Compliance-Richtlinien abbilden

Fehlende Überwachung kann teuer werden

Rohs, WEEE, JIG, Reach, ELV – Diese Abkürzungen stehen für Verordnungen, die gut für die Umwelt und die Gesundheit sind. Für Entwickler stellen sie hingegen große Herausforderungen dar. Denn wenn ein Produkt gegen die entsprechende Gefahrgut-Richtlinie verstößt, kann das hohe finanzielle Auswirkungen haben. Neben unverkäuflichen Produkten und Strafzahlungen droht nicht zuletzt Imageverlust in einer für ‚grüne‘ Themen immer sensibleren Öffentlichkeit. PLM-Systeme mit Compliance-Überwachung helfen, dieses Risiko zu minimieren.

Bild: Fotolia – Hugo Berties

Vor allem in den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von Anforderungskatalogen in Gesetzesform gegossen, die Hersteller verpflichten, die Materialien in ihren Produkten nahtlos zu überwachen und zu dokumentieren. Die verschiedenen Verordnungen haben teils unterschiedliche geographische Geltungsbereiche oder sind auf bestimmte Branchen beschränkt. So ist die Richtlinie zur Einschränkung der Nutzung gefährlicher Materialien (Restriction of hazardous substances, Rohs) in der Europäischen Union gültig, ähnliche Regularien werden jedoch auch in anderen Ländern umgesetzt, Beispiele Kalifornien, China und Korea beispielsweise arbeiten ebenfalls mit entsprechenden Rohs-Regelwerken, auch die Schweizer Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) sieht entsprechende Auflagen für Unternehmen vor.

In den USA oder Japan sind ebenfalls Verordnungen im Entstehen. Dabei gilt Rohs nur für elektronische Geräte, die EU-Verordnung zur Autorisierung und Einschränkung von Chemikalien (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, Reach) erfasst dagegen alle Stoffe und Zubereitungen, die in Größen von mehr als einer Tonne pro Jahr in der EU hergestellt oder importiert werden. Damit betreffen die Richtlinien praktisch alle produzierenden Unternehmen. Für Firmen, die ihre Produkte nicht nur innerhalb der EU vertreiben, ist die Aufgabe noch komplizierter, da sie je nach Vertriebsgebiet verschiedene Richtlinien einhalten – und dies auch dokumentieren müssen.

Verpflichtungen für Hersteller, Zulieferer und Kunden

Compliance, also die Erfüllung dieser Richtlinien, erfordert, dass ein Hersteller eines Produktes oder einer Komponente einerseits seine Zulieferer dazu verpflichten muss, die Richtlinien einzuhalten und dies zu dokumentieren. Andererseits steht er selbst wiederum seinen Kunden gegenüber in der Pflicht, die Regularien einzuhalten und die erforderlichen Nachweise liefern zu können. Jeder Teilnehmer der Zulieferkette sammelt dazu die ‚von unten‘ kommenden Informationen und gibt sie ’nach oben‘ weiter. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die Informationen jederzeit aktuell und vollständig vorliegen.

Späte Prüfung kann hohe Kosten verursachen

Oft wird die Compliance erst in einem eher späten Stadium des Produktentstehungsprozesses überprüft. Dieses Vorgehen wirkt einerseits logisch, da zu diesem Zeitpunkt die Produktkomponenten und ihre Bestandteile weitgehend feststehen. Andererseits kosten Änderungen in diesem Stadium schnell hohe Summen und verschlingen Zeit. „Am besten wäre es, die Einhaltung der Regularien von Beginn an zu berücksichtigen. Dies erfordert allerdings zuverlässige und flexible Verwaltungswerkzeuge, weil die Zulieferteile eben auch erst im Entstehen begriffen und damit ihre Zusammensetzung noch nicht festgelegt sind“, sagt Lothar Köpping, Leiter des PLM-Kompetenz-Center DACH bei Dassault Systèmes, einem Anbieter für 3D- und Product-Lifecycle-Management-Lösungen. Eine sinnvolle Stelle für die Implementierung eines solchen Verwaltungswerkzeuges in der IT-Landschaft eines Unternehmens ist ein Product Lifecyle Management-System (PLM), das sich im besten Fall durch ein Compliance-Modul erweitern lässt.

 

Vorteile von Compliance-Funktionen im PLM-System

  • Entwickler, Produktverantwortliche und Qualitätsmanger können den Compliance-Status von Komponenten bereits in der Konstruktions- und Entwicklungsphase überprüfen.
  • Beispielsweise bei Bauteiländerungen gestattet der Abgleich von Compliance-Eigenschaften, die Aufwände für bestimmungskonforme Neu- und Umkonstruktionen zu vergleichen.
  • Der Anteil von Inhaltsstoffen, für deren Konzentration bestimmten Grenzwerte gelten, lässt sich über die Stücklistenhierarchie eines Produktes oder einer Anlage hinweg verfolgen.
  • Das Vorhalten aktueller, compliancekonformer Produktdaten erleichtert für Unternehmen die Erfüllung ihrer Dokumentationspflichten gegenüber Gesetzgebern, Behörden und Kunden.

PLM-System als Informationsschnittstelle

In einem PLM-System werden die Bauteile eines Produktes in der sensiblen Konstruktions- und Entwicklungsphase verwaltet, hier suchen Konstrukteure nach Wiederholteilen oder ähnlichen Produkten. Jedem eigenen oder zugekauften Teil lassen sich in Metadaten genannten Informationscontainern ein Compliance-Status und die entsprechenden Dokumente zuordnen, so dass sich Entwickler, Produkt- oder Qualitätsverantwortliche den Compliance-Status einzelner Teile, Komponenten aber auch des gesamten Produktes anzeigen lassen können. Der Status berücksichtigt, ob die Dokumente vollständig sind, so dass sehr schnell erkennbar wird, welcher Lieferanten noch in der Pflicht steht. Wird bei diesem ein neues Bauteil angefragt, können die relevanten Regularien gleich ‚mitgeliefert‘ werden, so dass das beauftragende Unternehmen von Beginn der Entwicklung an die Anforderungen kennt.

Präziser Blick auf Material und Inhaltsstoffe

„Zum Funktionsumfang zeitgemäßer Systeme gehören aber nicht nur die Überprüfung der Stückliste, sondern auch ‚What-if‘-Abfragen, beispielsweise um zu klären, ob ein Produkt auch in einem anderen Land den dort geltenden Regularien entspricht“, erläutert Köpping. Der Konstrukteur sieht am Compliance-Status in der PLM-Lösung außerdem, ob ein Bauteil, das er wiederverwenden möchte, den gewünschten Anforderungen entspricht, oder ob ein ähnliches Bauteil, das zwar überarbeitet werden müsste, dessen Zusammensetzung aber der Richtlinie entspricht, eventuell die bessere Wahl wäre. Verwendungsabfragen zeigen, in welchen Produkten ein nicht-kompatibles Bauteil verwendet wird, und ermöglichen so schnelle Reaktionen, wenn beispielsweise ein Stoff in eine für das Unternehmen gültige Verbotsliste neu aufgenommen wird. Zudem ist der Einsatz vieler Stoffe, dazu zählt beispielsweise Blei, nicht grundsätzlich verboten. Der Anteil dieser Materialien darf lediglich bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten. Entsprechend ausgelegte Software-Lösungen haben eine Funktion, die die Bleigehalte aller Bauteile über die gesamte Stücklistenhierarchie zusammenzieht und anzeigt, wie hoch der tatsächliche Anteil des Stoffes ist. So lassen sich Szenarien testen, beispielsweise wenn ein Teil durch ein anderes mit höherem Bleigehalt ersetzt werden soll.

Zentrale Datenbank erhöht Sicherheit der Abläufe

Ergänzen Unternehmen ihre PLM-Systeme durch Compliance-Module oder Funktionen, bringt dies in vielen Fällen Ineffizienzen in Prozessen ans Tageslicht, die durch organisatorische Änderungen eliminiert werden können. „Wichtig ist, dass die Mitarbeiter aus Entwicklung, Konstruktion, Einkauf sowie Umwelt- und Regulierungsüberwachung mit einem System arbeiten, das auf einer einzigen, zentralisierten Datenbank beruht. Nur so stehen jedem der Mitarbeiter die gleichen Daten zur Verfügung“, sagt Köpping. Kompliziert hingegen wird es, wenn Unternehmen mehrere eigenentwickelte Compliance-Lösungen in Betrieb haben. Dabei besteht nicht nur die Gefahr, dass Mitarbeiter mit unterschiedlichen Daten arbeiten. Zudem summieren sich Kosten etwa für Lizenzen, Schulung, Beratung, Datenimport, Administration und Softwareintegration. „Ob sich der Einsatz integrierbarer Compliance-Lösungen lohnt, zeigt eine einfache Kalkulation. Wenn eine Lieferung beispielsweise in die EU, unterbrochen wird, übersteigt dies die Implementierungskosten – um mindestens das hundertfache“, sagt Köpping.