„Der Plan, den man nicht ändern kann, ist ein schlechter Plan.“ (Sallust)

Materialfluss und Produktion in Echtzeit steuern

In vielen Fabriken gleicht sich die Situation: Je länger ein Plan in der Produktion läuft, desto mehr verliert er seine Gültigkeit. Aufträge laufen länger oder kürzer, entfallen oder kommen neu hinzu, Equipment fällt aus, Personal fehlt, Materialflüsse über Zwischenlager verändern sich. Eine Software, die in diesem Szenario Produktionszellen, Zwischenspeicher und Materialflüsse in Echtzeit synchronisiert und Schwankungen weitgehend automatisch ausgleicht, ist ein entscheidender Faktor für eine Lean Production.



Bild: Xavo AG

Eine Fabrik erhält in der Regel einen Fabrikplan vom Supply Chain Management für einen definierten Planungshorizont, typischerweise ein Wochenplan. Die Arbeitsvorbereitung erstellt aus dem Fabrikplan Tagespläne für die einzelnen Produktionszellen, die das Produktionsnetzwerk der gesamten Fabrik bilden. Die Tagespläne werden dann zur Ausführung freigegeben und im Manufacturing Execution System abgearbeitet. Kommt es zu unerwarteten Änderungen des Fabrikplanes für Fertigware müssen diese an die vorgelagerten Produktionszellen schnell kommuniziert werden. Die vorgelagerten Produktionszellen müssen ihre Pläne entsprechend anpassen. Wenn es andererseits zu unerwarteten Änderungen der Pläne in den Produktionszellen kommt (wie durch ungeplante Stillstände oder Krankheit von Mitarbeitern), müssen diese den vor- und nachgelagerten Produktionszellen schnell mitgeteilt werden, damit diese entsprechend reagieren können.

Eine Software, die in diesem Szenario Produktionszellen, Zwischenspeicher und Materialflüsse in Echtzeit synchronisiert und Schwankungen weitgehend automatisch ausgleicht, ist ein entscheidender Faktor für eine Lean Production. Es gibt Eigenschaften, die eine solche Lösung mit sich bringen muss, damit sie die Synchronisation und Steuerung vorausschauend und schnell erledigen kann, stets die nötige Transparenz des Produktionsgeschehens sicherstellt und in kritischen Situationen Problemlösungen bietet.

Arbeiten in Echtzeit

Für eine produktionsnahe und der Realität folgende Steuerung der Materialflüsse ist das Arbeiten in Echtzeit unverzichtbar. Denn nur wenn der reale Prozessstatus Grundlage für Aktivitäten und Entscheidungen ist, ist eine wirksame und zeitnahe Einflussnahme auf das laufende Prozessgeschehen möglich. Auch beim ‚Ausprobieren‘ von möglichen Planalternativen (‚Was-wäre-wenn‘-Planungen) sollten in der alternativen Welt die Daten aktuell gehalten werden, damit ein neues Szenario bei Bedarf ohne Umschweife live gehen kann und nicht daran scheitert, dass seine Datenwelt nicht mehr der Realität entspricht. Die notwendigen Echtzeitdaten liegen in den meisten Produktionen bereits in ME-Systemen oder in der Automatisierung vor.

Gute Prognosen

Um im gesamten Planungshorizont Materialflüsse und Produktionen synchronisieren und steuern zu können, ist eine kontinuierlich an der Realität gespiegelte Vorhersage der weiteren Entwicklung notwendig. Eine Art Navigationssystem für die Produktion: Wo steht die Produktion gerade? Was hat sich gegenüber dem Plan geändert? Was bedeutet das für die gesteckten Ziele? Wie geht es weiter? Wo tauchen Hindernisse auf und welche Optionen gibt es, sie zu umgehen? Das Ziel der Vorhersage ist, die zukünftige Produktion so gut und realistisch wie möglich zu simulieren und zu prognostizieren. Grundlagen dafür sind Ist-Daten in Echtzeit, historische Daten und mathematische Modelle. Von Interesse sind die Laufzeiten, Umrüstungen sowie produzierte und verbrauchte Materialien. Kritische Situationen entstehen durch fehlendes oder zu viel Material und fehlende Ressourcen (Equipment, Personal). Ein großer Nutzen der Vorhersage ist, dass sie frühzeitige Hinweise und Warnungen zu sich abzeichnenden Problemen geben kann und so ein rechtzeitiges Reagieren ermöglicht. Eine neue Vorhersage ist immer dann erforderlich, wenn es zu Abweichungen vom ursprünglichen Plan kommt, zum Beispiel wegen der Einplanung von Eilaufträgen oder nach der Meldung von Differenzen zum Plan aus der Produktion.

Bedarfsgerechte Informationen

In einer Gesamtfabrik hat das Thema Produktionsinformation zwei Aspekte. Zum einen kommt es darauf an, den Zellen Daten zu ihrer Produktion und ihren Lagern schnell und in konzentrierter Form zur Verfügung zu stellen. Zum anderen besteht immer wieder die Notwendigkeit, auf Daten benachbarter Bereiche zuzugreifen. Dies vor allen Dingen, wenn es zu Engpässen kommt, deren Ursache dort liegen. Wie schaut es im Rohwarenlager aus? Warum kommt es am Ende der Schicht zu einem Versorgungsengpass aus der Vorproduktion? Hat das Zwischenlager noch genug Material? Schafft die Verpackung den neuen Eilauftrag noch? Die Anforderung an eine bedarfsgerechte ad-hoc-Information ist, dass sie schnell auf einen Blick alles Wichtige darstellt, was zur Beurteilung der Produktion einer Zelle nötig ist: das Auftragsszenario, der aktuelle Status und die Prognose der weiteren Entwicklung, live und auf einen Blick. Als hilfreich zeigt sich hier das Darstellungsmittel des Gantt-Chart, erlaubt es doch eine equipment- und auftragsbezogene Darstellung der gesamten Produktion einer Zelle auf einer Seite.

Durch geeignete Aggregierungen lassen sich sowohl kompakte als auch detaillierte Darstellungen von Informationen strukturieren. Ein weiterer Vorteil sind die intuitiven Möglichkeiten zum Aufruf von Details zu Aufträgen, Materialien und Ressourcen aus dem Chart heraus. Wenn es im zweiten Informations-Aspekt darum geht, auf Daten benachbarter Bereiche zuzugreifen, ist es sinnvoll, zum Aufbau einer Navigationsstruktur die vorhandene Vorwärts- und Rückwärtsverkettung von Produktions- und Lagerzellen über die Materialflüsse zu nutzen. Damit entsteht eine materiaflussorientierte, vorwärts- und rückwärts verkettete Visualisierung von Produktions- und Lagerzellen entsprechend dem Netzwerk der Gesamtfabrik.



Ein Fabrikszenario mit Produktionszelle, Lagerzelle und Work In Progress. Bild: Xavo AG

Kritische Situationen

Ein großer Nutzen der Vorhersage – wie bereits erwähnt – ist, dass sie frühzeitige Hinweise und Warnungen zu sich abzeichnenden Problemen geben kann und so ein rechtzeitiges Reagieren ermöglicht. Reagieren heißt Entscheidungen treffen, wie weitergemacht werden soll. Es ist durchaus möglich, einige Entscheidungen per Regeln zu definieren, sodass man sie einer Software anvertrauen kann: Generiere automatisch Aufträge zum Liefern beziehungsweise Entsorgen von Material, verwende alternatives Equipment bei Ausfällen, schiebe bestimmte Aufträge auf Wartepositionen oder Ähnliches. Dazu braucht man die Möglichkeit zur Definition und Änderung von Regeln unter Einbeziehung von Anlagenparametern. Für den Fall, dass eine Lösung nur mit dem Wissen und der Unterstützung eines Operators gefunden werden kann, sollte es für diesen möglich sein, Alternativen im Rahmen von ‚Was-wäre-wenn‘-Szenarien auszuprobieren und dann mit dem Passenden live zu gehen. Zum Beispiel stellen sich Fragen wie: Was kommt dabei heraus, wenn ich einen nicht erfüllbaren Auftrag splitte, nur partiell abarbeiten lasse, Reinigungen zulasse oder auf eine langsamere Maschine verlege? Ein großer Vorteil ist, wenn Planungssitzungen mit ‚Was-wäre-wenn‘-Szenarien ebenfalls in Echtzeit mit Daten aus der Produktion versorgt werden. Sie sind dann immer aktuell und wenn die Entscheidung getroffen wird, ein neues Szenario zu nutzen, ist dieses synchron mit der realen Produktion.

Beurteilen der Leistung



Eric Westermann.
Bild: Xavo AG

Die Produktion ist formal gesehen die Abarbeitung eines Auftragsszenarios einer Planungsperiode mit einem bestimmten Planungshorizont (zum Beispiel eine Woche). Zu jedem beliebigen Zeitpunkt hat sie eine Vergangenheit (gelaufene Aufträge), eine Gegenwart (aktive Aufträge) und eine Zukunft (noch zu produzierende Aufträge). Für die Beurteilung der Leistung innerhalb einer Planungsperiode ist es wichtig zu wissen, wie effizient die Aufträge der Vergangenheit gelaufen sind, wie sie aktuell laufen und wie – bezogen auf die gesamte Planungsperiode – das Verhältnis zwischen geplantem und tatsächlichem Output aussieht. Die im Rahmen der Materialflussteuerung erzeugte strukturierte Datenablage und die Erfassung der Produktionsdaten in Echtzeit bieten die ideale Datenbasis für eine Ermittlung der geplanten und tatsächlichen Leistung. Zusätzlich liegen zeitgenaue Aussagen zu Störungen und Abweichungen vor, die ebenfalls leistungsrelevant sind. Es bietet sich an, diese Daten als kompakte Diagramme aufzubereiten mit einer Gruppierung der Aufträge in Klassen (zum Beispiel schlecht/mittel/gut) mit der Möglichkeit zum Aufruf von Auftragsdetails je Klasse.

In vielen Betrieben sind die Reaktionsmöglichkeiten der Produktion auf Abweichungen vom Plan eingeschränkt. Was fehlt sind transparente und aktuelle Daten zum Verlauf und zur Effizienz, gute Prognosen sowie ein intelligenter Support bei der Bewältigung kritischer Situationen. Eine leistungsfähige Software, die Produktionszellen, Zwischenspeicher und Materialflüsse in Echtzeit synchronisiert und Schwankungen weitgehend automatisch ausgleicht, beseitigt diese Defizite. Sie hilft dabei, im Sinne der ‚Lean Production‘ die Produktion ruhiger und ausgeglichener zu fahren und sie effizienter zu machen.