Low Code/No Code

Mit neuen Tools alte Lücken schließen

Im Produktionsumfeld erfordern viele gewachsene Arbeitsabläufe manuelle Zwischenschritte, die oft noch papierbasiert sind. Durch Low Code/No Code-Entwicklung wird es einfacher, Teilprozesse per App oder Automatisierung zu digitalisieren. Wie das geht, erläutert Michael Megel, Enterprise Architect & DevOps Engineer bei Cosmo Consult.

 (Bild: ©Myvisuals/shutterstock.com)
(Bild: ©Myvisuals/shutterstock.com)

Der Low Code/No Code-Ansatz ermöglicht die Entwicklung von Software-Lösungen ohne tiefgehende Programmierkenntnisse. Entwicklungswerkzeuge wie etwa die Microsoft Power Platform helfen dabei, mit wenigen Mitteln einen Service oder eine App zu bauen, ohne sich Gedanken über Programmierung, Roll-out, die umgebende Infrastruktur, Betriebssysteme oder Sicherheit machen zu müssen. Für komplexe Themen wie Security, Interkonnektivität und Update-Fähigkeit sorgt die Plattform.

Apps selber bauen

Auch Beschäftigte aus den Fachabteilungen können so vergleichsweise einfach mittels einer grafischen Oberfläche Apps bauen oder mit RPA (Robotic Process Automation) immer gleiche Abläufe automatisieren. Mit den auf der Azure-Plattform hinzubuchbaren Services können ‚Eigenentwicklungen‘ weiter abgekürzt werden. Dazu gehören etwa sogenannte Cognitive Services, die aus Bildern, CAD-Zeichnungen oder Dokumenten automatisch Informationen bereitstellen können.

Welche Einsatzgebiete gibt es?

In der Intralogistik könnte eine eigene App beispielsweise Barcodes oder RFID-Codes an Containern oder Paletten scannen und automatisch verbuchen. Oder anstatt einer ausgedruckten Packliste im Lager, mit der die Montage versorgt werden soll, wird diese auf dem Smartphone angezeigt. Bei jedem entnommenen Artikel kann in einem nachgelagerten Workflow die Verfügbarkeit überprüft und gegebenenfalls automatisch eine Nachbestellung ausgelöst werden. Auch eine App zur Umbuchung von Lagerplätzen ist oft hilfreich. Ein weiteres Einsatzgebiet ist das mobile Abfallcontainer-Management für Industrieabfälle, bei dem der Standort des benötigten Containers angezeigt, ein Container über das ERP gebucht und gegebenenfalls die Route angezeigt wird. Gerade Instandhaltungsteams profitieren von mobilen Apps, etwa um etwas per Foto zu dokumentieren oder Probleme und ihre Lösung standardisiert zu erfassen: Eine Grundlage für Smart Maintenance. Auch dort, wo Messdaten an der Maschine abgelesen und manuell erfasst werden, kann sich ein digitaler Prozess lohnen. Durch die Integration lassen sich die Messdaten bei Abweichungen gleich zum Auslösen eines Wartungstickets verwenden, teilweise kann auch das Ablesen durch das Einbinden eines IoT-Sensors entfallen. Die eigenen Anwendungen können praktisch auf allen Endgeräten laufen, von Smartphone oder Tablet bis Industrie-PC (mit Browser).

Flexibilität ins System bringen

Low Code- und No Code-Entwicklungs-Tools kommen also immer dann ins Spiel, wenn darum geht, neben dem ERP flexibel zu bleiben – etwa wenn sich Prozesse ändern oder neue Abläufe erforderlich werden. ERP-Systeme sind oft noch monolithisch aufgestellt und Änderungen mit viel Aufwand verbunden. Hinzu kommt, dass ERP-Systeme oft funktional überfrachtet sind: Es musste alles dort hinein, auch wenn nur eine kleine Fachabteilung eine bestimmte Funktionalität oder einige Daten brauchte. Dadurch sind die Systeme immer weiter gewachsen und zugleich unhandlicher geworden. Low Code/No Code-Tools sollen im Prinzip dabei helfen, ohne großen Aufwand Individualsoftware für spezifische Prozesse zu generieren. Heute lassen sich dafür eine kleine App oder ein Service schreiben, die in perfekter Harmonie zum bestehenden System passen. Sie sind über eine standardisierte Bedienoberfläche für alle Beteiligten nutzbar und liegen zentral in Dataverse, SharePoint oder One Drive.

Schnittstellen mitgeliefert

Damit sich der eigenentwickelte Code in ERP- und andere Prozesse einfügen lässt, sind Schnittstellen zu den beteiligten Systemen notwendig. Die Power Platform löst dies durch unterschiedliche Konnektoren. So entsteht z.B. automatisch die Verbindung zu One Drive, zu Mail- und Office-Programmen oder unterschiedlichen ERP- und MES-Systemen. Dort, wo keine Schnittstellen zur Verfügung stehen, kann Robotic Process Automation Abhilfe schaffen. Mit Microsoft Power Automate können etwa Cloud Flows, Desktop-Flows oder Geschäftsprozessflüsse definiert werden. So lässt sich das, was ein Software-Entwickler machen würde, automatisch durch einen Workflow abbilden. Eine einmal definierte Schnittstelle kann immer wieder genutzt werden.

Legacy-Systeme laufen lassen

Die Microsoft Azure Plattform bringt die Voraussetzungen mit, um die Lücken zwischen monolithischen Systemen in Unternehmen zu schließen. Legacy-Systeme, die aus unterschiedlichen Gründen weiter laufen sollen, wird es auch weiterhin geben. So können bestehende ERP-Systeme so weiterverwendet werden, wie es einmal gedacht war: Anstatt mehr Funktionalitäten hineinzubringen, werden diese auf einer unterliegenden Plattform gemanagt.

Was gilt es zu bedenken?

Zwar sind die Entwicklungs-Tools einfach zu bedienen. Dennoch sollten sich Anwender darüber bewusst sein, was die Entwicklung von Software bedeutet. Jede Software und jede App hat einen Lebenszyklus – sie wird erstellt, geteilt, es wird Feedback aufgenommen und Verbesserungen für eine nächste Version vorgenommen. Application Lifecycle Management soll sicherstellen, dass eine Software weiter funktioniert, angepasst oder repariert wird. IT-Dienstleister können hier einen Beitrag leisten. Sie leiten die Beschäftigten an und verdeutlichen potenzielle Fallstricke. So können auch KMU mit geringen IT-Ressourcen profitieren. Denn gerade mit Blick auf Data Governance kommt es darauf an, dass die Grenzen der neuen Gestaltungsspielräume klar sind und die Risiken richtig eingeschätzt werden können.





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