Das neue Lieferkettengesetz

Soziale Verantwortung endet nicht am Werktor

Compliance wird für Unternehmen wichtiger und betrifft mit Verabschiedung neuer gesetzlicher Regelungen zukünftig nicht mehr nur das Unternehmen selbst, sondern auch Teile der Lieferkette. Damit nehmen die Forderungen nach Social Compliance konkrete Formen an.

Bild: ©Proxima Studio/stock.adobe.com
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Compliance beschreibt das selbstauferlegte Regelwerk einer Organisation, das für Rechtschaffenheit sorgen soll. Solche Regelwerke sollen beispielsweise Korruption eindämmen. Ein auch im rechtlichen Sinne relevantes Compliance Management sollte sich dabei durch alle Unternehmensbereiche ziehen. Gearbeitet wird nach dem Prinzip: vorbeugen, aufdecken sowie reagieren und gegebenenfalls verändern.

Social Compliance

Unter Social Compliance wird ein Handeln verstanden, das noch einen Schritt weitergeht: Das Bewusstsein für die Verantwortung soll sich auch auf alle Liefer- und Vertriebsketten eines Unternehmens erstrecken. Im Wesentlichen geht es um die Gesundheit und Sicherheit sowie um die Grundrechte der Mitarbeitenden, aber auch um die Gesellschaft als Ganzes und die Umwelt vor Ort. Diese Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Zudem wollen immer mehr Menschen die unternehmerische Verantwortung nicht mehr nur einer freiwilligen Selbstverpflichtung ohne staatliche Sanktionen überlassen. So sprachen sich in einer Umfrage von Infratest Dimap im September 2020 drei von vier Deutschen für ein Lieferkettengesetz aus. Und 91 Prozent bezeichneten es als Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass Unternehmen auch bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und Sozialstandards achten.

Freiwillige Selbstkontrolle reicht nicht aus

Viele deutsche Unternehmen entsprechen diesem Stimmungsbild jedoch noch nicht. Letztlich wurde das Lieferkettengesetz deshalb beschlossen, weil zu wenige Firmen bereit oder in der Lage waren, Social Compliance systematisch und nachhaltig einzurichten. Der nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) hatte den Unternehmen 2016 eine Frist von vier Jahren eingeräumt. Danach wurde überprüft, ob die freiwillige Selbstkontrolle der Firmen ausreicht und eine gesetzliche Regelung damit überflüssig ist. Demnach mussten mindestens 50 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bis Mitte 2020 die Kriterien erfüllen. Allerdings erreichten nur knapp 18 Prozent dieses Ziel. Ein Kompromiss, der dem nun verabschiedeten Gesetz zugrunde liegt, sieht wie folgt aus.

Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder

Ab 2023 müssen sich deutsche Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten an die neue Vorgabe halten. Ab 2024 gilt das Gesetz auch für Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Damit werden ab 2024 rund 3.500 Unternehmen zur Social Compliance verpflichtet sein. In der Praxis bedeutet dies, dass die Unternehmen jeden Lieferanten und Dienstleister überprüfen müssen. Wenn diese die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen, werden sie gegebenenfalls durch andere Anbieter ersetzt. Die Regelung betrifft allerdings nur direkte, unmittelbare Partner. Das Unternehmen selbst kann bei Verstößen seiner Lieferanten und Dienstleister zwar nicht zivilrechtlich belangt werden. Es drohen jedoch Bußgelder sowie der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Zuständig für die Überwachung des Gesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa).

Lieferkettengesetz: Pro und Contra

Das neue Lieferkettengesetz stellt sich im europäischen Vergleich fortschrittlich dar. Allerdings ist es umstritten. Die einen sagen, es sei nicht Aufgabe des Staates, die unternehmerische Verantwortung zu kontrollieren. Andere sind der Meinung, das könne dieser auch gar nicht. Gegenwind kommt dabei vor allem von Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln kommentiert, viele Argumente, die für das Gesetz vorgebracht werden, bildeten die realen Verhältnisse nur verkürzt ab. So würden in diesem Zusammenhang etwa die positiven Auswirkungen, die Engagements von Unternehmen aus der EU in Entwicklungs- und Schwellenländern haben, nicht ausreichend gewürdigt.

Geteilte Verantwortung

Zustimmung für das Gesetz kommt unter anderem von Seiten karitativ und sozial engagierter Institutionen. So argumentieren etwa Brot für die Welt oder Germanwatch, das Gesetz sei notwendig um sicherzustellen, dass alle Unternehmen ihre Produkte herstellen, ohne der Verletzung von Menschenrechten Vorschub zu leisten. Die Verantwortung für die Produktionsbedingungen einer Ware soll damit noch stärker beim produzierenden Betrieb direkt liegen – und weniger indirekt beim Verbraucher und seiner Konsumentscheidung, beispielsweise für oder gegen ein Kleidungsstück, welches unter Berücksichtigung ökologischer und ethischer Standards gefertigt wurde.

 







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