Process Mining bei Jägermeister

Digitaler Zwilling der Prozesslandschaft

Um die Geschäftsprozesse per Process Mining zu verbessern, hat der Likörhersteller Jägermeister einen digitalen Zwilling seiner Prozesslandschaft eingeführt.

Mast-Jägermeister SE Headquarter in Wolfenbüttel (Bild: Mast-Jägermeister SE)
Mast-Jägermeister SE Headquarter in Wolfenbüttel (Bild: Mast-Jägermeister SE)

Die eigenen Geschäftsprozesse immer wieder infrage zu stellen, zu überprüfen und neu zu gestalten, zählt wohl in den meisten Unternehmen zu den zentralen Aufgaben. Schließlich wirkt sich die Ablauforganisation erheblich darauf aus, wie gut eine Leistung ist und wie wirtschaftlich sie erbracht wird. In der Vergangenheit halfen dabei Wertstromanalysen und Business Process Modeling. Seit einigen Jahren ergänzt Process Mining den Methoden-Mix. Dabei extrahiert eine Software die in den IT-Systemen vorhandenen Daten, rekonstruiert daraus die Prozesse und ermittelt kontinuierlich die Performance – beispielsweise in Form der Dauer zwischen zwei Prozessschritten. Process Mining trägt damit zur Transparenz bei. Konkrete Verbesserungsvorschläge liefert die Methode allerdings nicht.

Den Überblick behalten

Mehr Transparenz war auch das Anliegen des Kräuterlikörherstellers Jägermeister. „Im Zuge der Digitalisierung wurde unsere Prozesslandschaft immer komplexer“, sagt Klaus Gerke, Head of Global IT bei der Mast Jägermeister: „Den Überblick zu behalten, sich einen End-to-End-Eindruck zu verschaffen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, wurde daher immer schwieriger. Gleichzeitig wollten wir uns als Unternehmen agil und lean aufstellen, um auch in Zukunft handlungsfähig zu sein. Vor diesem Hintergrund entstand die Motivation, etwas Neues auszuprobieren.“ Als Projektpartner wählten die Verantwortlichen die IT- und Managementberatung MHP aus.

Abbild der Prozesslandschaft

Das Projekt war anspruchsvoll, da nicht nur einzelne Prozessfragmente im Detail in den Blick genommen werden sollten. Es sollte auch ein aussagekräftiges Gesamtbild zu den End-to-End-Prozessen entstehen. Process Mining war dafür zwar grundsätzlich die richtige Methode, reichte aber alleine nicht aus. Deshalb entstand die Idee, Process Mining mit dem Ansatz des Digital (Object) Twin zu kombinieren. So wie ein Digital Object Twin die statischen Eigenschaften eines realen Objekts virtuell abbilden kann, bildet der Digital Process Twin die dynamischen Aktivitäten zwischen den Objekten entsprechend der realen Prozesse virtuell ab. Marc Dierksmeier, Senior Manager bei MHP und im Projekt verantwortlich für das Process-Mining-Konzept sowie die technische Umsetzung: „Üblich war bislang, Prozessfragmente idealtypisch zu generieren – beispielsweise den Order-to-Cash-Prozess. Im Gegensatz dazu erstellen wir mit dem Digital Process Twin automatisiert komplette End-to-End-Prozesse – etwa die Abfolge Vertrieb-Beschaffung-Produktion-Logistik-Faktura. Dadurch verbessert sich das Verständnis für die reale Wertschöpfungskette im Unternehmen.“

Wie der Digital Process Twin funktioniert (Bild: MHP Management- und IT-Beratung GmbH)
Wie der Digital Process Twin funktioniert (Bild: MHP Management- und IT-Beratung GmbH)

Dashboard realisiert

„Die softwarebasierte Analyse unserer Prozesse mithilfe eines Digital Process Twins konnte aber nur der erste Schritt sein. Denn auch ein hohes Maß an Transparenz entfaltet noch keine Wirkung. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse im zweiten Schritt auch zu Aktionen führen“, sagt Gerke. Deshalb wurde im Rahmen des Projekts neben dem Digital Process Twin auch ein Data-to-Action-Dashboard realisiert. Damit werden die Ergebnisse der kontinuierlich laufenden Prozessanalysen zu Kennzahlen aggregiert und dargestellt. Daraus lassen sich wiederum Maßnahmen ableiten. An die Umsetzung dieses Ansatzes machte sich im November 2019 ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Mitarbeitern von Jägermeister, MHP sowie Celonis, deren Process-Mining-Software zum Einsatz kam. Dabei durchliefen sie insgesamt sechs Schritte: von der Orientierung an einem Referenzprozesshaus bis zur Darstellung von KPIs im Data-to-Action-Dashboard. Als besonders erfolgskritisch erwies sich die Anbindung der Process-Mining-Software an das SAP-ERP-System bei Jägermeister. Dabei kam es darauf an, erforderliche Aktivitäten abzuleiten und teils miteinander zu verbinden.

Seit März 2020 live

Im März 2020 gingen der Digital Process Twin und das Data-to-Action-Dashbaord live. Judith Borgmann, Senior Manager bei MHP und im Projekt für das methodische Vorgehen sowie das Projektmanagement verantwortlich: „Wir sind gemeinsam mit Jägermeister einen komplett neuen Weg gegangen, haben zu 100 Prozent auf die Analyse von objektiven Daten gesetzt und vollständig auf die sonst üblichen subjektiven Beobachtungen und Befragungen verzichtet. Das sorgt nicht nur für bessere Ergebnisse. Wir waren auch bei der Projektumsetzung um den Faktor vier bis fünf schneller als gewöhnlich.“ Gerke ergäzt: „Mit dem Digital Process Twin und besonders mit den Erfahrungen aus dem gemeinsamen Projekt konnten wir bei Jägermeister jetzt ein Toolset aufbauen, welches sowohl das Monitoring stabiler Prozesse unterstützt als auch in immer stärkerem Maße beim Design und der Beurteilung von geplanten Prozessveränderungen hilft.“







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