Mit modernen Fertigungsprozessen und Technik lässt sich heute ein personalisiertes Produkt zum Preis der Serienfertigung herstellen. Mass Customization heißt das. Doch auf dem Weg dorthin müssen sich Abläufe und Produktions-IT großen Herausforderungen stellen.
Der Begriff Mass Customization ist jünger als das Prinzip dahinter. So wählt jeder, der sich einen Neuwagen bestellt, aus einer großen Vielfalt möglicher Ausprägungen eines Serienprodukts: Farbe, Motorisierung, Sitzbezüge, Felgen, Sonderausstattung und vieles mehr. Trotzdem laufen alle Fahrzeuge eines Typs auf der gleichen Fertigungslinie. Bei manchen Herstellern laufen sogar unterschiedliche Fahrzeuge auf einer Linie. Doch wie ist das möglich? Jedes Auto besteht aus einer großen Menge an Standardkomponenten, die zu einem individuellen Fahrzeug zusammengesetzt werden, etwa Chassis, Motor, Getriebe, Bremsen, Räder, Sitze und Lenkrad. Das passiert in der Montagelinie. Die einzelnen Komponenten werden entweder in großer Stückzahl vorgefertigt und angeliefert oder ebenfalls in einer variantenreichen Linienfertigung hergestellt und direkt an die Linie des Automobilherstellers geliefert. Letzteres nennt man auch Just-in-Time und Just-in-Sequence, da die Teile auch in einer vom Assemblierer exakt vorgegebenen Reihenfolge angeliefert werden müssen. Die Zusammenstellung der Optionen im Fahrzeugkonfigurator geben vor, welche Komponenten bei diesem speziellen Auto kombiniert werden. Anhand der Seriennummer ist jedes Fahrzeug eindeutig zu erkennen.
Anforderungen an die Fertigungs-IT
Die klassische Fertigungs-IT in Form eines Manufacturing Execution Systems (MES) stößt bei Montageprozessen für so feingranular serialisierte Produkte oft an ihre Grenzen: Der üblichen Strukturierung in Aufträge und Arbeitsgänge fehlt die Tiefe, um einzelne Arbeitsschritte abzubilden. Die Feinsteuerung der einzelnen Arbeitsschritte in der Montagelinie wird auch heute noch oftmals durch Automatisierungstechnik gelöst. Hierbei übernehmen Kopfsteuerungen, meist basierend auf weit verbreiteter SPS-Technologie, das Handling unterschiedlicher Varianten im Fertigungsprozess. Das bedeutet, dass jede Produktvariante und auch die Anweisungen und Steuerkommandos dazu fest in die Steuerung programmiert werden. Für das MES ist somit nur der Arbeitsgang ‚Montage‘ sichtbar, nicht aber die detaillierten Abläufe innerhalb der Montagelinie. Insbesondere bei kleinen Losgrößen und einer großen Variantenvielfalt führt das entweder zu mangelnder Transparenz oder zu sehr vielen Aufträgen und Arbeitsgängen mit sehr kleinen Stückzahlen. Beides erhöht die Komplexität unnötig und führt langfristig zum Verlust der Übersichtlichkeit. Wenn sich zudem etwas an den Varianten oder am Produktkonfigurator ändert, braucht es einen Programmierer, der diese Änderung in der Kopfsteuerung umsetzt. Beim heutigen Fachkräftemangel ist das eher ungünstig.
Montageprozesse flexibler abbilden
In der variantenreichen Serienfertigung braucht es daher flexiblere Steuerungs- und Informationskonzepte, etwa in die Fertigungs-IT integriert. Hier werden sowohl die Fertigungslinie mit all ihren Arbeitsstationen als auch sämtliche Arbeitsschritte inklusive möglicher Verzweigungen abgebildet – möglichst in Software modelliert und nicht in der Steuerung programmiert. Dabei sind alle definierten Produktvarianten nach den entsprechenden Arbeitsanweisungen sowie alle Arbeitsstationen und die dort angeschlossenen Peripheriegeräte zu berücksichtigen. Auch Nacharbeitsschleifen sind als Teil des Ablaufschemas abzubilden. In einem zweiten Schritt werden einzelne Produktvarianten als Untermenge des Gesamtablaufs definiert. Sobald die Herstellung eines bestimmten Produkts angestoßen wird, dient der jeweils passende Ablaufplan als Vorlage für die Werker an den jeweiligen Arbeitsstationen. In der Komponenten-Vorfertigung erfolgt der Startschuss für ein Produkt meist durch sogenannte Abrufe der Teile in bestimmten Ausprägungen. Die eigentliche Montage des Autos erfolgt auf Basis der Kundenbestellung und löst entsprechende Abrufe von Komponenten aus. Wer die Variantenvielfalt und die Montageprozesse in einer Software abbildet, braucht für das Modellieren keinen SPS-Programmierer. Je nach Flexibilität der eingesetzten Anwendung kann das auch ein Prozessingenieur oder der zuständige Produktmanager übernehmen.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den effizienten Betrieb von Montagelinien ist die Werkerführung. Hierzu wird das herzustellende Produkt an jeder Arbeitsstation identifiziert. Die Fertigungs-IT kennt die anstehenden Arbeitsschritte und zeigt dem Werker die passenden Arbeitsanweisungen an, die er durch entsprechende Aktionen ausführt bzw. quittiert. Begleitend dazu erhält der Werker Informationen, die etwa verhindern sollen, dass Fehler passieren und Nacharbeit erforderlich wird. Schritt für Schritt entstehen so die geforderten Produktvarianten. Dabei ist auch die Integration halb- und vollautomatischer Arbeitsschritte möglich. Um die Qualität der Produkte sicherzustellen, werden immer wieder Prüfungen durchgeführt, die sofort Auswirkungen auf die Weiterverarbeitung des jeweiligen Teils haben. Zentraler Bestandteil der individuellen Werkerführung sind ergonomische Bedienoberflächen. Diese zeigen jedem Werker genau die Informationen, die er für den aktuellen Arbeitsschritt an dieser Station benötigt. Auch die Anbindung benötigter Peripheriegeräte kann sinnvoll sein, etwa zur Überwachung des Drehmoments eines angeschlossenen Schraubers.
Dokumentation und übergreifende Auswertungen
Mit einer gemeinsamen Datenhaltung können alle Daten in nahezu beliebigen Sichten dargestellt werden. Damit sind korrelative Auswertungen zum Material, zu Prozess- und Qualitätsparametern, zu Bearbeitungszeiten oder zum Maschinenverhalten möglich. Denn die Fertigungs-IT kennt auch alle Daten, die während der vor- bzw. nachgelagerten Produktionsschritte erfasst wurden. Außerdem kann das System aus den erfassten Daten aussagekräftige Kennzahlen berechnen, die dann im Sinne einer kontinuierlichen Prozessoptimierung überwacht werden. Aber auch zum Zwecke der Rückverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit muss die Herstellung der Produkte in vielen Branchen (etwa der Automotive und Medizintechnik) dokumentiert werden. Die Integration ganzer Linien in die Fertigungs-IT ermöglicht dabei eine Betrachtung vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt.
Ausblick Digitaler Zwilling
Das Konzept eines digitalen Zwillings passt in diesen Szenarien sehr gut – sowohl zum Abbilden der Montagelinien als auch für die entstehenden Produkte. Zunächst wird die Linie modelliert. Das ist der digitale Zwilling der Produktion, der sämtliche Daten aufnehmen kann, die während der Produktion entstehen: z.B. Störungen, Prozessparameter und Betriebszeiten. Auf der anderen Seite entsteht parallel zum physischen Produkt ein digitales Abbild, dem die produktrelevanten Herstelldaten zugewiesen werden. Dazu gehören Daten zum verwendeten Material, zu den beteiligten Mitarbeitenden und zu den Prüfergebnissen. Beide digitalen Zwillinge sorgen für mehr Transparenz im Shopfloor und sind somit ein wichtiger Schritt in Richtung Smart Factory.
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