Die Mega-Yachten von Lürssen
Flexibel bis zum Stapellauf
Rahmen für komplexe Projektstrukturen
Mit dem Wechsel auf die neue ERP-Version konnte Lürssen auf die PSIpenta-Projektstrukturen wechseln – inzwischen ein zentrales Element beim Schiffbauer. „In dem vormals hoch angepassten System ergab sich für die Umsetzung unserer komplexen Anforderungen einfach kein sinnvoller Ansatz“, beschreibt Lothar Brose. Heute umfasst ein Projektplan bis zu 11.000 Positionen und bildet damit alle relevanten Planungspositionen ab. Über eine Schnittstelle übermittelt das System diese als Arbeitspakete in das Auftragsmanagement. Dabei entstehen automatisch die entsprechenden Fertigungsauftragsstrukturen – also inklusive Zeitstrahl und Arbeitspaketnummer. Dem IT-Leiter zufolge steuert Lürssen auf dieser Grundlage flexibel und effizient die Fertigung: „Wir haben einen Überblick über die Abarbeitungsstände und können früh auf Ereignisse reagieren“.
Spezialprozesse erfordern spezielle Abbildung
So einmalig die Endprodukte der Lürssen-Werft sind, so besonders fallen auch einige Aspekte aus, wie das ERP-System eingsetzt wird. Dazu zählt, dass es im System keine Kundenaufträge gibt und am Ende kein Lieferschein ausgestellt wird. Auch die Unterscheidung zwischen Lager- und Basisartikel ist nicht gängig: Der Basisartikel beschreibt eine lose Hülle des Artikels. Dieser wird in der Fertigungsstückliste näher spezifiziert und erhält über eine Gerätenummer die Eindeutigkeit zur Stückliste. „Besonders ist vielleicht auch unsere Warenschnellerfassungsmaske, mit der wir große Mengen schnell ins Lager bekommen können“, erläutert Brose. Dies trifft auf die sogenannte Verrohrung und die Elektro-Komponenten eines Schiffes zu, für die pro Bestellung schnell 100 bis hin zu mehreren 1.000 Positionen vereinnahmt werden müssen. „Wir füllen in der Maske die Kopfdaten aus, die das System mit der Übernahme in die Positionen als Vorbelegung überträgt. Jede Position ist dabei abänderbar. Wird die Buchung ausgelöst, überträgt die Software die relevanten Daten – und zwar unter Nutzung der Standardfunktionalität zur Warenvereinnahmung“, beschreibt der IT-Leiter den Prozess. Als wertvoll erweist sich beim Schiffsbauer nicht zuletzt die Option, über bestimmte Kenner Artikel bereits ordern zu können, auch wenn sie noch nicht ausspezifiziert sind und erst ein oder zwei Jahre später verbaut werden. Beispielsweise muss das Klima-Lüftungssystem (Heating, Ventilating and Air Conditioning, HVAC-System) aufgrund der langen Vorlaufzeiten möglichst früh als Paket bestellt werden – und daher bevor die genaue Ausprägung bekannt ist. Hierfür nutzt Lürssen eine Bestellset-Funktion. Ein solches Set besteht neben den Kopfdaten aus vielen Einzelpositionen, die fortlaufend ergänzt werden können. Die neunte Ausgabe von Rockwell Automations „State of Smart Manufacturing“ Report liefert Einblicke in Trends und Herausforderungen für Hersteller. Dazu wurden über 1.500 Fertigungsunternehmen befragt, knapp 100 der befragten Unternehmen kommen aus Deutschland. ‣ weiterlesen
KI in Fertigungsbranche vorn
Arbeitsfähig seit dem ersten Tag
Dass der Schiffbauer heute zu 80 Prozent im Standard des ERP-Systems arbeitet, war mit einigem Aufwand verbunden. So hatte sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, die Daten der Vorgängerversion in die neue Prozesslogik zu migrieren. Hierfür musste Lürssen unter anderen mit hunderten Dialogen, Auswertungen und Formularen im Altsystem umgehen, die nicht einfach in die neue Programmierwelt übertragbar waren. Dabei entschlossen sich die Verantwortlichen die im Unternehmen sogenannte Sonderlocken nach Aufrufhäufigkeit zu priorisieren und teils auszusortieren. „Wirklich herausfordernd war schließlich der Corona-Lockdown, der uns mitten in den Schulungen der 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer traf, zwei Wochen vor dem geplanten Start“, blickt Lothar Brose zurück. So verschob das Unternehmen den Start von März nach Oktober 2020. Der gelang dann umso besser, findet der IT-Leiter: „Natürlich gab es ein paar übliche Fehler und hausgemachte Herausforderungen. Entscheidend ist aber, dass wir vom ersten Tag an vollumfänglich arbeitsfähig waren“. Zwar lassen sich die Effekte der ERP-Migration und des Prozess-Redesigns aufgrund der langen Projektlaufzeiten noch nicht in Zahlen ausdrücken. Klar ist aber schon heute, dass durch die transparent abgebildeten Prozesse die Planung und Bestellung von Komponenten deutlich besser geworden sind. Einen Qualitätssprung erwartet Lürssen auch mit der Einführung der PSI Industrial App für die Lagerwirtschaft. Ihre Einbindung steht bereits auf der To-do-Liste des IT-Leiters. Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen zu generieren. ‣ weiterlesen
Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise
Komplex und präzise
Flexible, präzise und transparente Prozesse trotz hochkomplexer Projektstrukturen – darauf muss sich Lürssen beim Yachtbau verlassen können. Mit der Migration auf die neueste Version seines ERP-Systems und der Umstieg auf das darin integrierte Projektmanagement ist dem Unternehmen das gelungen. Damit hat die Werft die Bedingungen geschaffen, um weiter faszinierende Wunschobjekte vom Stapel zu lassen.