Die Privatisierung volkseigener Betriebe in der ehemaligen DDR verlief nicht immer erfolgreich. Ein positives Beispiel stellt das Zahnradwerk Pritzwalk dar. Das Unternehmen produziert für Abnehmer aus Marine- und Offshoreindustrie. Für Prozessplanung, Rückverfolgung und Qualitätsmanagement setzt der Betrieb eine Unternehmensoftware ein, die um verschiedene industriespezifische Module erweitert wurde.
Bild: Zahnradwerk Pritzwalk
Das VEB Zahnradwerk Pritzwalk im brandenburgischen Pritzwalk produzierte von 1969 bis 1990 mit 1.400 Mitarbeitern vor allem Verzahnungsteile, aber daneben − wie in Betrieben der ehemaligen DDR üblich − auch Konsumgüter wie Vogelkäfige. Lediglich die Hälfte der Mitarbeiter arbeitete in der Produktion, die anderen erfüllten Aufgaben in verschiedenen Verwaltungsbereichen, der medizinischen Abteilung oder den betriebseigenen Kindergärten. Bei der Privatisierung im Jahr 1993 übernahmen die neuen Eigentümer 123 Mitarbeiter. Heute befindet sich das Unternehmen in Familienbesitz und fertigt mit 350 Mitarbeitern Zahnräder von 100 Millimetern aufwärts bis zu etwa zwei Metern Durchmesser und einem Maximalgewicht von rund fünf Tonnen an. Die jährlichen Umsätze des Betriebes liegen zurzeit bei etwa 40 Millionen Euro.
Bis zur Wende basierte die Informationstechnologie auf Produkten des damaligen DDR-Unternehmens Robotron. Nach der Privatisierung führte der neue Geschäftsführer das Produktionsplanungssystem (PPS) eines kleinen Softwarehauses ein, das jedoch in Konkurs ging. Daraufhin erwarb der Betrieb die Lizenzen, um das System selbst weiterzuentwickeln. „Immerhin gelang es der IT-Abteilung noch in 2008, sämtliche Funktionalitäten des Unternehmens abzubilden”, erzählt der heutige Pritzwalk-Geschäftsführer Dr. Carsten Binder. Allerdings arbeitete das DOS-basierte System ausgesprochen langsam. Dazu kamen die typische DOS-Bedienoberfläche und fehlende Mausunterstützung. Sich die vielen Tastatur-Kürzel anzueignen, die zur Bedienung notwendig waren, fiel gerade jungen Mitarbeitern schwer. „Wollten wir unsere täglichen Umsatzdaten abrufen, dauerte das manchmal bis zu fünf Minuten. Im Großen und Ganzen wurde zwar alles abgebildet, aber Geschwindigkeit, Flexibilität und Durchgängigkeit ließen doch zu wünschen übrig”, schildert Binder. Gemeinsam mit der Fachhochschule Brandenburg erfolgte darum eine Prozessanalyse im Werk, aus der Anwendungsbereiche und Anforderungen für ein zeitgemäßes Enterprise-Resource-Planning-System (ERP) abgeleitet wurden. Nach einer Validierung des Marktes blieben drei Systeme für die engere Auswahl übrig, die ein Kernteam aus Fachhochschul-Mitarbeitern, Geschäftsleitung und Keyusern aller Abteilungen mit einem konkretisierten Lasten- und Pflichtenheft unter die Lupe nahm.
Nachvollziehbare Fertigungsprozesse
Die Entscheidung fiel rasch für die ERP-Lösung Microsoft Dynamics NAV. Ein Hauptargument stellte dabei die für die Mitarbeiter vertraute Windows-Nähe der Software dar. Überdies bildete der Standard zu 90 Prozent die geforderten Funktionalitäten ab; spezielle Geschäftsprozesse wie die Ofenprotokolle der Härterei ließen sich durch einfache Anpassungen integrieren. Besondere Ansprüche etwa für die Qualitätssicherung decken heute Zusatzmodule des Softwarepartners Cosmo Consult ab. Neben Implementierungs- und Betreuungsprojekten entwickelt das Softwarehauszahlreiche zertifizierte Zusatzprogramme, die in die Unternehmenssoftware integriert sind. „Wir fertigen viele abnahmepflichtige Produkte für die Marine- und Offshoreindustrie sowie Energietechnik und Kraftwerksbau. Da kommt es darauf an, dass man die Produkte auch in Vorwärtsrichtung verfolgen kann”, erklärt Binder. Deshalb lässt sich ‘auf Knopfdruck’ feststellen, welche Produkte aus einer bestimmten Charge stammen oder aus welcher Rohmaterialcharge ein bestimmtes Zahnrad gefertigt wurde. Weitere Anpassungen erfolgten für die Härterei, in der jedes Produkt noch einmal eine Wärmebehandlung erhält. Hier wird der strikt durchgetaktete Fertigungsprozess unterbrochen, Chargen werden nach technischen Parametern wie der materialbedingten Einhärtetiefe durch die Wärmebehandlung zusammengestellt. Aus dem kontinuierlichen Fertigungsprozess wird so ein chargierter Prozess. Das ERP-System dokumentiert und archiviert den gesamten Wärmebehandlungsverlauf, der bis zu 70 Stunden dauert, einschließlich der Atmosphären-zusammensetzung. Zum Schluss der Härtephase bucht die Software alle Daten zu den Fertigungsaufträgen, sodass auch dieser Prozess für jedes Teil lückenlos nachvollziehbar ist.
Die Fertigung im Blick: Durch den Einsatz des neuen Unternehmenssystems hat der Betrieb Zugriff auf eine umfassende Produkt- und Chargenverfolgung. So lassen sich Bearbeitungsschritte genauso nachvollziehen wie beispielweise die verwendeten Rohmaterialchargen. Bild: Zahnradwerk Pritzwalk
Module für Datenerfassung und Qualitätsbewertung
Zu den durch den Softwarepartner entwickelten und implementierten Modulen gehören unter anderem CC-Mobile Solution, CC-Qualitätsmanagement und CC-Lieferantenbewertung. Mit CC-Mobile Solution erfolgt die gesamte Warenerfassung mobil per Barcode direkt im ERP-System, über das die Daten gespeichert und verarbeitet werden. Die Lieferantenbewertung beurteilt alle Lieferantennach einem tagesgenauen Raster und stuft sie nach ihrer Liefertreue und Qualität ein. Bei der Qualität gilt die Zahl der Reklamationen als Basis. Außerdem ermittelt der Betrieb damit auch die eigene Liefertreue. Alle Dokumentationen erfolgen innerhalb des Qualitätsmanagements. Ein Dreher, der seine Geometrie misst, also etwa Länge und Durchmesser, trägt sie hier ein. Auch die Härterei dokumentiert alle Vorgänge. Ein Workflow sorgt für das Zusammenspiel zwischen Vertrieb, Logistik und Einkauf, sodass etwa die Logistik sofort nach der Auftragsannahme den neuen Auftrag sieht. Damit entsteht eine umfassende Datensammlung, die den gesamten Fertigungsprozess umfasst. In der Endkontrolle messen die Werker die Teile noch einmal und erstellen ein Protokoll, das den jeweiligen Fertigungsaufträgen automatisch zugeordnet wird. Sämtliche Messprotokolle eines Auftragsdurchlaufs speichert das Unternehmenssystem und ordnet sie den Aufträgen zu; ebenso die Materialatteste, die dem Rohmaterial die Zusammensetzung der Legierung und die mechanischen Kennzahlen wie Zugfestigkeit und Härteverlaufskurven bescheinigen. Erst wenn alle Daten erfasst und ausgewertet sind, erfolgt eine endgültige Fertigmeldung und das Produkt kommt ins Fertigteillager. Auch die Fakturierung lässt sich genau verfolgen. Erstellt der Versand die Rechnung, erscheint der Betrag automatisch im Umsatz.
„Insgesamt hat sich bei uns einiges geändert − und damit verbessert. Vor allem ist die gute Übersichtlichkeit von Microsoft Dynamics NAV zu nennen. Die Umsätze, Fertigungsleistung und Auftragseingänge kann ich zu jedem Zeitpunkt auf Knopfdruck aktuell abfragen”, nennt Binder Vorzüge des neuen Systems. Der Geschäftsführer ergänzt: „Wir sehen uns als Qualitätsführer und Hersteller mit einem sehr breiten Spektrum. Da bieten uns zusätzlich zum durchgängigen ERP-Standard die Module von Cosmo Consult einen echten Mehrwert.” Da Binder ständig mit Kunden spricht, ist er darauf angewiesen, rasch Informationen über den Produktionsstand oder auch Zeichnungen aus dem System zu holen. Die verlässliche Steuerung der Fertigung und stets aktuelle Sicht auf die wirtschaftlichen Kennzahlen gibt ihm zudem Sicherheit bei unternehmerischen Entscheidungen. Binder erklärt: „Mit unserer IT sind wir allen Anforderungen des Marktes gewachsen und können höchsten Ansprüchen gerecht werden.” Die nächsten Projekte sind bereits geplant.
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