Werkzeuge für angespannte Lieferketten

Supply Chain auf Vordermann gebracht

Die globalen Lieferketten stehen weiter unter Druck und es kommen gefühlt eher neue Störungen hinzu, als sich bestehende auflösen. Solche Probleme sind für europäische Abnehmer doppelt ärgerlich: Es verzögert die Auslieferung ihrer Waren und sie erfahren oft nicht einmal, wann sie mit der Lieferung rechnen können. Guter Kundenservice sieht anders aus. Wie Unternehmen das besser machen können, schildert Antony Francis, Supply Chain & Logistics SME bei Endava.

(Bild: ©enanuchit/stock.adobe.com)

Immer wieder kam es während der Pandemie zu Unterbrechungen in der Produktion, die zu einem Mangel an Waren führten. Anfangs wurden Werke geschlossen, um die Belegschaft vor Infektionen zu schützen. Später fehlten vielerorts die benötigten Rohstoffe. Das prominenteste Beispiel dafür dürften Mikrochips sein. Sie wurden im Frühjahr 2020 aufgrund der Werksschließungen vor allem bei Autobauern in Europa weniger stark nachgefragt. Daraufhin wandten sich die Produzenten in Ostasien verstärkt anderen Abnehmern zu. Das ist jetzt für die europäischen Kunden ein Problem, denn die Chip-Produktion reicht noch immer nicht aus, die Nachfrage aller Märkte zu decken.

Gleichzeitig wird das weltweite System der Lieferketten immer weiter auf Effizienz getrimmt – Resilienz blieb dabei oft auf der Strecke. Megaschiffe können zwar immer mehr Container transportieren, doch kommt es zu Problemen, sind dadurch wesentlich mehr Lieferungen betroffen als bei einem Transport mit mehreren kleineren Schiffen. Die fortwährende Effizienzsteigerung der letzten Jahre und Jahrzehnte konzentrierte Risiken, statt sie zu streuen, nicht nur für den Transport. Auch in der Produktion arbeitet ein zentrales Werk effizienter als viele verteilte Kleinbetriebe. Fällt dieses zentrale Werk aber aus – sei es aufgrund einer Naturkatastrophe oder Pandemie – ist der Schaden umso größer.

Transparenz durch Daten

Am Ende der Supply Chain stehen die Kunden, die mehr denn je im Internet einkaufen – oft mit der Erwartung, dass die bestellten Waren innerhalb weniger Tage vor ihrer Tür liegen. Die Realität sieht indes oft anders aus: Verzögerungen, ‚Lieferdatum unbekannt‘ und stornierte Bestellungen. Das sorgt für Frust, bei Händlern und vor allem bei der Kundschaft. Unternehmen müssen daher die komplexe Lieferkettensituation besser überblicken und bestmöglich für sich nutzen. Daten sind dafür essenziell, vorausgesetzt sie werden effektiv genutzt:

1. Durchgängige Transparenz erreichen

Im ersten Schritt sollten Unternehmen sich einen Überblick über ihre Daten verschaffen und sicherstellen, dass alle erforderlichen Prozesse digitalisiert sind. Müssen Daten beispielsweise an einer Stelle noch manuell übertragen werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier zu Verzögerungen kommt oder sich Fehler einschleichen. Darüber hinaus könnten Unternehmen aber auch eine zentrale Plattform brauchen, in der alle Datenquellen integriert sind. Eine solche Single Source of Truth kann verhindern, dass es zu Datenbrüchen kommt, da alle Daten über eine Lieferung automatisch zusammengeführt werden und in die Informationssysteme entlang der Lieferkette eingespeist werden.

2. Kritische Prozesse im Blick halten

Wer nicht weiß, wo und wann welche Störungen in der Lieferkette auftreten, ist auch nicht in der Lage, rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Supply Chain Event Management (SCEM) verspricht hier Abhilfe: In dieser Lösung werden kritische Prozesse entlang der Wertschöpfungskette überwacht. Kommt es zu Abweichungen vom geplanten Verlauf der Produktlieferung, leitet das SCEM Gegenmaßnahmen ein. Diese sollen die Störung beheben und eine planmäßige Fortsetzung ermöglichen oder alternative Lösungsmöglichkeiten bieten. Unternehmen erreichen dadurch mehr Transparenz über weite Teile der Lieferkette, da im Idealfall alle Abläufe kontinuierlich überwacht und gesteuert werden können.

3. Kunden informieren

Wenn Händler aus ihrer SCEM-Lösung ablesen, wie sich Störungen in ihren Supply Chains auf ihre Lieferzeiten auswirken, ist das meist schon eine erhebliche Verbesserung. Aber auch Kunden sollten diese Informationen erfahren. Dafür können Unternehmen ihre Systeme für das Auftragsmanagement in ihre Kundendienstanwendungen integrieren. Die Kundendienstmitarbeiter erhalten dadurch Informationen, um ihre Kontakte auf verspätete Lieferungen hinzuweisen. Informieren Firmen die Kunden nicht, steigt das Risiko, dass diese ihre Bestellung stornieren und der Händler auf den Waren sitzen bleibt.

4. Den gesamten Bestand berücksichtigen

Viele Anwendungen zur Bestandsverwaltung berücksichtigen nur die Eingangs- und Ausgangsmengen von Waren. Aufträge, die aktuell bearbeitet werden, sowie künftige Lieferungen werden dabei außen vor gelassen. Die Folge: Kunden erfahren zwar, dass die von ihnen bestellten Artikel nicht mehr vorrätig sind, aber nicht, wann diese wieder im Bestand sein werden. Available-to-Promise-(ATP)-Algorithmen integrieren dagegen alle vorhandenen und zukünftigen Bestandsbewegungen, sodass Unternehmen ihren Kunden ein genaues Lieferdatum nennen können. Gleichzeitig ermöglichen sie ihnen, den Warenbestand so gering wie möglich zu halten und Lagerräume effizienter zu nutzen.

5. Verspätungen im Importprozess vermeiden

Ein wichtiger Teil beim Import sind die Informationen, die mit jeder eingehenden Sendung verbunden sind. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Dokumentenmatrix, in der Informationen in einer Vielzahl von Dokumenten ausgetauscht und wiederholt werden. Fehlen Dokumente oder werden verspätet ausgefüllt, müssen Unternehmen darüber Bescheid wissen, damit sich der Import nicht weiter verzögert. An dieser Stelle kommt ein operatives Dashboard zur Synchronisierung des Dokumenten-Workflows ins Spiel: Es überwacht die verschiedenen Dokumente und zeigt an, wenn sie ausgefüllt werden müssen, um die Fristen einzuhalten.

Daten im Krisenmanagement

Ob Pandemien, Naturkatastrophen, Unfälle oder geopolitische Ereignisse – die Supply Chain ist ein sensibles Gebilde, das es zu schützen gilt. Besonders die Entwicklungen des vergangenen Jahres und aktuelle Herausforderungen verdeutlichen, wie wichtig Daten für Unternehmen sein können, wenn sie effektiv genutzt werden.