Wie lässt sich eine vertikale Integration technisch realisieren?

Blöchl: Eine Erleichterung bei der Umsetzung ist es, wenn das MES und die ERP-Anwendung auf derselben Technologie basieren. Unternehmen, die SAP ERP in Verbindung mit einem ABAP-basierten MES wie der MES CAT Solution Suite einsetzen, können daraus eine einheitliche Gesamtlösung mit homogenen Datenstrukturen und einer zentralen Stammdatenverwaltung aufbauen. Zugleich stellt die Komponente SAP Plant Connectivity (SAP PCO) zur Einbindung der unterschiedlichen herstellerspezifischen Maschinenprotokolle zahlreiche standardisierte Kommunikationsschnittstellen bereit. Da die IT-Abteilung außerdem Zugriff auf den Quellcode des MES erhält, lässt sich das interne SAP-Know-how nutzen, um die Lösung an individuelle Prozessanforderungen anzupassen und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Auch Innovationen im SAP-Umfeld, wie das In-Memory-Computing mit Hana, mobile Apps oder Fiori-Bedienoberflächen, können vergleichsweise einfach eingesetzt werden.

Welche betriebswirtschaftlichen Vorteile bringt die Systemintegration?

Blöchl: Sie ermöglicht barrierefreien Datentransfer zwischen der ERP- und der MES-Ebene bis hin zu den Maschinensteuerungen. Dadurch steigt der Automatisierungsgrad in den Produktionsabläufen. Daraus wie auch aus der Vereinfachung von Systembetrieb und Systembetreuung resultieren nicht unerhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen. Vor allem aber wird die Wertschöpfung in der Produktion auf diese Weise transparent: Abweichungen der Ist- von den Plankosten lassen sich auf jeder Fertigungsstufe erkennen und es kann umgehend gegengesteuert werden. Darüber hinaus lässt sich simulieren, wie eine Änderung der Planungsparameter oder ein Wechsel des Rohstofflieferanten auf die Kosten und den Deckungsbeitrag wirkt.

Was bewirken branchenspezifische Funktionen bei einem MES?

Blöchl: Beinhaltet ein MES branchentypische Prozesse in Form von Best Practices, können Systemanpassungen reduziert werden. Ein Papierhersteller genau wie ein Rollenfertiger oder -verarbeiter muss jede hergestellte Rolle anhand ihrer Länge, Breite und ihres Gewichts sowie der Sorte eindeutig identifizieren können. Dafür wird eine Datenstruktur in der Shopfloor-Lösung benötigt, die diese industriespezifischen Anforderungen abbildet. Auch ein sogenannter ‚Rollenspiegel‘ ist wichtig. Damit lässt sich nachvollziehen, aus welchen Mutterrollen zugeschnittene Einzelpackstücke an welchen Kunden geliefert wurden.

Welche Rolle könnten MES-Lösungen künftig etwa im Rahmen von Industrie-4.0-Projekten spielen?

Blöchl: Durch Industrie 4.0 werden MES weiter an Bedeutung gewinnen, da sie Maschinendaten laufend erfassen, intelligent mit Plan- und Stammdaten vernetzen und diese anschließend transparent und in Echtzeit visualisieren können. Dies verspricht einen höheren Grad an Automatisierung. Zudem bildet dies im Ausnahmefall, etwa bei Abweichungen oder Störungen, die Entscheidungsgrundlage für Mitarbeiter und hilft dabei, in der Gesamtbetrachtung zusätzliche Optimierungspotenziale zu identifizieren. Durch einen Vergleich lässt sich feststellen, ob eine Walze unrund läuft, etwa wenn sie ihre geplante Geschwindigkeit nur erreicht, nachdem der Energieverbrauch signifikant erhöht wurde. Somit kann die Reparatur zeitnah, das heißt vorausschauend durchgeführt werden, was teure Stillstandzeiten reduzieren kann.

Maschine-zu-Maschine-Szenarien (M2M) lassen sich gleichfalls umsetzen. Zum Beispiel dokumentieren Papier- und Folienhersteller auch das Flächenprofil einer Rolle im MES. Dazu zählen Klebstellen, die Verdickungen verursachen. Da der weiterverarbeitende Betrieb vor einer solchen Klebstelle die Druckwalzen an den Maschinen anheben muss, um sie vor Beschädigung zu schützen, benötigt er Informationen über Anzahl und Platzierung solcher Stellen. Durch M2M-Kommunikation lassen sich diese qualitätsrelevanten Daten automatisch statt wie bisher manuell übertragen. Dadurch könnte der Papierausschuss bei der Weiterverarbeitung gesenkt und die Anlagenproduktivität erhöht werden. Allerdings steckt der Aufbau solch selbststeuernder Wertschöpfungsnetze noch in den Kinderschuhen.