Konferenztools wie Zoom und Teams veränderten die Wirtschaft letztes Jahr schlagartig. Durch ihre forcierte Akzeptanz habe die Industrie einen drei- bis vierjährigen Digitalisierungssprung vollzogen, sagt Uwe Bergmann, Vorstandsvorsitzender von Cosmo Consult, einem der größten Microsoft-Partner Deutschlands. Im Gespräch schildert er außerdem, warum die Automatisierung einst klassischer Dienstleistungen gut für das Geschäft ist.
Uwe Bergmann, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Cosmo Consult AG. Neben dem Geschäft der gesamten Unternehmensgruppe verantwortet er die Bereiche Business Development, Marketing und Human Resources.(Bild: Cosmo Consult SSC GmbH)
Als Digitalisierungspezialist sollte Cosmo Consult gute Anlagen haben, durch die Pandemie zu kommen. Wie wirken Lockdown und Co. in Ihrer Firma nach?
Uwe Bergmann:Von der Infrastruktur- und Technologieseite waren die Umstellungen relativ problemlos. Alle Mitarbeiter haben mobile Geräte und bei uns hat eigentlich fast jeder schon einmal von Zuhause aus gearbeitet. Doch natürlich haben wir uns zu Beginn der Pandemie gefragt, wie es unseren Kunden geht, was mit den Lieferketten geschieht und mit den laufenden Projekten. Aber nach einer kurzen Zeit des Innehaltens haben viele unserer Kunden beschlossen, die freie Zeit in die Digitalisierung zu investieren. Dabei hat die Industrie in diesen wenigen Monaten eine Entwicklung von ansonsten drei bis vier Jahren vorweggenommen. Denn der einsetzende Investitionsschub in Infrastruktur wie Mobilgeräte und Tools wie Microsoft Teams erfasste jede Firma und jede Branche. Die Akzeptanz von Online-Meetings war plötzlich keine Frage mehr. Das hat die Geschäftswelt nachhaltig verändert. Auch unsere, denn obwohl wir bereits Erfahrungen mit Online-Implementieren hatten, waren wir weit von der Vorstellung weg, in diesem Umfang komplexe Implementierungen wie einen ERP-Rollout komplett online zu organisieren. Wir waren überrascht, wie gut das von Kunden und Mitarbeitern aufgenommen wurde und das wird es künftig häufiger geben.
Mit Beschleunigungseffekt?
Bergmann:Ich glaube ja! Tendenziell sind Online-Meetings kürzer und fokussierter. Beteiligte finden schneller einen kurzfristigen Termin. Die Anreise entfällt, Vor- und Nachbearbeitung der Besprechungen verkürzen sich. Beide Seiten sparen viel Zeit.
Sinken die Projektkosten?
Bergmann:Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber wir arbeiten ohnehin laufend an Werkzeugen, um klassische Implementierungen zu beschleunigen. Zum Beispiel haben wir kürzlich einen digitalen Berater entwickelt, der viele Aufgaben rund um den Software-Rollout automatisiert, der assistiert und Kunden ermöglicht, Dinge alleine oder mit geringerer Unterstützung zu erledigen. Mit Cosmo College steht ein Online-Angebot mit standardisierten Schulungen zur Verfügung und unser Support-Bot beantwortet dringende Fragen zu jeder Uhrzeit. Auch unsere Kunden arbeiten anders als früher. Viele fangen vormittags an, holen zwischendurch ihre Kinder von der Schule ab oder gehen einkaufen, bevor sie weiterarbeiten. Verfügbarkeiten lassen sich kaum noch zu 100 Prozent synchronisieren. Darauf zielen unsere digitalen Services ab. Außerdem sollen sie Dauer und Kosten für die reine Implementierung einer Software reduzieren, und so mehr Raum etwa für Prozessberatung und Change Management schaffen. Wollen Firmen ihre Wertschöpfung enger mit der Digitalisierung verknüpfen, werden solche Aufgaben wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Das ERP-System wird dabei zur Commodity, einer Handelsware?
Bergmann:Jedenfalls das, was daran Commodity ist. Sicher gibt es bei ERP-Implementierungen spezielle Lösungswege bei Produktions- oder Logistikprozessen. Aber die klassische Einrichtung von Systemen geht bei einer gewissen Kompromissbereitschaft eigentlich recht schnell. Und diesen Teil wollen wir weitgehend automatisieren, denn Komplexität haben sie heutzutage ohnehin. In aktuellen Projekten führen wir selten ein ERP-System alleine ein. Es kommen in der Regel Tools wie CRM, Modern Workplace, Dokumentenmanagement oder Business Intelligence hinzu, manchmal alles zusammen. Wenn sie also eine Stelle des Projektes vereinfachen, bleibt ihnen tendenziell mehr Zeit für die knifflige Aufgabe, alle Lösungen sinnvoll zusammenzubringen.
Mit Digitalisierung, Modern Workplace und mobilem Arbeiten sind zentrale Begriffe vieler New Work-Konzepte gefallen. Funktioniert New Work außerhalb der IT-Branche?
Bergmann:Natürlich lässt sich Handwerk nicht digitalisieren, wobei Automatisierung und Robotik auch hier künftig Grenzen verschieben dürften. Aber New Work ist nicht nur Home Office, sondern meint eine Flexibilisierung der Arbeitszeit insgesamt – und das Umfeld, in dem gearbeitet wird. Das heißt nicht, die Wände bunt zu streichen und einen Kickertisch aufzustellen. Aber bespielsweise wie Mitarbeiter Pausen verbringen und wie die Werkhalle gestaltet ist, da gibt es durchaus Möglichkeiten, das Arbeitsumfeld zu verbessern.
Viele produzierende Unternehmen sind im letzten Jahr von den Digitalisierungsanforderungen überrascht worden. Wie ließen sich diese damals kurzfristig angesetzten Projekte denn in eine sinnvolle Strategie überführen?
Bergmann:Falls noch nicht geschehen, sollten Firmen eine digitale Vision mit langfristigen Zielen entwickeln. An diesem Zielbild lassen sich die nächsten Aufgaben ableiten und priorisieren. Unternehmen sollten sich fragen, wie sie künftig mit ihren Kunden und Lieferanten kommunizieren, wie sie ihre Produkte und Dienstleistungen ausrichten. Gut funktioniert dabei aus meiner Sicht, den Weg zu den langfristigen Zielen mit kurzfristig erzielbaren Erfolgen zu flankieren. Gerade im Bereich IoT stehen Fertigungsunternehmen unfassbar große Hebel zur Verfügung, Kosten zu sparen.
Welche denn?
Bergmann:Hier bewegen wir uns im Feld konkreter Anwendungsfälle. Einer davon betrifft das Shutdown- & Turnaround Management in einer Raffinerie. Diese quadratkilometergroße Anlagen herunterzufahren, beschäftigt bis zu 10.000 Menschen einige Wochen lang. Schon so etwas einfaches wie eine digitale Rückmeldung spart da mitunter Kosten in zweistelliger Millionenhöhe.
Die Technik dafür gibt es schon lange. Welches Momentum wirkt in der Branche, jetzt damit anzufangen?
Bergmann:Die Erfolgserlebnisse bei digitalen Umstellungen im letzten Jahr haben sicherlich geholfen. Die Firmen haben gemerkt, dass sie innerhalb von drei Monaten die Belegschaft ins Home Office schicken und noch dazu alle Rechnungsprozesse digitalisieren können. Und dass es aufgrund verfügbarer Standards weder sehr kompliziert ist, noch viel internes Vorwissen erfordert. Zwar kommen für mein Verständnis gerade große Unternehmen noch viel zu langsam voran. Aber die Digitalisierung ist jetzt wenigstens überall angekommen. Entscheider werden am Ende des Jahres gefragt, was sie in diesem Feld erreicht haben.
Der Digitalisierungsdruck auf Unternehmen war letztes Jahr unvergleichlich hoch. Was steht der weiteren Beschleunigung im Weg?
Bergmann:Wahrscheinlich ist das eine Frage der Geisteshaltung. Ich könnte mir vorstellen, dass viele nicht genau wissen, wie sie die Digitalisierung in ihrem Verantwortungsbereich starten sollen, sich aber andererseits ungern von außen hereinreden lassen wollen. Es ist auch nicht förderlich, wenn aktionistisch vereinzelte Projekte im Unternehmen vorangebracht werden, die kein Teil einer Strategie oder Vision sind. Um doppelte und dreifache Arbeit zu vermeiden, müssen die Fäden unbedingt zusammengehalten werden. Dabei ist die Komplexität insgesamt durch die ganzheitlichen Ansätze stark gestiegen. Da dauert in manchen Firmen bereits die Entscheidung ewig, ob Daten an eine Cloud verschickt werden sollen oder nicht.
Als einer der größten Microsoft-Partner Deutschlands haben Sie dazu eine eindeutige Position.
Bergmann:Eigentlich liegt die Entscheidung auf der Hand. Mit Blick auf die teils existenzbedrohenden Auswirkungen von Cyberangriffen, die Unternehmen heute zu schaffen machen, frage ich mich, wer für die Datensicherheit nicht lieber einen Spezialisten beauftragen würde. Damit ist zumindest schon einmal eine Basissicherheit hergestellt. Unternehmen sollten sich fragen, ob diese Aufgabe wirklich in das Feld ihrer Kernkompetenzen zählen muss.
Wie gehen Sie vor, wenn sie bei einem mittelständischen Fertiger den richtigen Mix aus Cloud- und On-Premise-Infrastruktur ausloten?
Bergmann:Das hängt von der bereits verfügbaren Infrastruktur im Unternehmen ab. Meistens wandern sukzessive diejenigen Systeme in die Cloud, die erneuert werden sollen. Das neue CRM-System kommt dann eben nicht mehr vom eigenen Server, sondern aus der Cloud. Einen Zwischenschritt ermöglichen wir mit unserer Cosmo Cloud, das ist eine Cloud-Hosting-Lösung und kein Full-SaaS. Damit können Firmen ihre gekaufte Software in der Cloud hosten, schließlich lassen sich viele Systeme noch immer nicht so einfach vollständig migrieren. Und hier und da unterstützen die verfügbaren Datenleitungen auch im Jahr 2021 noch nicht jeden Lösungsweg.
Welchen Kurs schlägt ihr amerikanischer Partner Microsoft derzeit ein?
Bergmann:Die Innovationsgeschwindigkeit unseres Partners ist insgesamt rasant. Aktuell baut Microsoft verstärkt die branchenspezifischen Angebote aus, eines davon ist die Microsoft Manufacturing Cloud. Unternehmen finden darin spezialisiertere Anwendungen für HoloLens, Field Service, zur Automatisierung von Abläufen und so weiter. Positiv fällt uns dabei auf, dass die Lösungen auf den Plattformen immer nahtloser integriert sind, was früher nicht immer der Fall war. Eins der wichtigen neuen Themen sind sicherlich die Power Apps. Die könnten die Art und Weise fast grundlegend verändern, wie Unternehmen künftig eigene Anwendungen erstellen. Eines unserer Teams hilft Kunden unter anderem beim Wissensaufbau, um zunehmend komplexe Anwendungen in Eigenregie erstellen und pflegen zu können.
Also zurück zu den Insellösungen für jede Abteilung?
Bergmann:Nein, da unsere Kunden Strukturen aufbauen, um unternehmensinterne Standards zu erarbeiten und durchzusetzen. Es gibt eine deutlich sichtbare Entwicklung in der Industrie, benötigte Software-Funktionen nicht mehr wie früher im ERP-System unterzubringen. Wir sehen viel mehr vernetzte Systeme, mit einer Plattform darunter. Sicher sind etwa bei Buchungsprozessen ERP-Systeme weiter führend. Aber am Rand dieser Anwendungen werden viele Funktionen benötigt, die früher unter hohem Aufwand ins ERP integriert wurden. Heute schreiben wir dafür in einem Bruchteil der Zeit eine Power-App – oder unsere Kunden erledigen es sogar selbst. Produzenten werden demnach in ihren Organisationen künftig mehr IT nutzen, aber dafür nicht unbedingt mehr IT-Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
Die Säge am eigenen Geschäftsmodell?
Bergmann:Eigentlich ja, gerade mit Blick auf unseren digitalen Berater. Aber Disruption gehört zur Digitalisierung dazu und sie zeigt anderseits ja ständig neue Aufgaben auf. Automatisierung schafft Raum, sich auf wirklich komplizierte Dinge konzentrieren zu können. Das Zusammenspiel von ERP- und CRM-Systemen, von Dokumentenmanagement, Office und Teams – diese ganzen Datenströme für Nutzer so einfach wie möglich aussehen zu lassen, ist hochkomplex. Über diese Fähigkeit verfügen wir und solche Aufgaben wollen wir übernehmen, anstatt Dinge zu tun, die unsere Kunden auch selbst erledigen können. (ppr)
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