Der Computer als Entwicklungspartner

Überrollbügel aus der Cloud

Seit 52 Jahren wird CAD als Akronym für den Begriff Computer Aided Design verwendet. Oft trifft es die Abkürzung Computer Aided Documentation aber besser. Denn der Computer unterstützte die Designprozesse im Grunde nicht, das Konzept entstand im Kopf des Anwenders. Der Computer dokumentierte über Jahrzehnte lediglich die Ideen des Anwenders. Bis Computer beim Design wirklich helfen konnten, mussten einige Hürden überwunden werden. Mittlerweile jedoch sind sie kreativ, lernfähig und zum echten Entwicklungspartner geworden.

Bild: Autodesk
Bild: Autodesk

Die aktuelle Generation von Engineering-Software und Hardware kann nicht nur eigene Ideen und Vorschläge in die Entwicklung einbringen – beim generativen Design kommt der Technik sogar oft eine Schlüsselrolle zu. Anwender können dem Computer vorgeben, wohin sie wollen und welche Bedingungen eingehalten werden müssen. Danach durchforstet der Computer den ihm bekannten Informationsraum nach Lösungen und schlägt Konzepte vor, auf die der Anwender womöglich nie gekommen wäre. Ein Beispiel für diese Arbeitsweise ist eine Antenne, die von der NASA in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Sie flog mehrfach ins Weltall, wurde von einem Ingenieur entwickelt und galt als elegante, höchst leistungsfähige Lösung. Vor etwa zehn Jahren entwickelten Ingenieure einen Algorithmus, der eine Vielzahl verschiedener Antennenstrukturen analysieren und ihre Leistungsfähigkeit simulieren kann. Auf Basis dieser Simulationen entwickelte der Algorithmus weitere Antennen mit immer besserer Leistungsfähigkeit. Daraus entstand ein Antennendesign mit doppelter Leistung im Vergleich zur älteren Antenne. Schon 1915 sagte der Biologe D’Arcy Wentworth Thompson: „Die Gestalt eines Objekts ist eine Skizze seiner Fähigkeiten.“

Computer erstellt Objekte

100 Jahre später arbeitet man im Forschungsprojekt Dreamcatcher daran, diesen Gedanken umzusetzen. Dabei beschreiben Designer dem Computer die Kräfte, die auf ein Objekt wirken – und der Computer erstellt das Objekt. Die Kräfte können strukturelle Belastungen oder Herstellungsmethoden sein. Aus traditionellen Arbeitsmethoden resultiert häufig nur ein einziges Design, das am Computer erstellt wird. Mit Dreamcatcher hingegen wird dem Computer das Ziel vorgegeben, statt ihm zu befehlen, was er tun soll. Das Problem wird präzise beschrieben, woraufhin der Computer zahlreiche Lösungen entwickelt. Diese analysiert er automatisch, indem er auf Cloud Computing-Ressourcen zugreift. Das Entscheidende daran ist der Zeit, die ein einziges herkömmliches Design uns dessen Analyse verschlingt. Die Engineering-Plattform analysiert die besten Vorschläge, stellt sie in einem Werkzeug dar und zeigt die Vor- und Nachteile der Varianten auf. Das kann zu Erkenntnissen führen, auf deren Basis die Aufgabe vielleicht sogar neu definiert, überarbeitet und präzisiert wird. Der Prozess wird wiederholt, bis der Anwender ein vom Computer generiertes Design auswählt.

Formel-1-Technik

Ein weiteres Beispiel für computergeneriertes Design ist die Entwicklung eines Überrollbügels für einen Formel-1-Rennwagen. Traditionell entsteht die Idee dafür im Kopf, das Bauteil wird am Computer entworfen und später mit einer Analysesoftware getestet. Für das Forschungsprojekt wurden die technischen Daten eines Formel-1-Rennwagens über Google von einem Computer aus dem Internet geladen und die Spezifikationen durch eine Worterkennung eigenständig gelesen. Der Computer übernahm die Informationen und generierte auf deren Basis alle möglichen Designvarianten. Auf diese Weise sind Computer in der Lage, Ideen zu entwickeln, die Menschen tatsächlich unterstützen. Anschließend können die Vorschläge auf ihre Vor- und Nachteile im Hinblick auf Teile und Kosten analysiert und Werkstoffe angepasst werden. In diesem Fall wird Machine Learning auf die Design- und Analysesoftware übertragen. Bei den Analysen ist ein Lernsystem in die Arbeitsschleifen integriert. Jedes Mal, wenn ein bestimmter Sachverhalt, beispielsweise Aerodynamik, untersucht wird, kann der Computer eine Verbindung zwischen Ursache und Wirkung herstellen und eigenständig zu Ergebnissen kommen.

Meinungsstarker Rechner

Schon in naher Zukunft könnten sich Computer eine eigene Meinung bilden. Was wäre, wenn sie von selbst neue Formen kreieren, analysieren und die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erforschen könnten? Systeme, die solche Verbindungen verstehen, werden automatisch Ideen zu den Themen entwickeln, an denen ein Unternehmen arbeitet. Die Welt ist immer mehr auf Vorstellungskraft und Innovation angewiesen. Vorstellungskraft und Innovation sind die treibenden Kräfte für Designer.