Autorin Birgit Merschmann.

Fachabteilungen einbinden

Soll der zentrale ERP-Dienstleister die Schulung eigenständig durchführen, gleichzeitig aber auch die einschränkende Sprachbarriere umgehen, bietet sich der Einsatz eines Simultandolmetschers an. Die auch hier anfallenden Kosten liegen in aller Regel deutlich niedriger als die Aufwendungen, welche die Schulungen lokaler IT-Partner verursachen würden. Einen weiteren Schlüssel zu erfolgreichen Rollouts bilden Key-User-Teams aus verschiedenen Fachabteilungen des Fertigungsunternehmens. Diese können nach der Schulung an der Lösung ihr Wissen in verschiedenen Niederlassungen verteilen. Bei dieser Variante wird das Anwenderunternehmen stärker und bereits in einem früheren Stadium in den Software-Rollout eingebunden – und erhält somit größere Verantwortung. Sprachgrenzen werden mit diesem Kompromiss reduziert, allerdings nicht vollständig abgebaut. Gleichwohl haben Beobachtungen ergeben, dass der Einbezug von unternehmensinternen Key-Usern die Akzeptanz der Softwareumstellung in den Niederlassungen erhöhen konnte.

Projektkosten früh ermitteln

Um bereits in frühem Projektstatus eine tragfähige Entscheidung fällen zu können, ist ein Kosten- und Nutzen-Vergleich der einzelnen Möglichkeiten anzuraten. Dafür sind vom Projektteam verschiedene Faktoren zu bewerten: Ein wichtiger Aspekt ist die Komplexität der Core-Lösung, denn sie beeinflusst die benötigte Zeit, um den lokalen Partner einzuarbeiten. Je umfangreicher das ERP-System ist, desto höher ist in der Regel der Schulungsaufwand für die Partner. Dem gegenüber stehen die Kosten für einen oder mehrere Simultandolmetscher vor Ort, die das benötigte IT-Fachvokabular beherrschen. Zudem müssen die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter in den lokalen Tochtergesellschaften bekannt sein – insbesondere, ob die Englischkenntnisse für die Teilnahme an den Software-Schulungen ausreichen. Schließlich spielt auch der Funktionsumfang der Software in der Niederlassung eine Rolle: Wenn es sich etwa um ein eigenständiges Tochterunternehmen mit separater Buchführung handelt, müssen deutlich umfangreichere Abläufe – gegenüber einer reinen Vertriebsgesellschaft mit demzufolge begrenztem Prozessumfang – geschult werden. Ohne eine genaue Bewertung dieser beiden Faktoren kann kaum verlässlich über das grundsätzliche Prozedere im internationalen Rollout entschieden werden. Auch individuelle Anforderungen, die sich aus der Unternehmenspolitik und -kultur ergeben, üben einen großen Einfluss auf die Art der Implementierung aus: Sind die Konzernstrukturen relativ straff und zentral organisiert, ist meist eine größere Nähe zum Rollout durch den zentralen Partner vorhanden. Verfügen Tochtergesellschaften und Niederlassungen hingegen über eine weitreichende Autonomie, kann daraus häufig eine Tendenz zum Rollout mit lokalen Partnern abgeleitet werden. Aus diesem Blickwinkel bleibt es eine strategische Grundsatzfrage, in welcher Konstellation die ERP-Lösung ausgerollt wird.