Die virtuelle Inbetriebnahme dient dazu, die Steuerungssoftware von Anlagen früh zu testen und zu optimieren. Wird die Anlage aus unterschiedlichen Modulen mehrerer Hersteller gefertigt, stehen die dafür benötigten virtuellen Abbilder der Komponenten jedoch oft nicht zur Verfügung. Hier verspricht die hybride Inbetriebnahme Abhilfe.
Bild: Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW)
Die Industrie steht heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die vor allem durch die Globalisierung und den damit einhergehenden verschärften internationalen Wettbewerb geprägt sind. Die Unternehmen sind nicht nur gefordert, innovative Produkte zu entwickeln. Sie müssen auch in der Lage sein, flexibel auf sich ständig ändernde Kundenanforderungen zu reagieren und in kleineren Stückzahlen zu produzieren, ohne dabei die hohen Qualitätsstandards aus den Augen zu verlieren. Diese Anpassungsfähigkeit und Effizienz sind entscheidend, um in einem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. In diesem Zusammenhang spielt die Inbetriebnahme materialflussintensiver Produktionsanlagen eine zentrale Rolle.
Kritischer Moment
Produktionsanlagen sind hochkomplexe Systeme, die aus verschiedenen miteinander verbundenen Modulen wie Bearbeitungs-, Montage- und Verpackungsstationen bestehen. Die Inbetriebnahme ist ein kritischer Moment im Entwicklungsprozess und erfordert gründliche Tests und eine optimale Abstimmung der einzelnen Komponenten, um einen reibungslosen Produktionsablauf zu gewährleisten. Fehler, die erst spät im Prozess entdeckt werden, können erhebliche Kosten und Zeitverzögerungen verursachen.
Früh testen
Die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) ist eine Methode, um die Steuerungssoftware von Produktionsanlagen frühzeitig zu testen und zu optimieren. Dabei wird ein virtuelles Abbild der Anlage erstellt, in dem verschiedene Szenarien simuliert und potenzielle Probleme erkannt werden. Die VIBN findet parallel zur Entwicklungs- und Konstruktionsphase der Produktionsanlage statt. Durch den frühen Einsatz der VIBN können Entwicklungszeiten um bis zu 75 Prozent reduziert werden. Diese Methode hat sich besonders bei nicht modularen Produktionsanlagen bewährt, da hier die Komplexität und Interaktionen der Komponenten besser beherrschbar sind.
Bei modularen Produktionsanlagen wird ein Großteil der einzelnen Module oft nicht vom Hersteller der Gesamtanlage selbst produziert, sondern von verschiedenen Systemintegratoren oder Zulieferern bezogen. Dadurch kann es zu Verzögerungen bei der Anlieferung von Komponenten kommen, was die Vorabinbetriebnahme einschränkt und die Effizienz der Inbetriebnahme beeinträchtigt. In der Praxis sieht der Ablauf der Inbetriebnahme bei modularen Produktionsanlagen wie folgt aus: Die Vorabinbetriebnahme findet inklusive VIBN der einzelnen Module beim jeweiligen Systemintegrator statt. Anschließend wird die Inbetriebnahme beim Kunden mit der physischen Gesamtanlage durchgeführt, bei der das virtuelle Abbild nicht zum Einsatz kommt. Dieser Prozess ist zeit- und ressourcenintensiv und birgt die Gefahr, dass Fehler erst zu einem späten Zeitpunkt beim Kunden entdeckt werden und dann mit hohem Aufwand behoben werden müssen.
Die Lösung: Hybride Inbetriebnahme
Um den Herausforderungen modularer Produktionsanlagen zu begegnen, wurde die Idee der hybriden Inbetriebnahme (HIBN) entwickelt (vgl. Dominka & Bender, 2007). Sie ermöglicht es, virtuelle Komponenten schrittweise durch physische zu ersetzen, ohne die Steuerungskonfiguration zu ändern. Dadurch kann die Anlage schrittweise in Betrieb genommen werden, während potenzielle Probleme weiterhin in der virtuellen Umgebung überwacht und behoben werden. Die Flexibilität der HIBN erlaubt es, auf Lieferverzögerungen oder fehlende Teile zu reagieren und den Inbetriebnahme-Prozess zu beschleunigen.
Die Funktion
Für die HIBN müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen sämtliche Simulationsmodelle der Feldbuskomponenten verfügbar sein. Zum anderen muss die Feldbuskommunikation echtzeitfähig emuliert werden, und der Zugriff auf alle Feldbustelegramme im Kommunikationsnetzwerk muss gewährleistet sein. Es gibt drei Ausprägungen, in denen die Feldbuskomponenten in einem hybriden Setup vorkommen können: virtuell, physisch und hybrid. Dabei kann eine hybride Komponente eine aktive oder passive Rolle einnehmen. Bei einer aktiven Rolle werden Steuersignale und Statussignale sowohl von der virtuellen als auch von der physischen Komponente empfangen und verarbeitet. Bei einer passiven Rolle spiegelt die virtuelle Komponente lediglich den Zustand der physischen wider und reagiert nicht aktiv auf die Steuersignale.
Wo liegen die Vorteile?
Die hybride Inbetriebnahme bietet mehrere Vorteile gegenüber der VIBN und der rein physischen Inbetriebnahme. Durch die HIBN können Lieferverzögerungen einzelner Komponenten besser kompensiert werden, da virtuelle Repräsentationen zum Einsatz kommen. Eine umfassendere Vorabinbetriebnahme von Subsystemen ist möglich, da das physische Subsystem in die virtuelle Anlage eingefügt wird und die Gesamtleistung des Teilsystems im Vorfeld getestet werden kann. Darüber hinaus reduziert die HIBN die Kosten für Funktionstests, da der physische Materialfluss durch einen virtuellen ersetzt werden kann. Dies ermöglicht mehrere und gründlichere Tests, was zu einer höheren Softwarequalität führt. Da Fehler frühzeitig erkannt werden, sind geringere Kosten bei der Instandhaltung und Reparatur der Produktionsanlage die Folge.
Die hybride Inbetriebnahme eignet sich besonders für Branchen mit komplexen, materialflussintensiven Produktionsanlagen, wie etwa die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt sowie die Elektronik- und Konsumgüterindustrie. Die Anwendungsbereiche der HIBN erstrecken sich von der Einzelkomponente bis hin zur Gesamtanlage, wobei der Fokus auf einer effizienten und fehlerfreien Inbetriebnahme liegt.
Die Zukunft der HIBN
Die hybride Inbetriebnahme ist ein Schritt auf dem Weg zu einer fortschrittlichen und zukunftsfähigen Produktionstechnik. Durch die nahtlose Integration von virtuellen und physischen Komponenten können Unternehmen ihre Produktionsprozesse weiter optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die Weiterentwicklung der Simulationstechnologien und der Feldbuskommunikation wird die Effizienz und Anwendungsmöglichkeiten der HIBN weiter verbessern. Und auch in anderen Bereichen der industriellen Fertigung eröffnet die HIBN neue Perspektiven, wie etwa in der Robotik oder der Logistik.
Autoren:Shan Fur, M.Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter ‘Virtuelle Methoden in der Produktion’ beim Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW).
Autoren: Shan Fur, M.Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter ‘Virtuelle Methoden in der Produktion’ beim Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW).
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