CAD/CAM-Verbund mit NC-Simulation

26 Prozent schneller entwickeln und fertigen

Der Medizintechnikhersteller Gebr. Brasseler hat seine Produktentwicklung und Fertigung in einem durchgehenden CAD/CAM-Prozess vernetzt. Mit Ncsimul Machine nutzt das Unternehmen seither eine einheitliche Simulationslösung – auch für anspruchsvolle Werkzeugmaschinen und Mehrachs-Langdrehmaschinen. Da die Simulation direkt auf dem NC-Code der Maschinen basiert, können auch die im Postprozessor gespeicherten und überaus komplexen Fertigungsinformationen direkt in die Berechnungen einfließen.



Bilder: Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG

Filigrane Bohrer, hauchfeine Bürsten, komplexe Verzahnungsgeometrien – das sind die Produkte der Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG. Mit mehr als 10.000 Erzeugnissen der Marke Komet bedient das Familienunternehmen den weltweiten Markt für rotierende Instrumente und Systeme für die Human- und Zahnmedizin. Produziert wird am Standort Lemgo, in erster Linie für Kunden aus dem Dentalbereich; außerdem gehören medizinische Instrumente sowie zunehmend auch kundenspezifische Produkte im Geschäftsbereich Custom Made zum Portfolio. Die Herstellung im Miniaturmaßstab erfordert Sorgfalt und Genauigkeit und stellt daher höchste Ansprüche an die Maschinen und deren Programme.

Aufbau einer übergreifenden CAD/CAM-Plattform

Als innovationsgetriebenes Unternehmen steht Brasseler regelmäßig vor der Herausforderung, neue und häufig kundenspezifische Produkte zu entwickeln und in die Produktion zu überführen. Bis vor wenigen Jahren bestand bei diesem iterativen und oft zeitaufwendigen Prozess der klassische Medienbruch zwischen Produktentwicklung und Fertigung, die ihre Entwürfe mit unterschiedlichen Anwendungen erstellten. Auch in der Fertigung gab es keine einheitliche NC-Lösung. Nur in einigen Fällen konnte auf herstellerseitige Lösungen mit leistungsfähiger Programmiersoftware und integrierter Simulation zurückgegriffen werden, häufig aber musste der NC-Code per Editor geschrieben und dann auf der Maschine getestet werden. Diese Maschinen fielen dann relativ lange für die Produktion komplett aus. Aus Zeit- und Kostengründen sollte dies grundlegend verändert werden: Geplant war die nahtlose Verbindung der CAD/CAM-Entwicklung und -Programmierung.

Benchmark vor der Systemauswahl

Um die geeignete Software zu finden, wurde zunächst ein Benchmark gemacht. Die Wahl fiel auf die PTC-Lösungen Creo, Creo NC und Windchill sowie die Simulationslösung Ncsimul Machine von Spring Technologies. Integriert wurden die Anwendungen vom Systemhaus Inneo Solutions. Nach ausführlicher Vorbereitung und Tests durch das Key-User-Team wurde das System ab Ende 2012 nacheinander in allen Bereichen eingeführt. Werner Würfel, Gruppenleiter IT-Systeme und als Projektleiter Globale Projekte für die Einführung der Anwendungen verantwortlich, schildert: „Für die gesamte Fertigung haben wir jeweils neue Postprozessoren mit einheitlicher Simulation zur Verfügung gestellt sowie alle betroffenen Mitarbeiter in der Fertigung und der Produktentwicklung geschult. Insgesamt wurden 20 virtuelle Ncsimul-Maschinen entwickelt“. Mittlerweile läuft der Systemverbund auf mehr als 100 Maschinen.

3D-Modelle für die Fertigung

Der Prozess der Produktentwicklung hat sich seither geändert, statt Konstruktionszeichnungen werden nun fertigungsgerechte 3D-Modelle erstellt. Über sogenannte User-defined-features fließen Fertigungsinformationen schon in die Produktentwürfe mit ein. Das wichtigste Ziel, durch effizientere Prozesse Zeit und Kosten zu sparen, wurde erreicht: Durch die Umstellung auf die CAD/CAM-Programmierung werden bis zu 26 Prozent Zeit in der Entwicklung und Umsetzung neuer Produkte gespart. Verbessert hat sich aber auch die Kommunikation im Unternehmen: „Unsere Entwickler setzen sich jetzt schon von Anfang an mit den CAM-Programmierern in Verbindung, um die nötigen Fertigungsinformationen zu berücksichtigen. Schwierigkeiten werden vorab geklärt und Lösungen gefunden, noch bevor das Produkt in die Erstfertigung geht“, schildert Würfel.



Entscheidend ist, dass mit NCSIMUL MACHINE direkt auf dem NC-Code simuliert werden kann. So kann der CAM-Programmierer den NC-Code unmittelbar auf Kollisionsfreiheit prüfen, Fertigungswege und –zeiten ermitteln. Bild: Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG

Informationen aus dem Postprozessor in der Simulation

Mit der Simulation kann der CAM-Programmierer den NC-Code unmittelbar auf Kollisionsfreiheit prüfen, Fertigungswege und -zeiten ermitteln. Dabei wird nativ auf ein 3D-Modell aufgesetzt, das im Ergebnis der Simulation direkt verbessert werden kann. Diesen Vorteil nutzen die Programmierer bei Brasseler vor allem für die Entwicklung neuer Verzahnungsgeometrien. Dazu prüfen sie virtuell, ob mit dem neuen Fertigungsprozess am Ende auch tatsächlich die gewünschte Geometrie erzeugt wird. Entscheidend ist, dass die Simulationsanwendung direkt mit NC-Code arbeitet: Als Präzisionsfertiger arbeiten die Lemgoer mit anspruchsvollen Nischentechnologien wie Mehrkanal-Langdrehautomaten und Werkzeugschleifmaschinen, die durch Creo noch nicht vollständig unterstützt werden. „Deshalb haben wir wichtige Informationen wie etwa die automatische Zuordnung von Achsen zu Kanälen, Kopplung und Synchronisation der Achsen in die Postprozessoren programmiert“, erläutert CAM-Administrator Viktor Olfert. Diese Informationen kann Ncsimul Machine bei der Simulation berücksichtigen.

Maschineneinrichtung auf Knopfdruck − mit Vorschau

Die Simulationslösung hilft auch den Maschineneinrichtern. Vor der Einführung des Softwareverbundes mussten zum Teil erst Programme geschrieben werden, diese auf Syntaxfehler geprüft, berichtigt und erneut getestet werden. Einrichter und -Programmierer waren gut zwei bis drei Tage damit beschäftigt. Der Probedurchlauf brachte die Maschinenbediener damals regelmäßig ins Schwitzen, im Fall eines Fehlers oder einer drohenden Kollision musste sofort reagiert werden. Heute wird durch die Simulation auf den virtuellen Maschinen nicht nur eine Kollision schon im Vorfeld ausgeschlossen, auch das Bearbeitungsprogramm wird hinsichtlich Werkzeugwegen und folglich geringeren Laufzeiten optimiert. Da alle Daten zudem im Product Lifecycle Management-System gespeichert sind, werden die Daten versionssicher abgebildet, damit nur die freigegebene Version verwendet wird.

Prozesse als Fundament für die Zukunft

Ein Ergebnis der Systemeinführung waren deutlich verbesserte Fertigungsprozesse. Um auch in Zukunft immer besser zu werden, investiert das Unternehmen in das Know-how und die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter − mit eigenen Trainern und fortlaufenden Inhouse-Kursen. Angehende Zerspanungs- und Industriemechaniker werden bereits ab dem zweiten Ausbildungsjahr in den Systemen und Simulationen geschult und haben später die Möglichkeit, sich zum CAD/CAM-Programmierer weiterzubilden. Und sie werden gebraucht: Auch beim Dentalspezialisten rechnet man mit Umbrüchen und einer dynamischen Entwicklung der Produktionsmodelle.