Internationaler Industrie 4.0-Benchmark – Teil 1

Hat Deutschland das Zeug zum Leitmarkt?

Der Standort Deutschland hat beste Voraussetzungen, sich zum Leitmarkt und Leitanbieter für Industrie 4.0-Technik zu entwickeln. Welche Weichen dafür zu stellen sind, erörtert eine breit angelegte Acatech-Studie. Die Ergebnisse fassen wir für Sie in einer Serie zusammen. Der Beitrag dieser Ausgabe richtet das Augenmerk auf den internationalen Stand der Dinge in Sachen Industrie 4.0.



Bild: Acatech

Industrie 4.0 eröffnet neue Perspektiven für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Doch die internationale Konkurrenz wächst. Wo steht Deutschland? Und wie sollte sich der Industriestandort weiterentwickeln? In der Untersuchung Inbenzhap hat die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften genau diese Frage erörtert. In einem Zweiteiler liefern wir die Kernergebnisse der Analyse ‚Industrie 4.0 – Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung‘. Um zu aussagekräftigen Erkenntnissen zu gelangen, haben sich die Studienautoren unter Leitung von Professor Jürgen Gausemeier, Seniorprofessor am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn, und Professor Fritz Klocke, Direktor des WZL in Aachen, zunächst einen Überblick zum internationalen Stand in Bezug auf Industrie 4.0 verschafft. Darauf aufbauend erstellte die Forschungsgruppe Zukunftsszenarien mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den hiesigen Industriestandort. Zum Schluss formulierten die Autoren Handlungsempfehlungen, um die deutsche Wirtschaft zu dem vorteilhaftesten aller Zukunftsszenarien zu navigieren. Der erste Teil unserer Serie ist dem internationalen Stand bei der Digitalisierung des produzierenden Gewerbes gewidmet.

Zielbild für die Zukunft

Auf Basis dieser Standortbestimmung Deutschlands im internationalen Vergleich und einer Analyse heute wahrnehmbarer sowie vorausgedachter Entwicklungen von Märkten und Geschäftsumfeldern ergibt sich ein Zielbild für Deutschlands digital vernetzte Zukunft. Um dorthin zu gelangen, wurden rund 150 Interviews mit maßgebenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie weiteren Stakeholdern geführt, und zwar in Deutschland, den USA, Brasilien, China (inklusive Taiwan), Japan, Singapur und Südkorea.

Was ist Industrie 4.0?

Unter Industrie 4.0 verstehen die Studienautoren die Fähigkeit der Ad-hoc-Vernetzung von intelligenten Maschinen, Betriebsmitteln, Produkten und Werkstücken sowie Lager- und Transportsystemen via Internet zu leistungsfähigen Wertschöpfungsnetzwerken.

Globaler Trend Vernetzung

Industrie 4.0 entwickelt sich zu einer globalen Marke. Weltweit konnten die Studienautoren eine Vielzahl einschlägiger Konzepte und Aktivitäten identifizieren, die jeweils auf die spezifischen Sichten und Schwerpunktsetzungen der Länder zugeschnitten sind. Derzeit lassen sich gemäß im globalen Handlungsfeld vier Schwerpunkte ausmachen:

Europa: Auf Basis einer starken Technologieposition liegt der Fokus europäischer Initiativen auf der Umsetzung strategischer Konzeptionen, welche die Möglichkeiten der Digitalisierung der industriellen Wertschöpfung mit den Erfordernissen einer humanzentrierten Arbeitswelt in Einklang bringen wollen. Industrie 4.0 wird als soziotechnische Herausforderung gesehen. Übergeordnetes Ziel ist in vielen Bereichen die Wiederherstellung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere als Produktionsstandort, sowie die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen, um den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenzusteuern. Beispiele für entsprechende europäische Initiativen sind die deutsche Hightech-Strategie oder die französische La Nouvelle France Industrielle. Insbesondere in Deutschland soll die Technologieführerschaft in der Produktion den Weg zum Leitanbieter im Bereich intelligenter Produktionssysteme ebnen. Einerseits gilt es, das derzeitige Alleinstellungsmerkmal ‘Produktionstechnologie’ auch im Zuge der digitalen Transformation zu erhalten. Andererseits ist Deutschland bestrebt, sich zu einem wettbewerbsfähigen Anbieter neuer Geschäftsmodelle in der produzierenden Industrie zu entwickeln. Gerade die durch die Europäische Union verbundenen Nationalstaaten nutzen neben ihren eigenen Initiativen noch die supranationale Ebene, um die Weichen für die digitale Transformation zu stellen. Als Schlüsselfaktor innerhalb der EU lässt sich dabei die Integration der Kompetenzen sehen.

Wann ist das System intelligent?

Erst die Intelligenz sorgt dafür, dass vernetzte Systeme mit Produktionsmaschinen kooperieren. Den Ausgangspunkt bilden meist aktive Systeme: Sensoren erfassen den Zustand eines mechanischen Grundsystems. Daraus ermitteln IT-Systeme Stellsignale für die Aktoren, die auf das Grundsystem wirken.Von Intelligenz sprechen viele Fachleute, wenn die regelnde Informationsverarbeitung durch das drei-Schichten-Modell aus der Kognitionswissenschaft ersetzt wird. Danach enthält die unterste Schicht die Regelung. Die mittlere Schicht – die assoziative Regulierung – beinhaltet unter anderem die Konditionierung. Die oberste Schicht enthält Funktionen, die in Richtung Kognition gehen. Dazu gehören Planen, Modifizieren von Zielen und Lernen. Die Fähigkeit eines technischen Systems zur Selbstoptimierung wäre dieser Schicht zuzurechnen und somit intelligent.