Wenn Teachen nebenbei geschieht

Roboterprogrammierung im Umbruch

Die digitale Transformation bringt neue Geschäftsfelder hervor und altbekannte zurück. ‚Digital transformiert‘ ist das Fotoalbum wieder ein Verkaufsschlager. Der Roboterprogrammierung könnte eine ähnliche Entwicklung bevorstehen wie der Fotografie. Die Technik dafür ist teils schon verfügbar.

Mit der kürzlich vorgestellten Fastsuite Edition 2 hat die Cenit AG die neueste Generation ihres Simulations- und Offline-Programmiertools vorgestellt. Die technologieorientierte, skalierbare und herstellerneutrale Anwendung soll Nutzern den Weg in eine neue Form der Roboterprogrammierung ebnen.
Mit der kürzlich vorgestellten Fastsuite Edition 2 hat die Cenit AG die neueste Generation ihres Simulations- und Offline-Programmiertools vorgestellt. Die technologieorientierte, skalierbare und herstellerneutrale Anwendung soll Nutzern den Weg in eine neue Form der Roboterprogrammierung ebnen.
Bild: Cenit AG

Industrieroboter waren zwar nicht von Beginn an digital, aber die Branchenführer haben sehr früh das Potenzial der Digitalisierung erkannt und konsequent genutzt. Heute lassen sich die meisten Roboter digital abbilden und virtuell programmieren. Dabei haben sich die verwendeten Werkzeuge verändert. Wie die Menschen ihre Roboter programmieren, ist aber nahezu unverändert geblieben. Nach wie vor wird ein Großteil der Roboter mit einem Bedienterminal an der Anlage programmiert. Dieses Teachen ist langwierig, da die einzelnen Positionen in Schleichfahrt angefahren und bestätigt werden müssen. Die Anlage kann in dieser Zeit nicht produzieren. Die Roboterhersteller steuerten mit Software-Werkzeugen dagegen, die eine Programmierung an einer virtuellen Anlage ermöglichte, ohne dass die Steuerung der Anlage online zur Verfügung stehen musste. Unter dem Begriff Offline-Programmierung finden sich seitdem verschiedene Herangehensweisen, die von textbasierenden Ansätzen bis zu 3D-Simulationen reichen. Sie haben alle das Ziel, die Roboteranlage und die Steuerung möglichst genau virtuell abzubilden. Die Benutzerschnittstelle sowie die Programmierung sollten dabei einfach gestaltet sein. Jedoch kommen laufend neue Hersteller – oft mit eigenen Steuerungen – auf den Markt. Viele Werkzeuge orientieren sich mehr oder weniger an herstellerspezifischen Eigenschaften und sind daher kaum miteinander kompatibel.

Roboter digital auf Kurs bringen

Um die herstellerunabhängige Roboterprogrammierung zu etablieren, bedarf es neuer Ansätze. Durch die Digitalisierung müssen viele Maschinen und Roboter nicht mehr wie bisher programmiert werden, sondern der Konstrukteur oder auch das Werkstück übernimmt mit seinen immanenten Daten selbst die Programmierung mit allen Parametern für die jeweilige Technologie. Die nächste Generation der Programmiersysteme verfolgt daher einen horizontalen und vertikalen Integrationsansatz. Auf diese Weise können verschiedene proprietäre Herstellersyntaxen in eine universal einsetzbare und herstellerübergreifende Ebene eingebunden werden. Ziel ist es, die Präzision und Genauigkeit komplexer CAD/CAM-Programme mit den Methoden der Offlineprogrammierung für einfache Aufgaben und komplexe Bahnoperationen zu kombinieren und das Verhalten spezifischer Steuerungen real abzubilden. Die Benutzerführung eines modernen Programmiersystems sollte dabei intuitiv per mobilem Gerät bedienbar sein.

Prozessbeschreibung statt Teachen

Den entscheidenden Transformationsschritt vollzieht die Offline-Programmierung jedoch in der Art und Weise, wie zukünftig programmiert wird. Dabei ändert sich der komplette Ablauf und stellt die Reihenfolge der Programmierung um: Anstatt Roboter und Maschinen für ein Werkstück in einem Derivat der Herstellersysteme zu programmieren, werden alle bereits vorhandenen Daten des Werkstückes herangezogen. Die Herleitung einer exakten Position oder Kontur aus einer CAD-Struktur ist heute schon gängig. Durch die Kombination von akkuraten Konstruktionsdaten, den Ist-Abgleich über Scanner- und Bilderfassungssysteme und weitere Sensoren kann man bereits große Teile der Programmierarbeit vollautomatisieren. Der Anwender (oder sogar das Werkstück selbst) wählt dann die entsprechenden Technologien aus mit denen es bearbeitet wird. Im Zuge der digitalen Transformation spielt es also keine Rolle mehr, ob bei einem Roboterprozess Material getrennt, gefügt oder disponiert wird. Die Programmierung wird durch eine interdisziplinäre und einfache Prozessbeschreibung abgelöst, die für jeden Prozess, Roboter und Maschine zunächst ein und dieselbe universelle Beschreibungssprache nutzt.

WAAM (Wire Arc Additive Manufacturing) 3D Metalldruck mit industrieller Roboterschweißtechnologie. In diesem Aufbau kann über geschickten Einsatz eines Dreh-/Kipptisches auf Stützstrukturen verzichtet werden.
WAAM (Wire Arc Additive Manufacturing) 3D Metalldruck mit industrieller Roboterschweißtechnologie. In diesem Aufbau kann über geschickten Einsatz eines Dreh-/Kipptisches auf Stützstrukturen verzichtet werden.
Bild: Cenit AG

Steuerung übersetzt Syntax

Die intelligenten Algorithmen im Hintergrund lösen diese Informationen dann in exakte und realistische Bewegungen im Funktionsrahmen der jeweiligen Steuerungen auf und binden dabei gleichzeitig alle erforderlichen Technologieparameter wie Anfahrmaß, Vorschub oder Materialauftrag ein. Durch die Art der vollautomatischen Translation werden daraus komplette und akkurate Roboter- und Maschinenbewegungen. Erst ganz zum Schluss folgt dann die Übersetzung in die jeweilige Maschinen- und Roboter-Syntax. Ein Teil kann entworfen, die Schnittkanten und Heftpunkte definiert, die Bahnen zum Ausschweißen und die Art der Nachbearbeitung, wie Lackieren oder Polieren, vorgegeben und alles in einem Arbeitsgang am Werkstück definiert werden. Per Mausklick kann man gleichzeitig viele verschiedene Programme in der jeweiligen Syntax der Hersteller herauslassen. Das sogenannte Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) ist nur ein Beispiel, was auf Basis dieser neuen Generation von Simulations- und Programmierwerkzeugen möglich ist. Im Prinzip eine industrielle Umsetzung der 3D-Druck-Technologie, die man von Heimanwendungen her kennen könnte. Nur wird statt eines filigranen Druckers und eines Filaments aus Kunststoff einsatzerprobte Robotertechnologie und Stahlschweißdraht verwendet. Die Algorithmen für das Slicing und Hatching, also für das Zerlegen, Umwandeln und Wiederaufbauen eines 3D-Modells, wurden aus vorhandenen Prozessen adaptiert und in Industriestandard transformiert.

Fazit

Seit der Analyse ‚CAD-Systeme bilden Basis für Offline-Programmierung‘ von Dr. Poschmann sind 30 Jahre vergangen. Die Welt ist schneller geworden, digitialer und vernetzt. Nun ist die Zeit reif für die digitale Transformation der Roboterprogrammierung.