Digitaler Zwilling in der Intralogistik

Transportsysteme simulieren und optimieren

Fahrerlose Transportsysteme werden aufgrund ihrer Flexibilität für ständig neue Anwendungsfelder in Produktion und Logistik eingesetzt. Die Effizienz dieser Systeme steht und fällt mit ihrer Steuerungslogik. Um diese zu optimieren und schnell umzurüsten, hilft die rechnergestützte Simulation.

 (Bild: ©chesky/adobe.stock.com)
(Bild: ©chesky/adobe.stock.com)

Viele aktuelle Fahrerlose Transportsysteme (FTS) lassen sich in bestehende Strukturen integrieren und im Vergleich zu Stetigförderern meist leicht an geänderte Anforderungen anpassen. Dass für den Transport kein Personal benötigt wird und gleichzeitig nahezu jedes Fördergut transportiert werden kann, macht sie in vielen Fällen zu einer wirtschaftlichen Alternative zu personengebundenen Transportmitteln wie Stapler oder Routenzüge. Doch diese Flexibilität setzt eine Steuerung voraus, die auf die individuellen Anforderungen des Systems abgestimmt ist, damit sich Transporte mit möglichst wenigen Fahrzeugen erledigen lassen. IT-gestützte Simulation hilft dabei, die Steuerung eines FTS auszulegen. Neben der Berücksichtigung vieler Einflussparameter kann die geplante Steuerung nahezu eins zu eins in einem Modell abgebildet werden. Neben Machbarkeitsprüfungen lassen sich Steuerungen so bereits in der Planungsphase optimieren und mögliche Schwachstellen beheben. In einer Reihe von Experimenten können die Einflussgrößen evaluiert und letztlich die bestmögliche Auslegung des Systems ermittelt werden.

 

Daten bestimmen Qualität

Wie in jeder anderen Simulation steht und fällt die Qualität der Ergebnisse mit der Genauigkeit des Simulationsmodells. Die Genauigkeit wird einerseits durch die Eingangsdaten und andererseits durch den Detaillierungsgrad des Modells geprägt (siehe Abbildung 1). Die Definition der Systemlast, also die Summe der Transporte von Quelle zu Senke, ist eine der Schlüsselfunktionen für die Aussagekraft der Simulationsergebnisse. Gerade in der Planungsphase lässt sich die Last oft nicht genau festlegen. Dann hilft ein konservativer Ansatz, in dem eine sinnvolle zusätzliche Last gegenüber den Planzahlen als Basis für die Simulation definiert wird. In Experimenten kann die Last variieren, um die Robustheit des Systems bei wechselnder Auslastung zu untersuchen. Eine wichtige Frage hierzu lautet, ob ein System grundsätzlich auf die Spitzenlast auszulegen ist. Tritt die Spitzenlast nur selten auf, wäre die Abwicklung dieser Spitzenlast etwa in verlängerten Schichtzeiten lösbar, anstatt die Zahl der Fahrzeuge zu erhöhen. Die Simulation kann helfen, aus verschiedenen Szenarien die wirtschaftlichste auszusuchen.

Transportquellen und Senken

Das Verhalten der Transportquellen und -senken stellt einen weiteren wichtigen Faktor in der Definition der Auftragslast dar. Handelt es sich um ein Push- oder Pull-System, werden also die Aufträge durch das Entstehen eines Transportguts an der Quelle oder durch den Abruf einer Senke ausgelöst? Handelt es sich beispielsweise um einen Prozess mit Kanban-Logik, ruft die Transportsenke meist das Transportgut ab, sobald ein Ladungsträger leer ist. Das löst einen Auftrag von einer Quelle zu dieser Senke aus. Dabei müssen möglicherweise Parameter wie Verbrauchstakt der Teile, Anzahl der Teile im Ladungsträger sowie der Bestand am Verbrauchsort berücksichtigt werden, um ein realistisches Verhalten abzubilden. Der Abruf eines neuen Ladungsträgers kann zudem dazu führen, dass der leere Ladungsträger abzuholen und zu einem Leergutbahnhof zu transportieren ist. In diesem Fall werden also stets zwei Transportaufträge gleichzeitig ausgelöst – der des vollen Ladungsträgers zur anfordernden Senke und der zum Abtransport des Leerguts. Neben dem Einfluss auf die Auftragslast spielen auch weitere Parameter der Transportquellen und -senken eine wichtige Rolle. Wie gut ist etwa der Transport vom restlichen Prozess entkoppelt? Müssen Fahrzeug am Bahnhof warten können, weil die Abgabe unmöglich ist? Wie wird be- und entladen?

Simuliertes Verhalten validieren

Bei der Simulation des Fahrverhaltens ist die Genauigkeit die Herausforderung. Gerade wenn die Fahrzeuge beschleunigen oder verzögern, um auf andere aufzufahren, sowie in Kurven und Kreuzungen, können Abstraktionen das Simulationsergebnis beeinflussen. Deshalb sollte ein fertiges Simulationsmodell zunächst gründlich geprüft werden, bevor die Experimente beginnen. Bei dieser Validierung wird die Realitätstreue des Modells untersucht und bei Bedarf angepasst, um eine möglichst hohe Genauigkeit zu erreichen. Die Realitätstreue lässt sich beispielsweise prüfen, indem die Dauer einer Referenzfahrt berechnet und mit dem Zeitbedarf im Modell verglichen wird.

Intelligenz im System

Die Effizienz eines FTS hängt von der Steuerungslogik ab, die sich in folgende Bereiche einteilen lässt:

  •  Leerfahrzeugdisposition – Nach welcher Strategie wird ein neuer Transportauftrag mit einem verfügbaren Leerfahrzeug verbunden?
  •  Zielfindung und Wegesteuerung – Wie ermittelt ein Fahrzeug den Weg zu seinem Ziel?
  • • Blockstreckensteuerung – Falls es Beschränkungen wie die Anzahl der Fahrzeuge gibt, die gleichzeitig in einen Bereich einfahren können, nach welchen Kriterien werden diese Blockstrecken gesteuert?
  • • Abstandssteuerung – Wie wird der Abstand zwischen den Fahrzeugen gesteuert?
  • • Batterie laden – Wann und für wie lange werden Fahrzeug aufgeladen?
  • • Kreuzungen – Gibt es Regeln an Kreuzungen, etwa für die Vorfahrt?

Sind solche Steuerungen einmal in einer Simulation abgebildet, lassen sich Verbesserungen am System mit überschaubarem Aufwand testen und umsetzen. Szenarien können auf Knopfdruck erzeugt und beliebig wiederholt werden. So können viele Fehler und Schwachstellen schnell gefunden und behoben werden. Schrittweise kann die Wirkung einzelner Veränderungen auf die wesentlichen Systemkennzahlen – etwa die Fahrzeugmenge – bewertet werden, um zu einer bestmöglichen Auslegung des Systems zu gelangen. Diese Optimierungen nach Inbetriebnahme eines Systems vorzunehmen, wäre mit einem vielfach höherem Aufwand verbunden. Zumal sich viele Fehler im laufenden Systembetrieb nur schwer reproduzieren und somit abstellen lassen.

Virtuelle Inbetriebnahme

Wird die Steuerungslogik im Simulationsmodell bereits parallel zur Entwicklung des realen Systems erstellt, lässt sich das Modell auch für die virtuelle Inbetriebnahme der Steuerung verwenden. Dazu treten Telegramme des Simulationsmodells an die reale Steuerung an die Stellen, an denen die Steuerungslogik Entscheidungen fällt. Die Steuerung schickt die Antworten an das Simulationsmodell zurück. Damit dient das Simulationsmodell im Sinn eines digitalen Abbildes als Testumgebung für die reale Steuerung.







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