Supply Chain Network Design

Ein intelligentes Netzwerk aufbauen

Bei der Gestaltung logistischer Netze mit komplexen Kostenstrukturen erschließt Bosch Einsparpotenziale im zweistelligen Prozentbereich. Das strategische Analyse- und Planungssystem PSIglobal unterstützt den Hersteller dabei.

 (Bild: Robert Bosch GmbH)
(Bild: Robert Bosch GmbH)

Bei der Analyse und der Gestaltung der Produktions- und Logistik-netzwerke steht eine ganzheitliche Betrachtung ganz oben auf der Anforderungsliste. Es gilt, die Prozesse und Strukturen der eigenen Produktionsstätten, Lagerstandorte, Beschaffungs- und Distributionswege, -transporte und Tarife ebenso zu berücksichtigen, wie die der Lieferanten und Kunden. Dabei einen Überblick zu behalten ist schon für kleine Unternehmen schwer zu realisieren. Für Großunternehmen wie Bosch gilt dies umso mehr. Das Unternehmen zählt 15 Geschäftsbereiche mit weltweit 60 Produktgruppen, 270 Produktionswerke, 800 Logistikzentren, 20.000 direkte Lieferanten und 250.000 Kunden. Bei der Überprüfung und Optimierung der Logistiknetze sowie der Gestaltung neuer Netzwerke verfolgt Bosch einen ganzheitlich funktionsübergreifenden TCO(Total Cost of Ownership)-Ansatz. „Der berücksichtigt nicht allein die Logistik, sondern bezieht u.a. auch Einkauf, Fertigung und die Entwicklungen der Absatzmärkte ein“, sagt Dr. Christian Lippolt, Abteilungsleiter Logistics Consulting bei Bosch. Bereits die Analyse der Ist-Situation bei derartigen Projekten erfordert eine Simulationssoftware, die nicht nur in der Lage sein muss, die vorhandenen Prozess- und Produktdaten zu erfassen und zu visualisieren. Sie muss auch die Einzelfaktoren gegeneinander abwägen können und Fragestellungen, wie etwa Transportkosten gegen Standortwahl modellhaft beantworten. Daraus lassen sich die Kostenstrukturen ablesen und verbessern. Wenn es zudem um strategische Entscheidungen, die zukunftsfähige Auslegung des Netzes, Standortwahl, Marktfaktoren oder die Verteilung von Volumina, Kapazitäten und Ressourcen geht, ist eine Szenario-Technologie gefordert, die in Wenn-Dann-Modellen die Auswirkungen von Veränderungen der jeweiligen Faktoren auf das Netzwerk aufzeigt. „Für diese Anforderungen setzen wir auf ein strategisches Analyse- und Planungssystem“, erklärt Lippolt. „Unter den Instrumenten für das Supply-Chain-Network-Design bringt die Szenario-Optimierung und -Evaluierung mit der von uns eigesetzten Software für uns den größten Nutzen. Wir profitieren vor allem von integrierten Optimierungsalgorithmen sowie der Erweiterbarkeit und dem flexiblen Design von Datenschnittstellen.“

(Bild: Robert Bosch GmbH)
In Szenarien können Veränderungen in die Planungsmodelle einbezogen, deren Auswirkungen auf die Strukturen und TCO überprüft und die Modelle entsprechend angepasst werden. (Bild: Robert Bosch GmbH)

Daten harmonisieren

Seit 2017 arbeitet Bosch bei der Optimierung und Gestaltung seiner logistischen Netze mit dem IT-System PSIglobal aus der PSI Logistics Suite. Die modular konzipierte Standardsoftware ist auf die Analyse und Verbesserung der operativen, taktischen und strategischen Planung- und Steuerungsebenen logistischer Netze ausgelegt. Die Programmfunktionen ermöglichen u.a. die kombinierte Optimierung von Produktion und Logistik. Die Szenariotechnologie löst in Analyse- und Simulationsmodellen zudem strategische als auch taktische Fragestellungen von Logistikprojekten. So verfügt das System mit dem Modul ‚Pick-up & Delivery‘ über einen Algorithmus für die Tourenplanung. Features zur Integration freier Geodaten wie Open-Street-Maps steigern die Informationsqualität und den Detailgrad bei der Visualisierung von Tracking & Tracing-Anwendungen. Der kontinuierliche Abgleich von Ist- und Planungssoll-Daten sorgt dabei für eine durchgängige Verbesserung der operativen, taktischen und strategischen Planung- und Steuerungsebenen. Die Kernfunktionen des Systems bieten u.a. umfassende Analysemethoden zur Ermittlung, Aufbereitung und strukturierten Auswertung relevanter Kennzahlen (KPI). Die Software kann alle gängigen Datenformate lesen, die heterogenen Daten aus unterschiedlichen Quellen nutzungs- und anwendungsgerecht formatieren und mit ihnen arbeiten, ohne dass sie in Zwischenschritten harmonisiert werden müssen. Dadurch wird die Software im Dialog mit ERP-Systemen eine zentrale Datendrehscheibe.

Kostenstrukturen ermitteln

Bei Bosch geht es dabei „nicht allein um die Überprüfung von einzelnen Relationen und einfachen Strukturen, sondern um eine übergreifende Netzwerkanalyse mit komplexen Kostenstrukturen“, so Dr. Lippolt. Diese wurde im vergangenen Jahr für ein komplettes Netzwerk der 15 Geschäftsbereiche auf Basis der vorhandenen Ist-Daten durchgeführt und Optimierungsvarianten ermittelt. Dafür wurden die erfassten Ist-Werte aller Bosch-Werke und Lagerstandorte der Geschäftsbereiche in PSIglobal importiert und sukzessive die jeweiligen Lieferanten, Kunden und Transporttarife in die Simulationsmodelle eingepflegt.

(Bild: Robert Bosch GmbH)
Das System erschließt Einsparpotenziale bei Netzwerkkosten wie Zoll-, Bestand- und Transportkosten in Höhe von 13 Prozent. (Bild: Robert Bosch GmbH)

Wo sind die Kostentreiber?

Mit dem Analyse- und Planungssystem wurden Schlüsselelemente und Kostentreiber für das Netzwerk-Design weiter konkretisiert und Einsparpotenziale wie etwa bei Bestand- und Transportkosten in Höhe von 13 Prozent realisiert. Nach den Erfolgen beim Design der bestehenden Netzwerke soll PSIglobal das SCND von Bosch nun auch bei der von Netzwerken neuer Produktgruppen unterstützen. „Die Anforderungen bei der Planung und Gestaltung neuer Netze sind etwas andere“, sagt Lippolt. „Wir verfolgen dabei ein übergreifendes Product Lifecycle Management, das bereits beim Produktentwicklungsprozess beginnt, und binden bei der kombinatorischen Betrachtung von Produktion, Produktlebenszyklus und Logistik dynamische Effekte ein.“ Mit der Berücksichtigung von Absatzmärkten und Lebenszyklus für ein neues Produkt definieren sich Anforderungen an das künftige Netzwerk, es wird beispielsweise nicht nur auf ein so genanntes Anlaufwerk ausgerichtet, das das Produkt herstellen soll. Zudem werden mögliche Kapazitätserweiterungen in der Planung berücksichtigt. Sämtliche Faktoren lassen sich in PSIglobal einbinden, variieren, simulieren und abbilden. Schlüsselsegmente, so Lippolt, seien neben den Herstellungskosten insbesondere Transport, Verpackung und Lagerlogistik. Für ein optimales Produktnetzwerk müssten diese Faktoren im Zusammenspiel mit Einkauf, Produktion und Absatzmärkten zusammengeführt und unter optimalen TCO-Strukturen in Einklang gebracht werden. Während des Entstehungsprozesses von Produkt und Produktionsprozessen fließen dazu alle zusätzlich ermittelten Informationen in die Planungen des Logistiknetzwerkes ein.

Szenarien durchspielen

Mit der Szenariotechnologie des Systems werden die Veränderungen in die Planungsmodelle einbezogen, deren Auswirkungen auf die Strukturen und TCO überprüft und die Modelle entsprechend angepasst. „Damit bietet das Analyse- und Planungssystem hervorragende Entscheidungsgrundlagen“, schildert Dr. Lippolt. „Ein bestehendes Netzwerk später zu optimieren, ist äußerst aufwändig und schwierig. Wir können das Gros der Variablen von vorn herein in die ganzheitliche Betrachtung einbeziehen und das Netzwerk bestmöglich planen und gestalten.“

Künstliche Intelligenz

Bei seinen Logistikprozessen setzt Bosch auf Digitalisierung. Mit dem Datenmaterial im IT-System steht dem Unternehmen dabei ein digitaler Zwilling des gesamten SC-Netzwerks mit allen relevanten Daten aus dem ERP-System, anderen Datenbanken sowie zusätzlichen Informationen wie Tarifen, bestehenden Anlagen und Lagern, die Verkehrsinfrastruktur und den Ressourcen zur Verfügung. „Damit ergeben sich für uns interessante Ansätze etwa eines automatisierten Abweichungsmanagements, das die Ist-Daten kontinuierlich analysiert, mit den Plan-/Zielvorgaben abgleicht und Abweichungen ausweist, oder bei der automatisierten Identifizierung von Kostentreibern, Varianten, der Einbindung von Risikoanalysen und der Ableitung von entsprechenden Szenarien“, berichtet Dr. Lippolt. In den Standardprodukten der Logistics Suite kommen daher auch Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) wie etwa Fuzzy Logic, neuronale Netze oder Deep Learning zum Einsatz. Für PSIglobal bedeutet das beispielsweise eine automatisierte Identifikation und den Abgleich von Schlüsselkostentreibern, Risiken und Potenzialen – selbstständig und selbstlernend auf Basis hinterlegter Definitionen. n bei RBB in München.







  • Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise

    Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen…


  • KI in Fertigungsbranche vorn

    Die neunte Ausgabe von Rockwell Automations „State of Smart Manufacturing“ Report liefert Einblicke in Trends und Herausforderungen für Hersteller. Dazu wurden über…


  • Ein Stück näher am Quanteninternet

    Das Quanteninternet verspricht signifikante Verbesserungen in verschiedenen technologischen Schlüsselbereichen. Um dieses jedoch im bestehenden Glaserfasernetz zu realisieren, sind Quantenfrequenzkonverter nötig, die die…


  • Nachhaltigkeitsthemen im Datenmanagement abbilden

    Technologien wie Robotic Process Automation (RPA) oder künstliche Intelligenz (KI) können Unternehmen beim Management von ESG-Daten unterstützen. Der Softwarespezialist Blue Prism beleuchtet…


  • Weniger deutsche Unternehmen abhängig von Vorprodukten aus China

    Im Vergleich zu einer Untersuchung kurz vor Beginn Kriegs in der Ukraine, geben in einer aktuellen Untersuchung des Ifo Instituts weniger Unternehmen…