Studie ‚ERP in der Praxis‘

ERP-Anforderungen für den industriellen Mittelstand

Die IT-Komponenten mittelständischer Fertigungsunternehmen müssen zunehmend die Kommunikation zwischen Produktionsressourcen und Mitarbeitern, aber auch der selbststeuernden Prozessoptimierung sowie dem Maschinen-Monitoring unterstützen. Die ERP-Projektziele solcher Firmen ähneln immer mehr denen größerer Unternehmen. Das ist eines der Ergebnisse, zu denen Trovarit in ihrer diesjährigen Ausgabe der Studie ‚ERP in der Praxis‘ gelangt.

Bild: Trovarit AG
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Vor dem Hintergrund der zunehmenden vertikalen und horizontalen Vernetzung steuern ERP-Systeme Prozesse und Anwendungen zunehmend elaboriert und integrieren sie in den betriebswirtschaftlichen Kontext eines Unternehmens. Bei der Frage nach der Modernität zeigt die Umfrage ‘ERP in der Praxis’ jedoch, dass die aktuell in den Unternehmen eingesetzte ERP-Infrastruktur im Durchschnitt elf Jahre alt ist, wobei die ERP-Systeme, die in mittleren und größeren Unternehmen eingesetzt werden, sogar noch älter sind.

Wissen meist ­verfügbar

ERP-Anwender sind sich durchaus bewusst, an welchen Stellen sie ihre IT-Infrastruktur modernisieren und technologisch aufrüsten müssen, um den digitalen Wandel gestalten zu können. So schlägt sich beispielsweise der Marktführer im ERP-Segment wacker im Urteil seiner Anwender. Basierend auf Antworten von Unternehmen aus dem industriellen Mittelstand vergeben SAP-Anwender überdurchschnittliche Noten in der Vergleichsgruppe für die Stabilität des Systems, die internationale Einsetzbarkeit und auch Support Updates / Release-Wechsel. Umgekehrt bemängeln sie die Ergonomie (sicherlich auf das im Schnitt eher ältere Release zurückzuführen), das Preis-Leistungs-Verhältnis und den Aufwand zur Datenpflege. Unterdurchschnittlich schneiden insbesondere die SAP-Partner in den Punkten Beratung zur Einsatzoptimierung und der Anpassungsdokumentation ab, liegen insgesamt aber über dem Schnitt der Vergleichssysteme. In der Auswertung von Befragten des industriellen Mittelstands kommen die Spezialisten Catuno Pro, Winweb-Food und Fepa überdurchschnittlich gut weg, dicht gefolgt von Opacc ERP und BMD. Die diesjährige Studie bestätigt die mittlerweile etablierte Erkenntnis, dass schlanke ERP-Lösungen, ausgesprochene Branchenlösungen und Lösungen kleinerer Anbieter mit verhältnismäßig kleinem Kundenstamm in Sachen Anwenderzufriedenheit insgesamt am besten abschneiden. Die besten der Lösungen, die tendenziell eher bei größeren Kunden zum Einsatz kommen, befinden sich dagegen im Mittelfeld.

Die Themen der Anwender

Zu ihren Prognosen für die kommenden Jahre gefragt, dreht sich bei den großen internationalen Anbietern alles um Digitalisierung, Cloud und künstliche Intelligenz. Doch die Gewichtung der Themen sieht in den rund 2200 befragten Unternehmen etwas anders aus. Fragt man die Anwender zu den wichtigen Themen und Trends im ERP-Umfeld, halten ca. 60% der befragten Anwender die ‘Daten- bzw. Informationssicherheit’ für sehr relevant. Die Einhaltung ‘Rechtlicher Vorgaben’ – etwa GoBD, EU-DSGVO oder Branchenregularien wie die EU-Richtlinie 2011/62/EU zur Serialisierung im Pharmabereich – halten immerhin rund 51% der Anwenderunternehmen für sehr relevant, wenn es um den Einsatz der ERP-Lösung geht. Aus beiden Themenkreisen resultieren vor allem fachlich-funktionale Anforderungen, die durch die ERP-Software bedient werden müssen, sei es im Bereich der Zugriffssteuerung und des ‘Identity Management’, der rechtssicheren Archivierung von Auftrags- und Rechnungsbelegen, dem Nachweis der Gestattung zur Nutzung personenbezogener Daten oder der Verwaltung von Seriennummern in Verbindung mit Produktidentifikation GTIN/NTIN/PPN, Verfallsdatum sowie Chargennummern. Auf den Plätzen folgen die Themen der ‘Software-Ergonomie’ mit 45% und des ‘Mobilen ERP-Einsatzes’ mit 43%, bei denen es durchaus Schnittmengen wie das ‘Responsive Design’ und die ‘Echtzeitübertragung mobiler Daten’ (41%) gibt. Dabei geht es zum einen sicherlich auch um den performanten Einsatz der ERP-Software in mobilen Anwendungsszenarien. Noch wichtiger ist aber sicherlich die Möglichkeit, Zustands- und Steuerungsdaten in Echtzeit im Rahmen der Auftragsabwicklung verarbeiten zu können. Bewerkstelligt wird dies durch den Mobilfunkstandard 5G, der sich derzeit in der frühen Phase der Einführung befindet.

Bild: Trovarit AG
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Dauerbrenner Software-Integration

Der Digitalisierung in den Unternehmen ist eine recht große Bedeutung zuzuschreiben. So messen die befragten Unternehmen dem Schnittstellenmanagement (Enterprise Application Integration) eine hohe Bedeutung bei (etwa 40%). Die aktuelle Studie zeigt, dass sich der ERP-Einsatz auf eine Vielzahl betrieblicher Aufgaben erstreckt. Insofern leistet die ERP-Software einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Der Trend hin zu neuen Angeboten von datengetriebenen Dienstleistungen, sogenannten Smart Services findet offenbar auch im ERP-Umfeld seinen Niederschlag: Er ist immerhin für 38% der Studienteilnehmer sehr relevant. Hintergrund kann sein, dass sich Geschäftsmodelle bei Smart Services oft deutlich vom angestammten Geschäft unterscheiden, was auch die eingesetzten ERP-Lösungen vor Herausforderungen stellt.

Trendthemen auf unteren Rängen

Mit jeweils unter 30% landen Trends wie ‘Augmented/Virtual Reality’, ‘Robotic Process Automation’ und auch der Einsatz von ‘künstlicher Intelligenz“ am Ende der Liste mit den Trends im ERP-Umfeld. Für einige Themen mag die eingeschränkte Relevanz auch damit zusammenhängen, dass den Studienteilnehmern die Begriffe nicht geläufig sind. Mit einem Anteil von jeweils gut 10% gilt dies für das ‘Internet der Dinge (IoT)’, ‘Robotic Process Automation’ und ‘Business Process Mining’. Dabei sind Industrie 4.0 und Internet-of-Things (IoT)-Anwendungen zum wichtigen Teil der digitalen Transformation der Wirtschaft avanciert. Die Motivation für das Streben nach der Smart Factory ist meist: hohe Effizienz und Flexibilität, die Losgröße 1 zu Kosten der Serienfertigung. Branchenverbände, Forschungseinrichtungen und Beratungshäuser sehen darin Ermöglicher zusätzliche Wertschöpfung, Rationalisierung und durch Zusammenarbeit geprägt steigende Produktivität. Vergleicht man diese Erwartungen an Industrie 4.0 mit der Situation in den meisten Fertigungsunternehmen, sind diese mehrheitlich noch mehr oder weniger intensiv mit den Herausforderungen der herkömmlichen Digitalisierung beschäftigt. Z.B. haben nur wenige Unternehmen ihre Geschäftsprozesse vollständig mit Software-Anwendungen unterlegt und ihre Business-Abläufe komplett verzahnt. Auch ist man in puncto durchgängig digitalisierter Datenerfassung noch nicht sehr weit – bei knapp 20% der Unternehmen werden Daten ausschließlich manuell erfasst.

Auftrieb für Rechenwolken

Die Relevanz des Cloud-Computing erfährt aus zwei Richtungen Antrieb: Zum einen drücken gerade große ERP-Hersteller ihr Angebot mit Vehemenz in Richtung Cloud. Motivation sind hier etwa eine Verstetigung und Steigerung von Erlösen, eine deutlich höhere Kundenbindung und eine deutlich höhere Skalierbarkeit des Geschäftes. Aber auch auf der Anwenderseite steigt die Akzeptanz und der Bedarf dieser Bezugsform. So bieten Cloud-Lösungen Unternehmen mit weniger Ressourcen für den IT-Betrieb einen relativ schlanken Einstieg in die Nutzung leistungsfähiger ERP-Lösungen. Und Unternehmen mit komplexeren Strukturen schätzen die geringere Komplexität der zu betreibenden ERP-Infrastruktur in Verbindung mit einem deutlich höheren Maß an Standardisierung und technischer, wirtschaftlicher sowie oft auch regionaler Skalierbarkeit des Cloud-Betriebs. Insbesondere Microsoft und SAP drängen die Anwender in die Cloud, die Bestandskunden sollen auf das neue Betriebsmodell setzen und immer die neueste Version im Einsatz haben. Eine deutliche Veränderung zum aktuellen Status wäre das, ist doch aktuell der letzte Release-Wechsel gut vier Jahre her und die Erstinstallation der eingesetzten Software erfolgte vor mehr als 11 Jahren.