Das nötige technologische Know-how ist zwar vorhanden, wird aber noch nicht ausreichend gebündelt. Die übergeordnete Strategie der Europäischen Kommission ist die ganzheitliche Integration von Produktion und Gesellschaft. Hauptziel der EU-Förderprogramme ist eine Steigerung der Produktivität und der Nachhaltigkeit. In der EU herrscht eine hohe Marktnachfrage für nachhaltige Produkte und Prozesstechnologien aufgrund der strengen Vorschriften der Europäischen Union. Ein Export der hohen Regulierungsstandards außerhalb der EU ist zu beobachten. Enge Kollaborationen bestehen in regionalen und europaweiten Clustern, die durch EU-Förderungen stark unterstützt werden. Eine sehr gute Infrastruktur, kulturelle Nähe und unterschiedliche Kompetenzen in industrieller IT und Produktion führen zu starken Unternehmenspositionen auf dem globalen Markt. Die Realisierung einer kosteneffektiven Individualisierung und Personalisierung in der Produktion wird als wichtiges Ziel erachtet.



Die Stärken auf dem Weg zum Leitmarkt für Industrie 4.0-Technik in Stichworten.
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USA: Die US-amerikanischen Aktivitäten im Hinblick auf Industrie 4.0 werden durch zwei Stoßrichtungen geprägt: Aufseiten der Wirtschaft wird der Einsatz intelligenter Technologien von pragmatisch realisierbaren Vorteilen und Kundenmehrwert getrieben. Vor allem das Silicon Valley bietet aufgrund der Kompetenzen und des vorhandenen Innovationssystems im Bereich der datengetriebenen Dienstleistungen großes Potential für radikale Innovationen. Anders als in Deutschland steht hier aber vor allem die Realisierung neuer Produkte und Services sowie innovativer Geschäftsmodelle und Nutzenversprechen an den Kunden im Fokus. Bereits verfügbare Technologien werden in der Produktion im Wesentlichen lediglich punktuell dort eingesetzt, wo etwa die Qualitätssicherung verbessert werden kann. Priorität haben nach der Wirtschaftskrise die Reindustrialisierung des Landes und der Wiederaufbau von Arbeitsplätzen. Zu diesem Zweck soll vor allem der Produktionsstandort USA wieder attraktiver gestaltet und die Konkurrenzfähigkeit der lokalen Produktion im globalen Wettbewerb wiederhergestellt werden.

Japan und Südkorea: Im Fokus von Japan und Südkorea steht der Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes ‘Vernetzte Produktionssysteme’ für die starken lokalen Maschinenbau- und Elektronikkonzerne. Primäres Ziel ist die Vermeidung drohender Produktivitätsverluste aufgrund des schnellen und stark ausgeprägten demographischen Wandels. Die in beiden Ländern die Wirtschaft kennzeichnenden und dominierenden OEM-Konglomerate entwickeln Smart Manufacturing-Lösungen zunächst für den Einsatz im eigenen Konzern. Zur Mitnahme von Skaleneffekten wird aber eine Kommerzialisierung der Lösungen nach Erreichen der Marktreife ebenfalls angestrebt. Entsprechende öffentliche Förderprogramme – wie das zum Aufbau von mindestens 10.000 Smart Factories in Südkorea – helfen den Konglomeraten, ihre anvisierten Skaleneffekte durch flächendeckenden Einsatz ihrer Technologien zu erreichen.

China: Geschwindigkeit ist entscheidend in China. Bereits am Markt erhältliche Technologien werden pragmatisch dort eingesetzt, wo sie ersichtliche Vorteile bringen. In großem Umfang geschieht dies allerdings noch nicht, da das geringe durchschnittliche Automatisierungsniveau im Land einen flächendeckenden Einsatz derzeit noch verhindert. Das Aufschließen zum globalen Wettbewerb in Schlüsseltechnologien des Advanced Manufacturing ist aber Teil der nationalen Strategie. Übergeordnetes Ziel aller Bestrebungen in China ist der Erhalt der globalen Führungsrolle in der Produktion und der damit verbundenen Arbeitsplätze bei gleichzeitigem Anheben der Lebensstandards auf das Niveau anderer Industrieländer.

Frankreich

Frankreich konzentriert sich auf die Reindustrialisierung. Grund hierfür ist eine schrumpfende Fertigungsindustrie, trotz guter Rahmenbedingungen. Die Regierung will dem mit der Strategie La Nouvelle France Industrielle entgegenwirken. Unternehmen werden bei der Anwendung neuer Paradigmen wie Cloud Computing unterstützt. Akteure wie Dassault Systèmes haben eine führende Marktposition für das Angebot von Industrie 4.0-Systemen zum Ziel. Frankreich strebt zudem Einfluss im verbraucherorientierten Internet der Dinge an. Industrie 4.0 wird als Ansatz verstanden, der einer europäischen Kooperation bedarf. Gerade die Zusammenarbeit mit Deutschland wird explizit gefordert.

Schweden

Flexible Organisationsstrukturen, eine offene Arbeitskultur und hohe Technologieakzeptanz sowie -affinität erleichtern den Einsatz intelligenter Produktionssysteme. Verglichen mit anderen europäischen Staaten sind Bedenken bei Datensicherheit oder ‚gläserner Mitarbeiter‘ weniger ausgeprägt. Die Wirtschaft ist eine der am stärksten vernetzten weltweit. Ähnliches gilt für die Kompetenz und die Verbreitung von Automatisierungstechnik. Schweden hat Kernkompetenzen im Bereich der IKT-Industrie und kann aufgrund seiner Exportorientierung gut auf globale Marktbedürfnisse eingehen. Im Kontrast zu Software- und Komponentenanbietern fehlt es Schweden jedoch an großen Systemintegratoren.

Italien

Industrie 4.0 wird hauptsächlich von Industrieverbänden vorangetrieben. Deutschland gilt als richtungsweisend, wobei vielen KMU eine Vorstellung der deutschen Intentionen fehlt. Viele befürchten Wettbewerbsnachteile. Kompetenzen im Bereich Industrie 4.0 sind vorhanden, getrieben von der Automation. Allerdings haben fehlende Investitionen den Raum für Basistechnologieentwicklung eingeengt. Die Kollaboration zwischen Industrie und Universitäten ist nur mittelmäßig ausgeprägt, was Innovationen entgegensteht. Daher werden die regionale Zusammenarbeit und angewandte Forschungsaktivitäten von der Regierung verstärkt unterstützt und durch Industrieverbände geleitet.

Großbritannien

Großbritannien treibt die Reindustrialisierung voran, nachdem lange der Finanzsektor priorisiert wurde. Immer mehr Startups werden gegründet. Forschungscluster wie die Catapult Centres sollen industrielle Innovationen fördern. Sensor- und Datenanalysesysteme sowie effiziente Logistik- und Wertschöpfungsketten gehören zu den Stärken des Landes. Es mangelt daran, einzelne Kompetenzfelder zu ganzheitlichen Lösungen zu integrieren. Flexible und nachhaltige Produktion wird als Treiber für Industrie 4.0-Anwendungen gesehen. Kooperationen bei der Standardisierung auf europäischer Ebene werden als ‚Enabler‘ wahrgenommen. Dies könnte durch die politische Situation gefährdet oder verlangsamt werden.