Hilfe bei der Softwareauswahl

Lieferketten-Anwendungen im Marktspiegel

Die IT-Produkte für industrielle Lieferketten entwickelten sich oft zu wahren Spezialisten, was die Suche nach der passenden Software erschwert. Hilfestellung bietet der ‚Aachener Marktspiegel Business Software – Supply Chain Management 2023‘. In der Veröffentlichung vergleichen die Autoren und Autorinnen über 120 SCM-Anwendungen auf einer einheitlichen Basis.

 (Bild: Fraunhofer-Institut f. Arbeitswirtschaft)
Abbildung 1: SCM-Funktionsmodell (inkl. übergeordneter Systemfunktionen) (Bild: Fraunhofer-Institut f. Arbeitswirtschaft)

Jenseits einer allgemeinen Einordnung stellt sich der Markt für SCM-Software sehr heterogen dar. Demnach können die Anwender aus einer zunehmenden Fülle von IT-Anbietern und -Anwendungen mit unterschiedlichem Funktionsumfang und Branchenausrichtung wählen. An dieser Stelle spezialisieren sich viele Anbieter auf einzelne Aspekte und unterscheiden sich teilweise deutlich in ihrem Lösungsansatz. Hier setzt der vom Fraunhofer IPA, dem FIR an der RWTH Aachen und der Firma Trovarit herausgegebene ‚Aachener Marktspiegel Business Software – Supply Chain Management 2023‘ an. Der Marktspiegel informiert auf Basis einer einheitlichen Vergleichsgrundlage über verschiedene SCM-Anwendungen. Hierfür wurde in der neuen dritten Ausgabe die Einordnung der SCM-Softwarelösungen in das Themenfeld von dem Supply-Chain-Netz bis hin zum Anbietercluster grundlegend überarbeitet. Die methodischen Grundlagen basieren auf den im Folgenden vertieften drei Aspekten Supply-Chain-Netz, SCM-Funktionsmodell sowie Anbietercluster.

Supply-Chain-Netz

Die Auftragsabwicklung erfolgt in einem Netz über Knoten (sogenannt Supply-Chain-Partner), welche über Materialflüsse verknüpft sind. Zur Beschreibung dieser Supply-Chain-Partner (etwa Kunde, Planungszentrum, Versandzentrum, Inter Company-Werk) und der Prozesselemente (wie Herstellen, Transportieren, Lagern) wurde ein Modell erarbeitet, das eine praxisnahe Beschreibung der SC-Rahmenbedingungen erlaubt. Diesen können die notwendigen SCM-Funktionen zugeordnet werden, die der Folgeaspekt beschreibt.

SCM-Funktionsmodell

Das SCM-Funktionsmodell (Abbildung 1) unterteilt die zur Planung und Steuerung sowie zur operativen Abwicklung der unterschiedlichen Aufträge notwendigen SCM-Funktionen in 17 Module. Diese sind zum einen nach den Ebenen Lieferkettengestaltung und -planung, Lieferkettensteuerung sowie Operative Lieferkettenaktivitäten gegliedert und zum anderen nach den Elementen der logistischen Prozesskette strukturiert – also Beschaffung, Produktion, Logistik mit Lager und Transport sowie Absatz. Außerhalb dieser Einordnung enthält das Modell zwei übergreifende Systemfunktionalitätsmodule. Unter die Lieferkettengestaltung und -planung fällt auf Netzwerkebene zunächst die Positionierung am Markt und die Ausrichtung des Wertschöpfungsnetzwerkes, was die Lieferkettenstruktur bestimmt. Darauf folgen die netzwerkbezogene Programm- und Absatzplanung als direkte Vorstufen der netzwerkbezogenen Logistikplanung und Verfügbarkeitsprüfung sowie der unternehmensbezogenen Lieferkettenplanung. Dabei stellt die unternehmensbezogene Planung der Beschaffung und Produktion das logische lokale Pendant der netzwerkbezogenen Betrachtung dar. Die Lieferkettensteuerung erfolgt auf Unternehmensebene im Rahmen der Beschaffungs- sowie Produktionsfeinplanung und -steuerung. Auf Netzwerkebene übernimmt die Auftragssteuerung wie auch die Logistikfeinplanung und -steuerung diese Aufgabe. Operative Lieferaktivitäten im Bereich der Beschaffung und Produktion erfolgen unternehmensbezogen, während die Bereiche Logistik und Absatz netzwerkbezogen erfolgen.

Vernetzte Lieferkette

Neben den beschriebenen Funktionsmodulen existieren Systemfunktionalitäten, die die Vernetzung von Supply-Chain-Partnern unterstützen. Diese sind in den Modulblöcken Technologie-Plattform (zum standortübergreifenden Datenaustausch) sowie Datenmanagement (der erforderlichen Stamm- und Bewegungsdaten) zusammengefasst. Module aus diesem Bereich unterstützen z.B. den Datenaustausch und sichern die Datensouveränität der Nutzer. Die angebotenen Systeme umfassen nun bestimmte SCM-Funktionen dieser Module. Damit sind sowohl Schwerpunkte hinsichtlich der SCM-Funktionen (etwa Transport) beschrieben, aber auch Anwendungsgebiete wie die Branche oder Fertigungsart (Einzel- oder Serienfertigung).

Anbietercluster

Die SCM-Funktionen aller 17 Funktionsmodule werden in der Regel nicht Bestandteil einer einzigen Business Software. Der Marktspiegel ordnet die Anbieter von SCM-Anwendungen daher anhand ihrer funktionalen Spezialisierung sechs Anbieterclustern zu:

  • Advanced Planning & Scheduling (APS): Simultane Planung und Optimierung sämtlicher Ressourcen der Lieferkette in Produktion und ggf. Beschaffung,
  • Bestandsmanagement & -optimierung (BMO): transparente Verwaltung von Beständen entlang der Lagerstrukturen zur Bestandsoptimierung mit der Zielsetzung einer hohen Lieferfähigkeit bei gleichzeitig niedrigen Beständen,
  • Transportoptimierung & -management (TOM): Verwaltung, Berechnung, Abrechnung, Kontrolle und Durchführung von Transportdienstleistungen,
  • Tourenplanung & mobiles Auftragsmanagement: Planung und Optimierung von Touren als ein Teilbereich des Transportmanagements & operative Abwicklung von Transporten,
  • Just-inTime / Justi-in-Sequence (JiT/JiS): Operative Abwicklung der Prozesse einer JiT Produktion (bedarfssynchrone Produktion) bzw. einer JiS Produktion (reihenfolgesynchrone Produktion),
  • Yard Management: Organisation der Prozesse vor der Verladerampe auf dem Betriebshof (Yard) zur Verbindung der Lagerlogistik mit der Transportlogistik.

Das SCM-Funktionsmodell sowie die Anbietercluster bieten Anwendern und Anbietern eine Kommunikationsgrundlage zum Abgleich der spezifischen Anforderungen und Lösungsalternativen.

Auswertung der Marktdaten

Auf der Basis des beschriebenen Ordnungsrahmens und der Funktionsbereiche wurden die vorhandenen Marktdaten (Quelle: IT-Matchmaker) analysiert. Dabei wurden 123 Software-Produkte aus dem beschriebenen Funktionsmodell berücksichtigt. Die Auswertung zeigt die Ergebnisse zunächst über alle erfassten Anbieter, ausgewählte Graphiken ergänzen die Werte der Spezialisten.

Spezialisten gehen ins Detail

Der Vergleich der Spezialisten zu allen Systemen verdeutlicht die unterschiedlichen Schwerpunkte der 123 untersuchten Produkte. Die Notwendigkeit dieser Differenzierung lässt sich beispielsweise anhand der netzwerkbezogenen Logistikplanung darstellen: So geben ca. 35 Prozent der Systemanbieter an, ‚verteilte Lager- und Distributionsstrukturen‘ abbilden zu können. Die Betrachtung ausgewählter Detailfunktionen in Abbildung 2 (z.B. ‚Lieferplan-Abstimmung‘ oder ‚Bestandsoptimierung auf Netzwerkebene‘) offenbart aber deutlich geringere Abdeckungsgrade. Die Detailbetrachtung der Spezialisten zeigt den erwarteten Fokus: Die ‚Bestandsoptimierer‘ bilden verteilte Lager- und Distributionsstrukturen ab und optimieren die verteilten Bestände auf Netzwerkebene. Die ‚Transportoptimierer‘ bieten wiederum eher Funktionen zur ’strategischen Transport- und Tourenplanung‘ sowie der ‚Netzwerkoptimierung‘ an. Solch eine Spezialisierung zeigt sich beispielsweise auch bei der unternehmensbezogenen Produktionsplanung (Abbildung 3).

Die APS-Spezialisten haben hier einen ausgeprägten Funktionsschwerpunkt: 75 Prozent von ihnen unterstützen eine ‚Optimierung komplexer Auftragsnetze‘. Typische Planungsfunktionen wie die ‚Engpassverwaltung /-steuerung‘ und die ‚Durchlaufterminierung‘ bieten über 80 Prozent der APS-Systeme an. Aber auch JIT/JIS-Systeme zeigen im Bereich der unternehmensbezogenen Produktionsplanung eine umfassendere Unterstützung als der Durchschnitt aller SCM-Systeme. Der Fokus im Vergleich zu den APS-Systemen liegt hier jedoch mehr auf der operativen Abwicklung einer Serienproduktion. Für den spezifischen Anwendungsfall ist also eine detailliertere Betrachtung der Einplanungslogiken empfehlenswert, die auf der Basis einer entsprechenden Analyse fußen sollte.

Anwendungen sehr heterogen

Insbesondere die Abdeckungsgrade ausgewählter Funktionen durch die Spezialisten veranschaulichen die Heterogenität des SCM-Marktes. Hier erscheinen zwei Gründe ursächlich: Zum einen ist der Markt insbesondere im Vergleich zum ERP-Markt jünger. Betrachtet man die Funktionsentwicklung über mehrere Jahre, ist eine Ausweitung der Funktionsunterstützung bei einigen Anbietern erkennbar. Zum anderen verfolgen viele Anbieter Nischenstrategien und konzentrieren sich auf ausgewählte Funktionsblöcke oder Branchen. Sie ergänzen also eher eine bestehende Softwarelandschaft, statt alle Funktionen gemäß der hier im Marktspiegel vorgenommenen SCM-Definition abzudecken.

Software-Auswahl komplexer

Im Vergleich zum ERP-Markt stehen die SCM-Anwender vor der Herausforderung einer deutlich sorgfältigeren Anforderungsanalyse mit einer anschließenden gründlichen Betrachtung der angebotenen Funktionen und der Lösungsansätze. Dabei unterstützt der erschienene Marktspiegel über die Strukturierungshilfen Supply-Chain-Netz (zur Beschreibung der logistischen Abhängigkeiten), SCM-Funktionsmodell (zur Beschreibung der erforderlichen SCM-Funktionen) sowie Anbietercluster (zur Beschreibung der Anwendungsschwerpunkte). Der Marktspiegel ist ca. 177 Seiten lang und lässt sich als PDF (270€) oder Ringbuch (300€), jeweils zzgl. MwSt., etwa auf der Trovarit-Internetseite erwerben.







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