Großrotoren automatisiert entgraten

Integriertes Roboterkonzept

Das manuelle Entgraten großer Turbinen- und Generatorwellen ist enorm zeitaufwändig. Der Roboteranlagenbauer Indat hat eine Roboterzelle für diese Arbeit entwickelt und gebaut. Der Clou: Ein individuell angepasstes Softwarekonzept, das die drei Standardkomponenten Offline-Programmierumgebung, Anlagenvisualisierung und Robotersteuerung miteinander verbindet.

Bild: Indat

Polschlitze, Wuchtbohrungen, Warmgasnuten, Längsnuten, radiale Zahnluftlöcher oder axiale Sicherungsbohrungen: An bis zu 20 Meter langen und über 60 Tonnen schweren Turbinen- und Generatorwellen, wie sie beispielsweise in Wasser- oder Braunkohlekraftwerken zum Einsatz kommen, finden sich eine Vielzahl gebohrter oder gefräster Konturen. Das Entgraten dieser kilometerlangen Konturen von Hand kostet viel Zeit und macht den Einsatz eines Roboters überlegenswert. Doch allein das Teachen des Roboters ist sehr zeitaufwendig. Da viele verschiedene Wellentypen, aber jeweils nur wenige Exemplare eines Wellentyps gefertigt werden, ist es auf den ersten Blick kaum wirtschaftlich durchzuführen. Die Indat Robotics, Sondermaschinenbauer aus Ginsheim-Gustavsburg, ist auf die Planung und den Bau von Roboteranlagen für anspruchsvolle Bearbeitungs-, Montage- und Handhabungsprozesse sowie auf die effiziente Verkettung von Fertigungseinrichtungen spezialisiert. Die Firma wurde von einem Unternehmen auf dem Gebiet des Kraftwerkbaus beauftragt, die Machbarkeit eines robotergestützten Entgratens von Großrotoren zu prüfen.

Roboter mit sechs Achsen

Entstanden ist schließlich eine Entgratmaschine mit leistungsstarker Bearbeitungssoftware. Dabei fährt ein 6-Achs-Industrieroboter von ABB auf einer Schiene an der Riesenwelle entlang. Die Welle ist auf Rollenböcken abgelegt und kann beim Entgraten gedreht werden. Der Roboter entgratet die Konturen mit verschiedenen pneumatisch angetriebenen Werkzeugen, die in einem Rack vorgehalten und flexibel gelagert werden, um gegebenenfalls Lageabweichungen der zu entgratenden Kanten oder unterschiedliche Gratbildung zu kompensieren. Um den Entgratprozess effizient und den Programmieraufwand gering zu halten, sind die Werkzeuge in alle Richtungen auslenkbar. Da ein Prozess dieser Komplexität mit einem solchen Werkstück auf herkömmliche Art nur mit großem Aufwand zu parametrieren, programmieren und teachen wäre, musste hierfür eine spezielle Softwareumgebung entwickelt werden. Die Herausforderung bestand zum einen darin, den Zeitaufwand für das Teachen zu minimieren, und zum anderen galt es, eine Möglichkeit zu schaffen, das Bearbeitungsprogramm direkt an der Anlage zu optimieren und dazu eine komfortable Mensch/Maschine-Schnittstelle zu schaffen.

Im Ergebnis wurden hierzu Simulation, 3D-CAD, SPS, Roboter und Visualisierung über eine zentrale Datenbank miteinander verknüpft. Das Bearbeitungsprogramm für den Roboter wird an einem 3D-Modell der Anlage und der jeweiligen Generatorwelle offline erstellt und simuliert. Bereits bei der Offlineprogrammierung werden neben Roboterpositionen und Fahrbewegungen auch Werkzeugparameter, Wellen-Bearbeitungswinkel sowie weitere Parameter ermittelt, simuliert und passend zur Kontur in der Datenbank gespeichert. Auch die Bearbeitungssequenz kann schon während der Offlineprogrammierung festgelegt werden. Der Bediener kann diesen Ablauf später direkt an der Maschine modifizieren. Auch können wiederkehrende Teilsequenzen abgespeichert werden, um sie bei Bedarf in die Hauptsequenzen einzubauen. Der integrierte Teilautomatikbetrieb erlaubt schließlich das Testen und Optimieren einzelner Teilabläufe. Die Rüstzeiten der Anlage fallen minimal aus. Ist die Welle einmal abgelegt, ermittelt der Roboter während einer Messfahrt mittels Lasersensoren und digitaler Wasserwaage die exakte Lage der Welle im Raum. Schließlich müssen nurmehr die benötigten Werkzeuge gerüstet und die Anlage abschließend kontrolliert werden. Erste Erfahrungen mit der Anlage zeigen eine Zeitersparnis von 50 bis 80 Prozent.