Lastenheft als Fundament der MES-Integration

Abbildung: Rollen und Phasen im Analyseprozess
Abbildung: Rollen und Phasen im AnalyseprozessBild: ATS Gesellschaft für angewandte technische Systeme mbH

Eine Anforderungsspezifikation bildet die Grundlage für eine effektive Kommunikation, Vereinbarung, Entwicklungsanleitung, Projektmanagement, Umfangskontrolle, Risikomanagement und künftige Referenz während des gesamten Lebenszyklus eines Digitalisierungsprojektes. Zusätzlich werden entscheidende Kriterien einer erfolgreichen Umsetzung in Bezug auf Qualität, Planungssicherheit und Kosteneffektivität behandelt. Eine Anforderungsspezifikation, die oft auch als Software- oder Systemanforderungsspezifikation bezeichnet wird, umfasst eine Reihe von Dokumenten und Kapiteln, die detailliert beschreiben, welche Funktionen ein technisches System oder eine Softwareanwendung erfüllen soll. Sie stellt eine entscheidende Komponente im Design-, Entwicklungs-, Test-, QS- und gegebenenfalls Zertifizierungsprozess dar. Die Notwendigkeit einer Anforderungsspezifikation kann beispielsweise wie folgt verstanden werden und sollte dabei Folgendes berücksichtigen:

Klare Kommunikation: Die Anforderungsspezifikation sichert ein gemeinsames Verständnis der Beteiligten (Kunden, Entwickler, Tester, Zertifizierer, Trainer, Key-User, Anwender usw.) über die vom System erwarteten Funktionalitäten und Merkmale.

Basis für vertragliche Vereinbarungen: In Kunden-Lieferanten-Beziehungen dient die Anforderungsspezifikation als formelle Vereinbarung oder Vertrag zwischen dem Kunden und dem Entwicklungsteam. Sie hilft, Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden, indem sie die Erwartungen definiert.

Beschreibung fachlicher, organisatorischer und strategischer Elemente: Die Anforderungsspezifikation beschreibt die Anforderungen auf fachlicher, organisatorischer sowie strategischer Ebene in Form von User-Stories.

Technologische Aspekte und System- sowie Plattformauswahl: Eine Anforderungsspezifikation bildet Grundlage zur Auswahl einer geeigneten Technologie und Engineeringplattform sowie der geeigneten Integrationspartner.

Leitfaden für Design, Engineering, Test, QS und Zertifizierung: Die Anforderungsspezifikation dient als Blaupause für Entwickler und bietet eine Anleitung für die Erstellung des Systems. Sie hilft bei der Aufteilung des Projekts in überschaubare Aufgaben und ermöglicht eine präzise Meilensteinplanung sowie eine belastbare Kostenschätzung.

Grundlagen für Systemkonfiguration und Template-Generierung: Die ausführliche Spezifikation der Anforderungen bildet die Grundlage für die Systemkonfiguration und Generierung von Vorlagen. Dies ermöglicht es dem Engineering, Vorlagen zu nutzen und den Entwicklungs- und Deploymentprozess in Multisite-Projekten auf Vorlagenbasis umzusetzen.

Planung und Fortschrittskontrolle: Die Anforderungsspezifikation bildet die Grundlage für die Planung des Projekts, einschließlich einer Meilensteinplanung und der Festlegung von Fristen.

Qualitätssicherung: Sie definiert Testfälle und stellt sicher, dass das entwickelte System die Kriterien erfüllt, wodurch sie zu einem Maßstab für die Qualitätssicherung wird.

Programm- und Projektmanagement: Sie legt Anforderungen an die Qualifikation der Rollen fest und erfordert die Installation eines Programmmanagements sowie eines Center of Excellence.

Leistungsumfang: Die Anforderungsspezifikation grenzt den Leistungsumfang des Projekts ab, um eine unkontrollierte Ausweitung durch Änderungen oder Wachstum zu vermeiden.

Risikoerkennung und -management: Sie ermöglicht die frühe Erkennung potenzieller Risiken und Herausforderungen im Projekt und arbeitet somit dem Risikomanagement zu.

Zukunftsbezug und Reifegradmodell: Die Anforderungsspezifikation dient als Referenzdokument für künftige Wartung, Upgrades sowie Erweiterungen und bietet Einblicke in die ursprünglichen Designentscheidungen und Funktionalitäten.

Benutzerzufriedenheit: Sie stellt sicher, dass das Ergebnis den Bedürfnissen und Erwartungen der Benutzer entspricht und berücksichtigt die Einbindung aller beteiligten Anwender, von Werker an den Anlagen bis zum Shop-Floor Management.

Kosteneffizienz: Passend definierte Anforderungen tragen dazu bei, die Wahrscheinlichkeit von Nacharbeiten an dem System zu verringern. Optimierungen auf Grund von in der Inbetriebnahme gewonnenen Erkenntnissen sollten im Gesamtkonzept berücksichtigt werden.

Rollen und Phasen im Analyseprozess

Die in einer Anforderungsanalyse erarbeiteten Themen und Sachverhalte lassen sich als User Stories beschreiben. Eine User Story ist eine in Alltagssprache formulierte Software-Anforderung, die bewusst kurzgehalten ist und in der Regel nicht mehr als zwei Sätze umfasst. Diese Stories ermöglichen u.a. eine klare Darstellung der aktuellen Arbeitsweise und betrachten andere Soll- und Muss- Aspekte. Ihr Zweck besteht darin, die Perspektive und Bedürfnisse des Endbenutzers zu veranschaulichen und dabei informell und leicht verständlich zu bleiben. Die Formulierung von User Stories als Ergebnis der Analyse von Anforderungen und Wünschen aller am Herstellprozess Beteiligten vermittelt dem Unternehmen ein Verständnis über die aktuelle Arbeitsweise und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf. Die Erfahrung zeigt, dass der Umfang einer Anforderungsspezifikation zu Beginn nicht mehr als 30 bis 50 User Stories umfassen sollte. Diese müssen zwischen Unternehmen und Implementierungspartnern in Folgeworkshops detailliert werden. Diese Besprechungen sind aber schon Teil des MES-Projekts und finden in der nächsten Phase statt, der Detailspezifikation. Anzumerken ist, dass die Detailanalyse und Abbildung auf Technologie, Implementierung und abgeleitete Folgeprozesse iterativ erfolgen kann. Wichtig bei der Implementierung einer MES/MOM-Software ist es zudem, die Bedürfnisse und Anforderungen aller wichtigen Rollen zu berücksichtigen.

Beispiel einer User Story

Aus der Perspektive des Schichtleiters könnte die zu definierende Anforderung wie folgt lauten:

Ist-User-Story: ‚Als Schichtleiter disponiere ich Aufträge und Material, um eine kontinuierliche Auslastung der Produktion bei bestmöglicher Ressourcenauslastung und Produktqualität sicherzustellen.‘

Daraus lässt sich die Anforderung an die IT ableiten:

Soll-User-Story: ‚Als Schichtleiter benötige ich aktuelle Kennzahlen über die Effektivität der Produktion hinsichtlich Auslastung und Qualität, um eine kontinuierliche Auslastung der Produktion bei bestmöglicher Ressourcenauslastung und Produktqualität sicherzustellen.‘

Oder auch: „Als Schichtleiter erwarte ich, dass der Informationsfluss zur Interaktion zwischen den am Herstellprozess beteiligten automatisch ausgelöst wird, sobald Abweichungen von Start- und Randbedingungen prognostiziert werden, die einen Einfluss auf die Auslastung der Produktion, die Ressourcenauslastung und Qualität haben werden.“

Grundlage für Implementierung gelegt

Liegen die User Stories detailliert vor, kann ein Implementierungspartner diese direkt in sein Managementsystem übernehmen oder mit dem Unternehmen eine gemeinsame Managementplattform einrichten. Zusammen mit den anderen Bestandteilen und Perspektiven eines gut ausgearbeiteten Lastenheftes steht eine MES-Einführung so auf einem soliden Fundament

Autor:

Andreas Holz ist MES Consultant Manufacturing Operation Management bei ATS Global DACH (ATS Gesellschaft für angewandte technische Systeme mbH)







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