IT in der Fabrik der Zukunft

Als ‚enabling technology‘ ist die Informationstechnik für die Produktion ein Werkzeug, kein Selbstzweck. Sie muss unter anderem Produktqualität und robuste Produktionsprozesse unterstützen, Durchlaufzeiten und Anlauf von Anlagen überwachen sowie wettbewerbsfähige Herstellkosten sicherstellen. Zu den Erfolgsfaktoren für eine zukunftsfähige Produktion zählt neben einer standortübergreifenden, echtzeitfähigen Informationslandschaft die Wandlungsfähigkeit für viele neue Produktvarianten mit Auswirkungen auf Integration und Interoperabilität.

Bild: Kuka

In der Vergangenheit haben sich verschiedene Ebenenmodelle in produzierenden Unternehmen entwickelt; eine der bekanntesten ist die Automatisierungspyramide. Aufgrund der zunehmenden Durchdringung mit Informationstechnik ergibt sich nun jedoch die Notwendigkeit, die drei Dimensionen vertikaler und horizontaler Integration sowie die Integration über den Lebenszyklus von Produktionsanlagen abzubilden. Für ein entsprechendes Informationsmodell werden unterschiedliche Bausteine benötigt, die Basisfunktionalitäten in der Produktion, Methoden und Standards sowie ‚domänenunabhängige‘ Schlüsseltechnologien umfassen. Der Begriff bezeichnet wesentliche Technologien, die teils bereits für andere Anwendungsfelder oder ‚Domänen‘ entwickelt wurden, aber noch an die Spezifika der Produktion angepasst werden müssen.

Aus Sicht der Anbieter von produktionsnahen Manufacturing-Execution-Systemen (MES) gilt es, ihre Lösungen durch Online-Kopplung in Richtung angrenzender Systeme etwa der ‚Digitalen Fabrik‘ sowie der Automatisierungsebene zu erweitern. Dieses Vorgehen unterstützt einerseits Echtzeit-Reaktionen auf Planungsabweichungen, und gestattet andererseits den konsistenten Datenaustausch mit Anwendungen wie Logistik- oder Qualitätsmanagement-Anwendungen. So kann das Gesamtsystem zusammenhängenden Daten in unterschiedlichen MES- oder Fabrik-Datenbeständen zu einem Sachverhalt verknüpfen, sowie übergreifende Auswertungen im Sinne eines selbstoptimierenden Systems realisieren.

‚Plug-and-work‘-Mechanismen als Basisfunktionalität

Ein Beispiel für Anwendungen zur Selbstkonfiguration liefert das Forschungsprojekt Produflexil des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Dabei sollte die flexible Anbindung von Anlagenmodulen durch Adaptivität und Selbstkonfiguration der Anlagensoftware unterstützt werden. Die Projektergebnisse werden in einem aktuellen Forschungsprojekt der Fraunhofer-Gesellschaft genutzt; dabei wurde eine patentierte Methode entwickelt, Produktionsanlagen automatisch anhand einer USB-ähnlichen Schnittstelle mit einem überlagerten Leitsystem zu verbinden. In einer Weiterführung des Projekts können nun Daten aus der Planungsphase der Produktion automatisch übernommen und mit Hilfe von Änderungsmanagern über den Lebenszyklus der Produktion teilweise aktualisiert werden. Im Projekt IDA wurde die Bereitstellung von sichtenbasierten Prozessführungsbildern aus vorhandenen Informationen entwickelt. Statt manueller Projektierung auf Basis von Hallenlayouts oder Signallisten wird die Visualisierung dabei automatisch und damit fehlerfrei erstellt.

Wiederverwendung von Anlagen als Herausforderung

Für einen kompletten Karosseriebau investieren Automobilhersteller zwischen 250 und 350 Millionen Euro. Aktuell verlagert beispielsweise ein deutscher Hersteller Produktionsanlagen dieses Gewerks in ein Werk in Osteuropa. Dort werden die Anlagen so umgebaut, dass Nachfolgetypen gefertigt werden können. Die Anlagen werden zwar wieder verwendet, müssen sich aber mit einer neuen IT-Infrastruktur ‚unterhalten‘. Obwohl aktuelle IT-Systeme eingesetzt werden, bereitet die Anbindung von Altanlagen Schwierigkeiten. Für eine andere Baureihe werden die bestehenden Produktionsanlagen umgebaut. Auch für diese Baureihe wurden bereits Altanlagen der vorhergehenden Baureihe genutzt, sodass zum Teil zehn bis 15 Jahre alte Anlagen verwendet werden. Mechanisch ist dies kein Problem, bezogen auf die Steuerungssoftware und die überlagerte IT-Technik sehr wohl.

Einige der Anlagen nutzen Steuerungen, mit denen sich heute kein Instandhalter mehr auskennt oder deren Softwarelieferant bereits vom Markt verschwunden ist. Die Herausforderung liegt hierbei vor allem darin, dass Produkte, Produktionsanlagen und -prozesse, deren Steuerungen und überlagerte Anwendungen zwar mit IT durchzogen sind, sich die Systeme aber unabhängig voneinander entwickeln. Insofern benötigt die produzierende Industrie Methoden, Werkzeuge und Softwarekomponenten zur Synchronisierung dieser drei essentiellen Bereiche und der sie unterstützenden IT-Systeme Product-Lifecyle-Management, Digitale Fabrik und MES. Erste Modelle zum Lebenszyklus-Management in der Automation liegen vor – es fehlen aber noch Mechanismen, um Geräte automatisch und ohne manuellen Engineering-Aufwand in eine Anlage einzufügen.

Methoden für Visualisierung und Simulation

Offene Schnittstellen, Datenaustauschformate oder weitere Mechanismen semantischer Interoperabilität sind erforderlich, um manuelle Aufwände zu reduzieren und übergreifenden Leitwarten zur weiteren Verbreitung zu verhelfen. Damit nicht jeder Nutzer in einer Leitwarte mit allen verfügbaren Informationen ‚überschüttet‘ wird, müssen Informationen rollen- und disziplinbasiert bereitgestellt werden. Jeder Nutzer erhält dann genau die Informationen, die er benötigt, um seine Aufgabe vollständig zu erfüllen. Dabei werden auch neue Mensch-Maschine-Interaktionen eine Rolle spielen: Statt klassischer Eingabemittel wie Maus und Tastatur bietet sich der industrielle Einsatz von Touch-Screens oder Gestensteuerungen an.

Weiterentwicklungen sind auch bei Simulationen und virtuellen Inbetriebnahmen gefragt, um die disziplin- und ebenenübergreifende Kopplung voranzutreiben. Dabei müssen Daten aus der Planung in operative IT-Systeme übernommen und permanent miteinander abgeglichen werden und reale Produktionsdaten für Planungsprojekte genutzt werden, damit Planer mit verlässlichen Vorgaben arbeiten können. Das Ziel dahinter ist, einen mit dem Geschehen in der Produktion mitlaufenden Simulator zu erhalten, der bei unvorhergesehenen Ereignissen die Nutzer direkt auf die Auswirkungen der Störungen hinweisen und Handlungsoptionen anbieten kann.