Agile Methoden und Wasserfallmodell

Produktmanagement im IoT-Umfeld

Die Entwicklung physischer Produkte im Wasserfallmodell funktioniert gut. Steigt der Softwareanteil am Produkt, stößt das an Grenzen. Wollen Firmen also ihren IoT-fähigen Erzeugnissen den maximalen Nutzen entlocken, ist oft die Neuausrichtung der Entwicklungsarbeit in Richtung agiler Methoden unausweichlich.

Bild: ©NicoElNino/stock.adobe.com
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Es gibt sehr unterschiedliche Anwendungsfälle für IoT: von kleinen Anwendungen wie eine fernsteuerbare LED-Lampe bis hin zu KI-gesteuerten industriellen Anlagen. Was diese Produkte verbindet, sind die wesentlichen Komponenten Hardware, Konnektivität, Backend und Benutzerschnittstelle. IoT-Produkte weisen unterschiedliche Grade von ‘Smartness’ auf. Damit ist hier die Fähigkeit von Produkten gemeint, selbstständig auf Veränderungen zu reagieren und Entscheidungen zu treffen. Diese Smartness erhöht die Komplexität eines Produktes um ein Vielfaches. Durch die vielen unterschiedlichen physischen und digitalen Dimensionen von IoT-Produkten ergeben sich neue Herausforderungen für das Produktmanagement.

Weniger Produkte ohne Software

Bei vielen mittelständischen Maschinenbauunternehmen liegt der Fokus auf physischen Produkten. Zwar verfügen die meisten modernen physischen Produkte über digitale Komponenten wie Steuergeräte und Software, jedoch sind Services, die über das physische Produkt hinausgehen, noch eher selten. Da die Entwicklung solcher Produkte in der Regel zwar kompliziert, aber nicht komplex ist, kommen moderne agile Methoden kaum zum Einsatz. Denn Komplexität wird durch die Dynamik der Anforderungsänderung zur Laufzeit der Entwicklung eines Produkts bestimmt. Produkte mit einem hohen Hardware-Anteil lassen hingegen nur selten Änderungen während der Projektphase zu, auch weil solche Änderungen sehr kostspielig sein können. Deshalb häufig zurecht im Wasserfall-Modus gearbeitet wird.

Wo agile Methoden glänzen

Da IoT-Produkte einen höheren Software-Anteil haben und gleichzeitig durch die Vernetzung leichter aktualisiert und um Funktionalität erweitert werden können, sollten sie agil entwickelt werden. Anwender sind von ihren Smartphones regelmäßige Funktions- und Sicherheits-Updates gewohnt. Wurden solche Produkte früher noch als Bananenprodukte bezeichnet, da diese beim Kunden nachreiften, ist das Nachreichen von Features heute breit akzeptiert. IoT-Produktmanagement ist auch deshalb anspruchsvoller, da nicht nur ein Entwicklungsteam im Einsatz ist, sondern mindestens 2-3 Teams. Hierbei gibt es Teams für die physische und die digitale Produktentwicklung, die nach den unterschiedliche Entwicklungs- und Release-Zyklen getaktet arbeiten. Im Gegensatz zur Softwareentwicklung sind Kosten- und Zeitaufwand bei Änderungen an physischen Komponenten meist deutlich höher, je später sie im Entwicklungsprozess erfolgen. Um umfangreiche und späte Änderungen zu minimieren, sollten Firmen eine genaue Vision haben, in welche Richtung sich das IoT-Produkt entwickeln soll. Eine bewährte Strategie ist die Ausstattung von Produkten mit mehr physischen Features als anfangs notwendig, die dann im Nachhinein per Software freigeschaltet werden. Ein modularer Ansatz liefert dabei die Grundlage für leicht durchführbare Over-The-Air-Updates (OTA). Es wird somit nicht nur eine modulare Systemarchitektur benötigt, sondern auch ein übergreifendes Produkt- bzw. Programmmanagement, das die verschiedenen Entwicklungseinheiten synchron hält und zu einer engen und agilen Entwicklungsabstimmung führt. Dafür eignen sich skalierbare agile Frameworks wie SAFe, das auf die Abstimmung von mehreren Teams mit unterschiedlichen Entwicklungszielen ausgelegt ist und diese wiederum unter einer gemeinsamen Produktvision vereint. So bleibt den Teams eine gewisse Selbstbestimmtheit erhalten, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren.

Potenzial liegt oft brach

Kunden werden auch in traditionellen Organisationen in Produktentwicklungsprozesse eingebunden, jedoch häufig nur punktuell und in deutlich geringerem Umfang als es software-orientierte Technologiekonzerne tun. Hier bietet das IoT gleich mehrere Ansatzpunkte: Die Vernetzung ermöglicht Optimierungen basierend auf anonymisiert gesammelten Nutzungsdaten aus dem realen Betrieb und bietet dadurch einen bequemen und schnellen bidirektionalen Feedback-Kanal. Auf diese Weise kann eine viel höhere Fokussierung auf die wesentlichen Kundenbedürfnisse sowie Benutzerschnittstelle und Kundenerlebnis stattfinden. Auf den ersten Blick erscheint das Management von IoT-Produkten komplex. Das parallele Führen von mehreren Entwicklungssträngen wirkt wie eine signifikante Mehrinvestition. Jedoch erlauben agile Vorgehensweisen und Teamsetups stetige Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen während des gesamten Produktlebenszyklus. Nachträglich buchbare Optionen ermöglichen Kunden, bei der Bestellung getroffene Entscheidungen zu revidieren. Hersteller profitieren von vereinfachten Produktionsabläufen, da Losgrößen und Bestellmengen von Komponenten steigen. Es wäre überzogen zu behaupten, dass wirklich jedes Produkt von IoT-Funktionalitäten profitieren kann, doch bei einem sehr großen Teil der Produktlandschaft ist es der Fall. Insbesondere der Industriesektor lässt hier ungeahntes Potential brachliegen.

Veränderung fällt schwer

Oft ist der Wechsel auf ein integrales IoT-Produktmanagement schwierig, wenn etwa Organisationen bei einzelnen Pilotprojekten stehen bleiben. Oft bleibt der Transformations- und Investitionswille aufgrund schwer quantifizierbarer Amortisation auf der Strecke. Doch die Zahl an Erfolgsbeispielen steigt stetig. Und häufig diversifizieren Unternehmen im Ergebnis so ihr Produktportfolio, heben ihre Produktentwicklung auf ein neues Level und testen vielfältige neue Geschäftsmodelle aus. Schlüssel zu solchen Erfolgen ist nicht nur die Einführung agiler Arbeitsweisen, sondern insbesondere der Aufbau von Wissen über alle Unternehmenshierarchien hinweg. Und breit verfügbares Wissen ebnet den Weg zum Erfolg.







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