IP-Klassifizierung im Überblick

Systemeinsatz in rauen Umgebungen

Im rauen Produktionsalltag werden die Komponenten einer RFID-Lösung unter Umständen bis zu ihrer physikalischen Grenze belastet. Schmutz und Hochdruckreinigung im Baugewerbe, Dämpfe, Säuren, Laugen in der Fertigung: Verbindliche Klassifizierungen helfen bei der Wahl der passenden Tags.

Bild: Motorola

Unter den Identifikationstechnologien zählt RFID zu den Verfahren der Zukunft. Bereits jetzt sind RFID-Systeme aus Prozessketten, Logistiksystemen und Handelskanälen aller Art nicht mehr wegzudenken und weltweit im Einsatz. Die Funktechnologie basiert auf Radio-Frequenzen im Bereich von 104 bis 111 Hertz des elektromagnetischen Wellenspektrums und nutzt vor allem Reflexionen von elektromagnetischen Wellen. Dazu werden Funksignale von einem Sender abgegeben. Treffen diese auf ein Objekt mit Transponder, werden sie zurückgeworfen und Daten aus diesem Transponder können empfangen werden.

Diese ‚Tags‘ bewegen sich beim mobilen Einsatz in Produktion und Logistik mit dem Trägerobjekt im Raum. Passiert das Trägerobjekt nun ein Lesegerät, also einen Sender, so induziert diese eine geringe Menge Energie und liest die Daten aus dem Chip aus. Dieser Prozess beschreibt einen physikalischen Vorgang, der allerdings sehr empfindlich auf von außen einwirkende Faktoren reagieren kann.

Es gibt gleich mehrere Einflüsse, die die Reflexion der elektromagnetischen Wellen behindern: Während die Funksignale sich mühelos durch Vakuum bewegen können, führt Metall durch die elektromagnetische Abschirmung – zu beobachten etwa beim Phänomen des faradayschen Käfigs – zu einer veränderten Resonanzfrequenz und damit zur Neutralisation der gewünschten Funktion. Auch Wasser stellt eine Herausforderung für die korrekte Erfassung der Tags dar. Befinden sich mit Flüssigkeiten gefüllte Objekte zwischen Tag und Lesegerät, kann es zu einer erheblichen Absorption der Funkwellen kommen, die eine vollständige Erfassung aller getagten Objekte verhindert.

Industrielle Anwendungen

Eine RFID-Anwendung besteht als komplettes System aus Soft- und Hardwarekomponenten. Und ein System ist so zuverlässig wie sein schwächstes Glied – funktioniert ein Teil nicht, wird das ganze System in Frage gestellt. Daher ist eine genaue Abstimmung der Komponenten auf die Umweltbedingungen von großer Bedeutung. Und es sind nicht nur Metall oder Wasser, die die Leistung der RFID-Technologie beeinflussen können. Daneben gibt es weitere Faktoren wie elektromagnetische, thermische, chemische und mechanische Einflüsse. Hinzu kommen Staub, Verschmutzung, Korrosion, Vibration oder Schock, die echte Hindernisse für ein zuverlässiges Funktionieren von RFID-Systemen darstellen.

Diese Faktoren sind vermehrt im industriellen Umfeld anzutreffen – sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien. In der Produktion werden etwa durch das Elektroschweißen starke Magnetfelder erzeugt, oder es erfolgt der Einsatz aggressiver Medien wie Feuchte, Wasser, Dämpfe, Säuren, Laugen oder Öl. Und nicht selten sind Produktionsprozesse Niedrigtemperaturen oder Temperaturen von über 200 Grad Celsius ausgesetzt. Gerade die Lebensmittelindustrie unterliegt besonderen und strengen Hygiene-Auflagen. Für die Erfüllung dieser Vorschriften ist der Einsatz von Hochdruck- und Dampfreinigern unumgänglich. Bei Baumaschinen- und -geräten oder Waggons und Containern, die im Bau- und Transportwesen sowie in der Entsorgungswirtschaft eingesetzt werden, kommt es hingegen häufig zu starken Verschmutzungen oder Beschädigungen durch das raue Umfeld.

Trotzdem ist es möglich und je nach Anwendung sinnvoll, auch diese Produktionsumfelder durch Identifikations- und Kommunikationsnetzwerke zu unterstützen und RFID zuverlässig einzusetzen. Unter bestimmten Bedingungen ist die Barcode-Technologie nicht mehr anwendbar, da die mit einem Barcode beschriebenen Etiketten sehr feuchtigkeits- und schmutzanfällig sind. Sie lösen sich bei Nässe und Kälte schnell ab, Ablagerungen wie Staub oder Schmutz verhindern eine korrekte Erfassung und machen das ganze System unzuverlässig. Da Barcodeetiketten nur über Sichtkontakt ausgelesen werden, können Beschädigungen während des Einsatzes oder Transports die Etiketten unlesbar machen. Hier liegt ein großer Vorteil von RFID: Eine direkte Sichtverbindung ist nicht erforderlich, da die Übertragung über Funk erfolgt.

Ein Tag für jeden Zweck

Ein weiterer Aspekt, der für den Einsatz der Funktechnologie in rauen Umgebungen spricht, ist die große Auswahl von Tags für verschiedene Einsatzszenarien. So gibt es durch eine Schutzschicht für Metall ausgelegte, besonders robuste gebaute, umweltresistente oder extrem hitzebeständige Datenträger mit einer Lagertemperatur bis zu 200 Grad Celsius. Eine Einschränkung betrifft allerdings im Wasser befindliche Tags – sie können bis dato nur wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche ausgelesen werden.

Die Zuverlässigkeit von RFID unter extremen Bedingungen ist auch eine Frage der Hardwareauswahl: Obwohl die Technik grundsätzlich die gleiche ist, benötigt man für die Identifikation von Pappkartons andere Komponenten als für die Kennzeichnung von Metallobjekten im industriellen Umfeld. Das betrifft neben den Etiketten oder Tags auch die übrigen Geräte eines RFID-Systems wie Schreib- und Leseeinheiten, Industrie-PCs, Drucker, Monitore oder Antennen. Neben Anwendungen im Freien müssen auch viele In-Door-Arbeitsplätze Dampf, Feuchtigkeit oder Staub widerstehen.

Hier können hoch abgeschirmte Gehäuse und Steckverbindungen mechanische und elektromagnetische Störungen verhindern. Industrietaugliche Hardware wird inzwischen von nahezu allen Hardwareherstellern für jedes mögliche Einsatzszenario angeboten und ihre Eignung für die verschiedensten Umgebungsbedingungen durch einen übergeordneten Ingress Protection (IP) Code ausgezeichnet. Diese Klassifizierung definiert mit Hilfe von Kennziffern den Schutzgrad der Gehäuse gegen Einwirkungen etwa durch Fremdkörper, Berührung oder Wasser:

  • 5 = Strahlwasser
  • 6 = starkes Strahlwasser
  • 6K = staubdicht
  • 7 = zeitweiliges Untertauchen
  • 8 = dauerndes Untertauchen
  • 9K = Wasser bei Hochdruck/Dampfstrahlreinigung

Ein IP 69K-klassifiziertes Gerät ist demzufolge resistent gegen Strahlwasser und Hochdruck beziehungsweise Dampfreinigung. Die zahlreichen Anwendungsfelder zeigen: RFID-Technologie ist mittlerweile ihren Kinderschuhen entwachsen. Von den Anfängen mit in britischen Kampfflugzeugen des 2. Weltkrieges eingebauten Tags zur besseren Freund-/Feinderkennung über die reinen Warensicherheits- und Tiererkennungssysteme der 60er- und 70er-Jahre bis hin zu den aktuelllen, universellen Lösungen für den Einsatz in Handel, Dienstleistung und Produktion – immer neuere Produkt- und Verfahrensentwicklungen für immer mehr Einsatzgebiete erweitern die Anwendungspalette der Technologie. RIFD kann damit gerade in rauen Umgebungen trotzt vergleichsweise hoher Anfangsinvestitionen eine Alternative zu herkömmlichen Kennzeichnungsverfahren darstellen.







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