Synchrone Prozesse in der Produktion

Ohne gute Planung
keine Industrie 4.0

Zu den Zielen einer Industrie 4.0 passt es kaum, dass geschätzte 99 Prozent der europäischen Hersteller, einschließlich weltbekannter Unternehmen, ihre Produktion mit Excel, oder Papier und Stift planen. Zwar verlassen viele Waren später Just in Sequence das Lager, doch der Takt der Produktion ist davon weit entfernt.

(Bild: ©Nataliya Hora/Fotolia.com)
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Heutzutage sind in vielen Unternehmen MES- und WMS-Anwendungen bereits mit dem ERP-System verknüpft. Immer mehr Unternehmen nehmen aktuell eine Internet-of-Things-Anwendung in Betrieb oder richten M2M-Kommunikation ein. Bei aller Digitalisierung und Vernetzung bildet eine Produktionsfeinplanung das Gehirn einer Fabrik, und sämtliche Organe des Unternehmens sind darauf ausgerichtet, ihre jeweiligen Tätigkeiten Just in Time auszuführen. Wenn die Feinplanung mangelhaft ist oder gar fehlt, entstehen teure Verschwendungen. In einschlägigen Fachkommentaren und -artikeln zum Thema Industrie 4.0 wird das Thema Produktionsplanung aber oft kaum behandelt.

Wer fertigt Just in Time?

Hierzulande redet man seit über 20 Jahren über Just-in-Time- oder Just-in-Sequence-Lieferung in der Automobilindustrie. Welche Unternehmen schaffen es tatsächlich, Just in Time zu produzieren? In der Realität wird ein Logistik-Zentrum geführt und von dort aus erfolgt die Just-in-Sequence-Lieferung an die Montageabteilung. Die Abteilung für Produktionsplanung beschäftigt sich oft nicht vorrangig mit echter Planung, sondern überwiegend mit Feuerwehrtätigkeiten, um die Lagerbestände unter Kontrolle zu halten.

Zwei komplexe Systeme

Ein Zukunftsprojekt im Rahmen von Industrie 4.0 ist die sogenannte Smart Factory, in der Fertigungsanlagen und Logistiksysteme autonom – ohne menschliche Eingriffe – untereinander kommunizieren und sich weitgehend selbst organisieren. Ein perfektes Beispiel für ein autonomes System ist der menschliche Körper. Übertragen auf die IT-Landschaft eines Produzenten übernähme das ERP-System die Funktion des menschlichen Großhirns, welches für das kognitive Erkennen, das Gedächtnis, die ‚Datenverarbeitung‘, das Denken, die Beurteilung und die Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Das MES erfüllt die Rolle des somatischen Nervensystems und ist wichtig für unsere Beziehung zur Außenwelt über Sinnesorgane, Muskeln, Haut. Die Rezeptionsfunktion übermittelt dem Gehirn den Befehl, den Körper als Antwort auf die empfangenen Informationen zu bewegen. Das Internet of Things erfüllt die Rolle des peripheren Nervensystems und sendet Informationen über ein Kommunikationsnetzwerk im Körper an das zentrale Nervensystem, während die vom zentralen Nervensystem gesendeten Befehle an jeden Körperteil übermittelt werden.

(Bild: ©ekkasit919/Fotolia.com)
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APS als Zwischenhirn

Das APS erfüllt im Vergleich mit dem menschlichen Körper eine der vielen Funktionen des Zwischenhirns, das als ‚Tor zum Bewusstsein‘ gilt. Es steuert unter anderem autonome, sympathische und parasympathische Nerven und kommuniziert mit der Großhirnrinde und dem Rückenmark. So kann ein gesunder menschlicher Körper zielorientierte, harmonische Bewegungen machen. Für ein Produktionsunternehmen ist das APS genau dieser wichtige Teil des Gehirns, um Aufträge harmonisch zu fertigen, das heißt via synchrone Prozesse die kürzest mögliche Durchlaufzeit zu erreichen. Hierzu werden die Haupt- und Subressourcen sowie die Materialverfügbarkeit geplant und gesteuert.

Ist Autonomie immer klug?

Viele Fachbeiträge sagen aus, dass Produktionsressourcen wie Produktionsanlagen oder Roboter Informationen direkt untereinander in Echtzeit austauschen und die Abläufe und Termine selbstständig untereinander koordinieren sollten. Um beim Vergleich mit dem menschlichen Körper zu bleiben, würden die Gliedmaßen untereinander direkt kommunizieren und sich untereinander koordinieren – ohne das Zwischenhirn als Schaltstelle. Das dürfte kaum funktionieren. Oft wird in den einschlägigen Diskussionen die Rolle der Produktionsplanung ausgespart. Das könnte am fehlenden Bewusstsein und Unkenntnis des Topmanagements liegen: Viele verkennen die Realität im eigenen Unternehmen und glauben, dass mit einem Gespann aus ERP- und MES-Anwendung hinreichend geplant werde, obwohl die Planer in der Praxis mit Excel oder ‚Händen und Füßen‘ planen. Tatsächlich kann dieses Systemgespann kaum für Prozesssynchronisierung und eine bestmögliche Reihenfolgeplanung sorgen.

(Bild: ©kalafoto/Fotolia.com)
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Management hat OEE im Blick

Wenn Maschinen untereinander kommunizieren und auf das automatische Füllen von Kapazitätslücken eingestellt sind, spricht das für ein OEE-fokussiertes Denkschema des Managements. In der Praxis ist immer wieder zu hören, dass die zentrale Vorgabe von CEO und CFO an die Produktion auf den OEE abzielt. Die Argumentation lautet: „Maschinen mit teurem Stundensatz müssen immer laufen.“ Der Autor dieses Beitrages hält das für falsch, aus einem einfachen Grund: Ob die Maschine läuft oder nicht, hat keinen Einfluss auf deren existierenden Fixkosten. Variable Kosten hingegen können beeinflusst werden. Der größte Faktor hierbei sind heutzutage die Materialkosten, die bei vielen Produktionsunternehmen mehr als 70 Prozent der Herstellungskosten ausmachen. Die Devise müsste also lauten: produziere nur, was gebraucht wird, wenn es gebraucht wird und nur soviel gebraucht wird. In anderen Worten sollten Engpassressourcen immer laufen, andere Ressourcen nur bei Bedarf. Das ist das Geheimnis des Toyota Produktionssystems, nämlich Taktzeit-Produktion als Fundament für Prozesssynchronisierung und Just-in-Time Produktion.

APS für Industrie 4.0

Eine Advanced Planning and Scheduling-Software ist als fehlendes Glied zwischen ERP und MES zu betrachten. Bevor Produktionsunternehmen das Ideal von Industrie 4.0 konzipieren, sollte das Top-Management seine Methoden und Systeme zur Produktionsplanung analysieren und auf ihre Effizienz hinterfragen. Denn asynchrone Prozesse, lange Produktionsdurchlaufzeit und hohe Bestände werden hauptsächlich durch mangelhafte Produktionsplanung verursacht. Ein gutes Feinplanungs-Tool erteilt Produktionsaufträge an einzelne Ressourcen mit Vorgaben zur Reihenfolge. Diese wiederum ist Voraussetzung für eine Prozesssynchronisierung. Genauigkeit und Timing der Reihenfolgeplanung sind für das Just-in-Time-Niveau entscheidend. Dann kann auch von der Industrie 4.0 geträumt werden.







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