Produzieren nach der Pandemie

Langfristige Auswirkungen der Covid19-Pandemie

Schließungen unvermeidlich

Es gehört zum Wesen einer marktwirtschaftlichen Ordnung, dass Unternehmen, die z.B. aufgrund veränderter Rahmenbedingungen Wettbewerbsnachteile erleiden, aus dem Markt ausscheiden müssen. Auf diese Weise wird der Produktivitätsfortschritt vorangetrieben, denn im Regelfall werden sie durch Unternehmen verdrängt, die aufgrund von Kosten- oder Innovationsvorteilen besser an die veränderten Bedingungen angepasst sind. Es wäre deshalb auch in der Coronakrise falsch, Unternehmensschließungen per se vermeiden zu wollen – und manche der von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise, vor allem die unkonditionierte Verlängerung der erleichterten Kurzarbeitergeldregelungen bis zum Ende des Jahres 2021, bergen die Gefahr in sich, dass diese marktbereinigende Wirkung des Wettbewerbs außer Kraft gesetzt wird.

Liquiditätshilfen gerechtfertigt

Um das beschriebene Verdrängungsrisiko abzugelten, enthält der Unternehmerlohn stets auch eine Risikoprämie, um normale Marktrisiken abzugelten. Die Coronakrise und der weitgehende Lockdown lassen sich allerdings kaum in den Bereich normaler, von den Unternehmen antizipierbarer Risiken einordnen, weshalb Liquiditätshilfen, wie sie die Bundes- und Landesregierungen bereitstellen, ihre Berechtigung haben. Hinzu kommt, dass auch solche Unternehmen unverschuldet in Not geraten sind, die etwa aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Innovationsleistung oder einer wichtigen Position als Zulieferer besonders wichtig sind. Hier erscheint es schon wegen der mit einer etwaigen Schließung verbundenen externen Effekte gerechtfertigt, auch mit an und für sich marktwidrigen Hilfen wie einer Beteiligung des Staates einzuspringen. Wichtig ist dann allerdings, die für eine Gewährung von Eigenkapitalhilfen relevanten Kriterien vorab festzulegen und die Entscheidungsfindung hierüber möglichst zu entpolitisieren. Größe allein darf dabei sicherlich kein Kriterium sein.

Dauerhafte Schwächung

Von Unternehmensschließungen dürften gerade Branchen betroffen sein, die besonders stark durch die Pandemie betroffen sind und die durch kleinere, eher eigenkapitalschwache Unternehmen geprägt sind. Handel, Gastgewerbe und Beherbergungsgewerbe gehören damit zu den am stärksten gefährdeten Bereichen. Doch gerade hier sind die Markteintrittshürden vergleichsweise niedrig, sodass die jeweiligen Märkte dauerhaft bestehen bleiben dürften. Scheiden Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbe hingegen aus dem Markt aus, werden sie unter Umständen nicht oder zumindest nicht schnell wieder ersetzt, weil die Markteintrittshürden häufig deutlich höher liegen. Hinzu kommt, dass die Industrie als internationalisierter Sektor auch unter besonders starkem überregionalem Wettbewerbsdruck steht: Wenn Unternehmen in Deutschland schließen müssen, kann ihr Marktanteil unter Umständen auch durch ausländische Konkurrenten übernommen werden. Die Coronakrise birgt somit die Gefahr, dass es zu einer dauerhaften Schwächung der deutschen Industrie kommt. Will man das vermeiden, scheinen Liquiditäts- und Anpassungshilfen hier deutlich eher gerechtfertigt als in den anderen genannten Sektoren. Das Problem besteht hier vor allem darin, coronabedingte Strukturanpassungen von jenen zu trennen, die Teil eines längerfristigen markt- oder politikgetriebenen Umbruchs sind. Dazu zählen die politisch gewollte Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Megatrend Digitalisierung.

Internationale Arbeitsteilung

Deutschland hat bislang von der Globalisierung profitiert: Als Lieferant von Gütern und dadurch, dass Produktion an kostengünstigere Standorte ausgelagert bzw. Vorprodukte von dort bezogen wurden, was insgesamt zu einer kosteneffizienteren Produktion geführt hat. Die Coronakrise hat aber deutlich gemacht, dass Firmen mit alleiniger Orientierung auf Kostenvorteile beim Bezug von Vorprodukten riskieren, von wenigen Zulieferern abhängig zu sein. Vielfach wird deswegen vermutet, dass die Pandemie zu einer Überprüfung von globalen Lieferketten Anlass geben könnte, was zur Rückholung von Produktion (Reshoring) und damit zu weniger grenzüberschreitender Arbeitsteilung führen könnte. Produktion würde durch den Verzicht auf Spezialisierungsvorteile teurer, und insbesondere Länder mit geringeren Arbeitskosten hätten schlechtere Wachstumschancen. Dies wiederum hätte auch Rückwirkungen auf die deutschen Exporte. Eine Abkehr von der internationalen Arbeitsteilung wäre letztlich mit Wohlfahrtsverlusten auf allen Seiten verbunden. Manches spricht dafür, dass rational handelnde Unternehmen schon aus einem Eigeninteresse heraus ihre Lieferketten stärker diversifizieren, um sich weniger abhängig von wenigen Zulieferern bzw. Abnehmern zu machen. Auch das würde zwar mit einer Erhöhung der Produktionskosten einhergehen, jedoch wären diese dann als eine Art Versicherungsprämie gegen einseitige Abhängigkeiten anzusehen und damit hinzunehmen. Soweit es dazu kommt, könnte dies der globalen Verflechtung sogar positive Impulse geben.