstorganisation der Produktion und weiteren Zielen der Industrie 4.0. Wir wissen zwar nicht genau, was die Zukunft uns bringt, aber wie der Informatik-Spezialist Alan Curtis Kay schon sagte: „Erfinde die Zukunft, das ist die sicherste Methode, sie vorauszusagen.“